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Rassistischer Vorfall an Schule: Schüler sollen Märchen „ins Kanakische umformulieren“

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Von: Delia Friess

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In Duisburg steht eine Schule wegen eines rassistischen Vorfalls im Fokus. Ein Text mit dem diskriminierenden K-Wort wurde verwendet.

Duisburg – An einer Schule in Duisburg in Nordrhein-Westfalen hat sich im März 2022 offenbar ein rassistischer Vorfall ereignet. In der 9. Klasse einer Europaschule ist im Unterricht eine Version des Märchens „Hänsel und Gretel“ besprochen worden. Im Titel des Arbeitsblatts steht, dass das Märchen auf „Kanakisch“ geschrieben sei.

Das im Text verwendete falsche Deutsch wurde dabei auf eine abwertende Art einer migrantischen Gruppe zugeschrieben. Die Verwendung auch einer Abwandlung des K-Wortes im Titel steht schon lange in der Kritik. In diesem Fall wurde es von einer staatlichen Institution verwendet. Auch im Netz reagierten zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer mit Kritik an der Lehrerschaft.

Rassismus in der Schule: Abwertendes Arbeitsblatt im Unterricht verwendet

„Wir erwarten allerdings auch von Lehrerinnen und Lehrern, dass sie Texte und Aufgaben nur dann im Unterricht verwenden, wenn sie damit keine Gruppe innerhalb und außerhalb ihrer Schülerschaft beleidigen, herabwürdigen, gar diskriminieren oder Stereotype und Vorurteile bedienen“, sagte Aysun Aydemir, Vorsitzende des Türkischen Elternvereins Fötev NRW laut der Rheinischen Post. „Wir wissen, dass viele Lehrerinnen und Lehrer mit den Themen Chancengerechtigkeit und diskriminierende Sprache inzwischen sehr sensibel umgehen, aber die jüngsten negativen Fälle zeigen, dass es eben auch noch andere Beispiele gibt, darum sollte es wohl auch in der Lehrer-Aus- und Fortbildung verstärkt um diese Themen gehen.“

Lesetipp

Ein System für Annas, nicht für Hülyas*: Melisa Erkurt über Ungerechtigkeit im Schulsystem.

Mark Terkessidis, Publizist und Mitglied bei „Kanak Attak“, erklärte gegenüber dem Portal Belltower News der Amadeu Antonio Stiftung zu einem anderen Zeitpunkt, warum die Verwendung des K-Wortes sehr problematisch ist: „Erstmal ist ,Kanake‘ eine rassistische Beschimpfung. Denn seit den 1950er Jahren wurde jede Gruppe von Migranten in Deutschland* irgendwann mal als ,Kanaken‘ bezeichnet. Mittlerweile ist das Schimpfwort eher für die Leute türkischer Herkunft reserviert. Damit ist es eine rassistische Beleidigung und deswegen will ich es nicht mehr hören.“

Alltagsrassismus: Arbeitsblatt mit K-Wort an Schule in Duisburg verwendet

Allerdings sei die Bedeutung auch umgedreht worden: Als offensive Selbstbezeichnung im Kampf gegen Rassismus, um das eigene Selbstbewusstsein zu stärken und darauf aufmerksam zu machen, dass man von dieser Art von Beleidigung betroffen ist. Indem man es umkehre, erlange man eine gewisse Position der Stärke. Es bliebe allerdings ein Unterschied, ob ein Kind türkischer Herkunft seinem Kumpel auf die Schulter klopft und einen Witz mit dem K-Wort mache oder ob Deutsche einen Menschen ausländischer Herkunft damit bezeichneten, sagt der Publizist.

Rassismus in der Schule: In Duisburg hat es einen rassistischen Vorfall gegeben. (Symbolbild)
Rassismus in der Schule: In Duisburg hat es einen rassistischen Vorfall gegeben. (Symbolfoto) © Achim Scheidemann/dpa

Rassistischer Vorfall in Duisburg: Schule will Schulbuch mit K-Wort jetzt nicht mehr verwenden

Der Text in Duisburg sei im Deutschunterricht für eine 9. Klasse als zusätzliches Material in der mehrwöchigen Unterrichtsreihe „Nachdenken über Sprache – Sprachgebrauch, Sprachwandel, Sprachkritik” eingesetzt worden, hieß es von einer Sprecherin der Bezirksregierung gegenüber der Rheinischen Post. Die Klasse habe selbst vorgeschlagen, auch „über den deutsch-türkischen Ethnolekt“ zu sprechen. Die Schulaufsicht missbillige nun den Einsatz des Textes, der im Vorfeld gerade im Hinblick auf die Schülerschaft mit hohem Anteil von Familien mit Migrationshintergrund nicht ausreichend auf die möglichen Wirkungen hinterfragt worden sei. Für den Einsatz im Unterricht werde der Text nun als ungeeignet angesehen und zukünftig nicht mehr verwendet.

Der rassistische Vorfall an einer Schule ist in Deutschland leider kein Einzelfall, sondern für viele Kinder und Jugendliche Realität, wie zahlreiche Studien belegen - wenn auch oft subtiler. „Viele Menschen, die mit ihrem Namen oder ihrem Äußeren sichtbar anders sind, als es den Normen der Mehrheitsgesellschaft entspricht, erleben in ihrem Alltag Diskriminierung und Ausgrenzung“, sagt beispielsweise die Initiative „Schule ohne Rassismus“.

Ein neues Projekt der Bildungsstätte Anne Frank setzt bei der Prävention von Rassismus und Antisemitismus in den Schulen auf die Jugendhilfe. (df) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

Transparenzhinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels wurde berichtet, dass der angesprochene Text auf einem Arbeitsblatt des Klett-Verlags stehe. Das ist nicht der Fall. Die Redaktion bittet, diese inkorrekte Angabe zu entschuldigen.

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