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Proteste in Istanbul: Erdoğan beschuldigt Uni-Professorin für Aufstand der LGBTQ-Bewegung

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Von: Lukas Rogalla, Marcel Richters, Friederike Meier, Marvin Ziegele

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In der Türkei gibt es seit Wochen schwere Proteste. Auslöser war die Ernennung eines Universitätsdirektors. Recep Tayyip Erdoğan wettert gegen Studierende.

Update vom Monat, 8.2.2021, 10.30 Uhr: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht eine ehemalige Professorin der Bogazici-Universität als „Anstifterin“ der Proteste. Wie „Zeit Online“ berichtet, nannte er am Freitag Ayşe Buğra als eine derjenigen, die provozierten. Sie ist eine der bekanntesten Sozialwissenschaftlerinnen der Türkei.

Buğra ist die Frau von Osman Kavala, einem Mäzen und Menschenrechtler, der seit über drei Jahren in Haft sitzt. Er wird der Spionage und des Umsturzes beschuldigt. Unter anderem wird ihm vorgeworfen, an dem Putschversuch gegen Erdogan im Juli 2016 beteiligt gewesen sein. 

Ayse Bugra (Mitte), emeritierte Professorin an der Bogazici Universität und Ehefrau des inhaftierten türkischen Philanthropen und Kavala, spricht mit Medienvertretern vor einem Gericht zu den Medien.
Der türkische Präsidet Recep Tayyip Erdogan beschuldigt Aise Bugra (Mitte), für die Proteste an der Bogazici-Universität mit verantwortlich zu sein. © Emrah Gurel/dpa

Außenministerium der Türkei: Proteste an Bogazici-Universität unterwandert

Update vom Freitag, 5.2.2021, 13.10 Uhr: Das Außenministerium der Türkei teilt mit, dass die Sicherheitskräfte „ihre Pflichten und Verantwortungen“ weiterhin erfüllen werden, die „Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu sichern“. Allerdings habe man festgestellt, dass „bestimmte Gruppen“ bei den Protesten in Istanbul nicht der Bogazici-Universität angehören und Verbindungen zu terroristischen Organisationen hätten.

Sie würden die Proteste unterwandern und dabei provozieren. Daher habe man „notwendige und verhältnismäßige Maßnahmen“ treffen müssen, um illegales Verhalten zu unterbinden. „Wir warnen diese Kreise, keine Sprache zu verwenden, die Gruppen dazu provoziert, illegale Methoden einzusetzen und illegale Handlungen zu ermutigen“, heißt es in einer Stellungnahme vom Donnerstag.

Proteste in der Türkei - UN mischt sich ein

Neben Kritik aus den USA und der EU hat auch das Menschenrechts-Kommissariat der UN die Türkei dazu aufgerufen, unverhältnismäßige Gewalt gegen Demonstrierende einzustellen und „homophobe und transphobe“ Äußerungen von Funktionären zu verurteilen, die zu „Hass und Diskriminierung“ anregen würden.

Im Zusammenhang mit den Protesten an der Bogazici-Universität wurden 528 Leute festgenommen, wie das Innenministerium der Türkei bekanntgab. 498 wurden bereits wieder freigelassen. 22 von ihnen sollen Verbindungen zu terroristischen Organisationen haben, teilte ein Sprecher mit. Die Proteste waren durch die Ernennung des ehemaligen AKP-Politikers Melih Bulu zum Rektor der Bogazici-Universität ausgelöst worden

In Istanbul protestieren Studierende gegen die Ernennung eines ehemaligen AKP-Politikers zum Rektor der Bogazici-Universität.
In Istanbul protestieren Studierende gegen die Ernennung eines ehemaligen AKP-Politikers zum Rektor der Bogazici-Universität. © BULENT KILIC/AFP

Türkei: Erdoğan nennt Studierende „Terroristen“ - und verbittet sich Einmischung aus dem Ausland

+++ 19:01 Uhr: Die Türkei hat sich im Zusammenhang mit Studentenprotesten an der Istanbuler Bogazici-Universität gegen ausländische Einmischung verwahrt. Wer die Türkei im Umgang mit den Vorfällen an der Universität belehren wolle, solle lieber in den eigenen Spiegel schauen, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums in Ankara.

In sogenannten „fortschrittlichen“ Demokratien seien die Bilder von unverhältnismäßiger Polizeigewalt gegen „unschuldige und zivile Bürger“ noch in Erinnerung, hieß es dort ohne die Nennung eines spezifischen Landes. Niemand habe das Recht sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einzumischen.

Der Sprecher des US-Außenministeriums Ned Price hatte sich zuvor besorgt über Festnahmen von Studenten und LGBTQ-feindliche Rhetorik im Zusammenhang mit den Protesten gezeigt.

Die türkische Polizei nimmt Demonstranten nach Protesten in Istanbul in Gewahrsam.
Die türkische Polizei nimmt Demonstranten nach Protesten in Istanbul in Gewahrsam. © Adem Altan/AFP

Boğaziçi-Universität: Rektor Uni will trotz Protesten nicht weichen

Update vom Donnerstag, 04.02.2021, 11.39 Uhr: Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei in der Türkei, Kemal Kilicdaroglu, hat den Vorsitzenden der Boğaziçi-Universität in Istanbul, zum Rücktritt aufgefordert. Der Bürgermeister von Ankara, Mansur Yayas, appelierte an Bulu, er solle seine Position aufgeben und Platz machen für Frieden und die Jugend.

Der Rektor der Universität, Melih Bulu, wies derweil alle Rücktrittsforderungen von sich. „Ich denke nie über Rücktritt nach“, sagte Bulu gegenüber Reportern in der Türkei. Er gehe davon aus, dass die Krise – Proteste gegen die Einsetzung von Bulus als Rektor – in sechs Monaten vorüber sei. Bulu gehört der AKP an, der türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Er gilt als konservativ, die Boğaziçi-Universität dagegen als links und liberal geprägt.

Erdoğan bezeichnet protestierende Studierende als „Terroristen“

+++ 17.03 Uhr: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat Studierende im Zusammenhang mit Protesten an der Bogazici-Universität in Istanbul erneut scharf angegriffen. Die Jugendlichen seien „Mitglieder von Terrororganisationen“, sagte Erdogan am Mittwoch in einer Videoansprache sichtlich verärgert zu Mitgliedern seiner Regierungspartei AKP. Sie besäßen keine nationalen und moralischen Werte der Türkei. Er nannte die Studierenden„Terroristen“ und warf ihnen vor, das Büro des Rektors besetzen zu wollen.

Man werde niemals zulassen, dass in der Türkei Terroristen herrschten und das Nötige tun, sagte Erdoğan. „Dieses Land wird keinen Gezi-Aufstand mehr in Taksim erleben und es auch nicht zulassen.“ Erdoğan nahm damit Bezug auf die regierungskritischen Gezi-Proteste von 2013. Erdoğan äußerte sich zudem erneut abwertend über lesbische, schwule, bisexuelle und Trans-Menschen (LGBT). „LGBT, so etwas gibt es nicht“, sagte er.

Türkische Polizisten nehmen Demonstranten in Gewahrsam.
Türkische Polizisten nehmen Demonstranten in Gewahrsam. © Bulent Kilic/AFP

Twitter sperrt Hass-Beitrag von Erdoğans Innenminister

Update vom Mittwoch, 03.02.2021, 11.30 Uhr: Nach zahlreichen Festnahmen bei Studentenprotesten in Istanbul befinden sich nach Behördenangaben noch 29 Personen in Polizeigewahrsam. Sicherheitskräfte hätten im Zusammenhang mit den Demonstrationen am Vortag rund 100 Menschen in Istanbul festgenommen, davon sei ein Großteil wieder frei, teilte das Gouverneursamt am Mittwoch mit. Zudem sei gegen elf weitere Personen in der Türkei Hausarrest verhängt worden.

Twitter mahnt türkischen Innnenminister ab

Twitter hat den türkischen Innenminister Süleyman Soylu abgemahnt. Ein Kommentar von Soylu über die andauernden Proteste in der Türkei wurde mit dem Hinweis des „Hass schürenden Verhaltens“ gekennzeichnet. Soylu hatte die Proteste mit den Worten „Sollen wir die LGBT-Abweichler tolerieren, die die große Kaaba beleidigt haben? Natürlich nicht. Sollen wir die LGBT-Abweichler tolerieren, die das Gebäude eines Rektors okkupieren wollten? Natürlich nicht“ kommentiert.

Gegen die Festnahme von vier Studierenden der LGBTQ-Bewegung wird in Istanbul seit Tagen demonstriert. Die vier am Wochenende festgenommenen Studierenden hatten ein Bild der im Islam heiligen Kaaba in Mekka mit der Regenbogenflagge an der Bogazici-Universität aufgehängt.

Recep Tayyip Erdogan legt sich mit der LGBTQ-Bewegung an.
Recep Tayyip Erdogan legt sich mit der LGBTQ-Bewegung an. © picture alliance/dpa/Turkish Presidency Pool/AP

Die türkische Regierung hatte die Proteste scharf kritisiert, allen voran Recep Tayyip Erdoğan, der die Jugend seiner AKP-Partei nicht mit der LGBT-Jugend gleichsetze. Die Studierenden der Bogazici-Universität protestieren seit Anfang Januar gegen den von Präsident Recep Tayyip Erdoğan eingesetzten neuen Direktor Melih Bulu. Am Dienstagabend löste die Polizei einen Protest im Istanbuler Stadtteil Kadiköy unter anderem mit Tränengas und Plastikgeschossen auf.

Proteste in der Türkei: Erdoğan wirft LGBTQ-Bewegung „Vandalismus“ vor

Erstmeldung vom Dienstag, 02.02.2021, 10.49 Uhr: Ankara – Seit Wochen demonstrieren Studierende in der türkischen Metropole Istanbul. Nun haben die Behörden vor Ort ihr Vorgehen gegen die Demonstranten verschärft. Am Montag wurden in Istanbul 159 Studierende festgenommen, wie das Amt des Gouverneurs der Stadt mitteilte. Diese hätte sich geweigert, ihre Versammlung aufzulösen, und das Büro des Rektors umzingelt, hieß es. Die Proteste richten sich gegen die Ernennung eines konservativen Universitätsrektors durch Staatschef Recep Tayyip Erdoğan.

Türkei: Demonstrationen gegen von Erdoğan eingesetzten Rektor

Im Onlinenetzdienst Twitter zirkulierende Videos zeigten, wie die Sicherheitskräfte am Montagabend mit großer Härte gegen die Demonstranten vorgingen. Die Studierende hatten zuvor am Tag friedlich protestiert.

Die Demonstranten forderten nicht nur den Rücktritt des Rektors, sondern auch die Freilassung von vier Studierende- diese waren in Gewahrsam festgenommen worden, weil sie ein Bild mit der Regenbogenflagge der LGBTQ-Bewegung an der Bogazici-Universität aufgehängt hatten. „LGBTQ“ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queer.

Recep Tayyip Erdoğan: LGBTQ-Jugend nicht erstrebenswert

Erdoğan warf der LGBTQ-Bewegung am Montag im Zusammenhang mit den Studierendenprotesten„Vandalismus“ vor. „Wir werden unsere Jugend in die Zukunft führen, nicht als LGBTQ-Jugend, sondern als die Jugend, wie sie in der glorreichen Vergangenheit unseres Landes existierte“, sagte der Präsident in einer Fernsehansprache an Jungmitglieder seiner Regierungspartei AKP.

Die vier am Wochenende festgenommenen Studierende hatten ein Bild der im Islam heiligen Kaaba in Mekka mit der Regenbogenflagge an der Bogazici-Universität aufgehängt. Ihnen wird „Anstiftung zum Hass“ vorgeworfen. Zwei von ihnen befinden sich noch immer in Haft, die beiden anderen wurden unter Hausarrest gestellt.

Türkei: Erdoğan wirft LGBTQ-Bewegung „Vandalismus“ vor

Die Studierendenproteste waren durch die Ernennung des ehemaligen AKP-Politikers Melih Bulu zum Rektor der Bogazici-Universität ausgelöst worden. In früheren Jahren waren die türkischen Universitätsrektoren hochschulintern gewählt worden, doch nach dem Putsch-Versuch von 2016 sicherte sich Erdoğan den Zugriff auf die Hochschulen. An der Bogazici-Universität, an der die Veranstaltungen auf Englisch abgehalten werden, hat sich über die Jahre eine stark linksgerichtete Studierendengemeinde versammelt. (Marvin Ziegele/afp)

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