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Pamela Anderson: Schon immer mehr als nur ihr Image

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Von: Isabella Caldart

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Zeitgleich mit der Filmwelt erobert Pamela Anderson sich auch die Hoheit über ihre eigene Geschichte zurück.
Zeitgleich mit der Filmwelt erobert Pamela Anderson sich auch die Hohheit über ihre eigene Geschichte zurück. © imago

Pamela Anderson wurde ihr Leben lang bloßgestellt. In einer Doku erzählt sie nun ihre Version der Vergangenheit - wie immer mehr berühmte Frauen. Eine Rezension.

Ladysmith/Kanada - Ob Paris Hilton oder Harry und Meghan, ob Beyoncé, Janet Jackson oder Joan Didion: Seit einigen Jahren boomen in der Filmbranche Dokumentationen über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die von diesen oder ihren Angehörigen selbst produziert werden. Dass die Dokus nicht objektiv von außenstehenden Personen erzählt sind, sondern allein die Sicht ihres Subjekts wiedergeben, hat Nachteile, aber auch einen ganz entscheidenden Vorteil: Einerseits laufen sie Gefahr, nichts anderes als lange PR-Videos für die prominenten Personen zu sein.

Andererseits kann vergangenes Unrecht nach vielen Jahren endlich richtiggestellt werden. Gerade Frauen, die in den 90er- und 00er-Jahren öffentlich immer und immer wieder durch den Dreck gezogen wurden, nutzen so ihre Chance, dass ihre Stimme gehört wird. So dürften Unmengen an Fans sehnsüchtig auf eine Gelegenheit warten, um Britney Spears‘ persönliche Sicht auf die Dinge zu erfahren.

Wie Paris Hilton und Monica Lewinsky: Pamela Anderson erzählt in Doku ihre Geschichte

Paris Hilton zeigte 2020 in „This Is Paris“ eine bis dato unbekannte Seite von sich und sprach erstmals öffentlich über den physischen und psychischen Missbrauch, den sie an einem Internat in Utah erlitten hatte. Monica Lewinsky konnte dank der Miniserie „Impeachment: American Crime Story“ (2021) – zwar keine Doku, aber eine von ihr co-produzierte fiktionalisierte Version der sogenannten Lewinsky-Affäre – vermitteln, wie sehr sie darunter gelitten hatte, zur Lachnummer und zum Sündenbock der Nation gemacht zu werden. Jetzt kommt die Zeit für eine weitere Frau jener Ära, die genau wie Hilton und Lewinsky nicht nur Pointe unzähliger Witze war, sondern ebenfalls gewaltsam sexualisiert wurde: Pamela Anderson.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte der Streamingdienst Netflix – zeitgleich zum Erscheinen ihrer Autobiografie („Love, Pamela“) – eine Doku über die Frau, die in den neunziger Jahren als das Sexsymbol schlechthin galt. Titel: „Eine Liebesgeschichte.“ Produziert hat den Film unter anderem Andersons älterer Sohn Brandon Lee. Er basiert nicht nur auf zahlreichen Fernsehauftritten, sondern auch auf dutzenden Tagebüchern, die die Schauspielerin seit ihrer Kindheit geführt hat und die als Erzählstimme aus dem Off fungieren. Die Doku „Eine Liebesgeschichte“ ist auch das: Die Geschichte von Pamela Anderson und Mötley-Crüe-Drummer Tommy Lee, mit dem sie drei Jahre lang verheiratet war und zwei Söhne hat.

Playboy-Fotos waren Pamela Andersons Befreiungsschlag nach Gewalt in der Kindheit

Ausgangspunkt für die Doku war dann auch Ex-Mann Lee, aber nicht ihre Beziehung zu ihm sondern die Hulu-Miniserie „Pam & Tommy“ (2022) mit Lily James und Sebastian Stan in den Hauptrollen. Die Serie will den Anspruch haben, Andersons Version der Geschichte zu erzählen – ihr Einverständnis, sie zu drehen, wurde aber nie eingeholt, wie sie betont. „Ich kriege Albträume davon“, sagt sie darüber. „Ich habe gestern Nacht nicht geschlafen. Ich will mir das nicht ansehen.“

Die zweistündige Doku „Eine Liebesgeschichte“ beginnt da, wo sie auch aufhört: In Ladysmith, einer kleinen Inselstadt vor Vancouver, in der Pamela Anderson am 1. Juli 1967 geboren wurde und heute wieder lebt. Ihre Kindheit ist weniger idyllisch, als es den Anschein hat. Sie sei jahrelang von ihrer Babysitterin missbraucht worden, sagt Anderson im Film. Im Alter von zwölf Jahren wurde sie dann von einem 25-jährigen Mann vergewaltigt. Die ersten Playboy-Fotos, für die sie im Oktober 1989 posierte, waren ein Befreiungsschlag, ihre Form des Selfempowerment und die Möglichkeit, Kontrolle über den eigenen Körper zurückzuerobern.

Sextape-Leak steckt Pamela Anderson in eine Schublade und verhindert Erfolg als Schauspielerin

Dann verfolgt „Eine Liebesgeschichte“ das öffentliche Leben der Schauspielerin: von der Erfolgsserie „Baywatch“ über die spontane Ehe mit Tommy Lee bis hin zu dem Skandal um das gestohlene Sextape im Jahr 1995 und der Scheidung, nachdem Lee gewalttätig wurde. Anderson weiß bis heute nicht, wer genau das Video entwendet und verkauft hat, und es ist ihr auch nicht wichtig. Genau wie Paris Hilton in „This Is Paris“ bezeichnet auch sie den Sextape-Leak als eine Art Vergewaltigung.

Die Folgen für sie waren fatal. Schon zuvor war „Sexsymbol“ Anderson in Talkshows regelmäßig auf ihre Brustimplantate oder ihr Liebesleben angesprochen worden. Jetzt musste sie zusätzlich die Demütigung ertragen, sich von Moderatoren anzuhören, dass diese in Besitz des entwendeten Tapes seien. Das Sextape vereitelte für sie jede Möglichkeit, jemals als Schauspielerin ernstgenommen zu werden. Nach dem Flop ihres Spielfilms „Barb Wire“ (1996) war sie hauptsächlich wegen ihrer Beziehungen in den Schlagzeilen. Bis Anderson beschloss: Wenn ich schon überall als Witz wahrgenommen werde, spiele ich mit diesem Image und sorge dafür, dass für meine Auftritte zugleich auch Geld an die Tierschutzorganisation PETA gespendet wird. Die Kampagnen für die Rechte von Tieren waren ein erneuter Versuch, die Kontrolle zurückzuerlangen.

Pamela Anderson erobert mit Netflix-Doku ihr eigenes Narrativ zurück

Nachdem sich die heute 55-Jährige lange Zeit zurückgezogen hatte, spielte sie 2022 die Hauptrolle im Stück „Chicago“ am Broadway und konnte erstmals Publikum wie Kritik davon überzeugen, dass sie mehr ist als das Image, das ihr in den 90er-Jahren verpasst wurde. Seit Beginn der Pandemie lebt Anderson nun wieder dauerhaft in Ladysmith, wo auch ihre Eltern wohnen. Wie es für sie beruflich und privat weitergehen wird? Ihre Zukunft ist vollkommen offen. Einen Weg aber wird sie finden, denn Pamela Anderson hat in der Vergangenheit mehr als einmal bewiesen, dass sie es schafft, viel größere Hürden zu meistern.

„Pamela: Eine Liebesgeschichte“ ist der gelungene Versuch einer Frau, ihr eigenes Narrativ zurückzuerobern. Diese subjektive Perspektive erlaubt keine unangenehmen Nachfragen, und so werden Andersons Bekanntschaften, beispielsweise mit keinem Geringeren als Wladimir Putin, nur kurz angeschnitten, aber nicht kritisch hinterfragt, andere Kontroversen werden gar nicht thematisiert. Das wird eines Tages die Aufgabe einer objektiveren Aufarbeitung sein. Nach mehreren Jahrzehnten des regelmäßigen Sexualisiert- und Degradiert-Werdens in der Öffentlichkeit erscheint es aber nachvollziehbar, dass ihr daran gelegen ist, endlich ihre Sicht auf die Vergangenheit darzustellen.

Das Schöne wie Traurige an Pamela Andersons Leben ist ihre ewige Hoffnung auf die Liebe. Am Ende steht die Erkenntnis, dass Tommy Lee, mit dem sie nicht zusammen sein möchte, wahrscheinlich die Liebe ihres Lebens bleiben wird. Aber ihr unerschütterlicher Glaube an die Liebe ist auch ihre große Stärke, dank der sie sich nie hat unterkriegen lassen: „Ich liebe es, verliebt zu sein. Und verletzlich zu sein. Und zu geben. Es ist die einzige Möglichkeit, das Leben zu leben. Verletzlich.“ (Isabella Caldart)

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