E-Mountainbikes machen Ärger

Ob E-Mountainbiken ein Sport ist, darf bezweifelt werden. Wer ohne Motor radelt, sieht das anders. Denn es wird immer enger im Wald
Ich habe neue Verbündete. Wenn ich derzeit auf dem Mountainbike einen Berg hinauf strample und eine Wandergruppe überhole, höre ich öfters aufmunternde Rufe. Nicht, weil ich so schnell bin. „Bravo, noch eine richtige Radfahrerin“, heißt es dann, und das tut mir gut. Früher war das anders. Wander:innen und Mountainbiker:innen mochten sich nicht. Ich erinnere mich an Menschen, die sich extra in den Weg stellten, damit ich absteigen und schieben musste, weil ich am Hang nicht mehr aufs Rad kam. Heute sind zu Fuß Gehende offenbar Schlimmeres gewohnt: E-Mountainbikes, die immer zahlreicher in Wäldern und Bergen unterwegs sind.
Gefühlt bin ich ohne Akku-Unterstützung inzwischen eine Minderheit. Vergangenes Jahr, coronabedingt ein absoluter Boom für die Branche, wurden fast viermal mehr E-Mountainbikes als geländetaugliche Räder ohne Antrieb verkauft, Tendenz steigend. Mir passt das nicht. Vielleicht liegt das an meiner ersten bewussten Begegnung, die einige Jahre zurückliegt. Ich war in Südtirol unterwegs, auf dem letzten Anstieg. Als ich keuchend und schwitzend kurz vor dem Aufgeben war, überholte mich ein Teenager mit lockerem Tritt.
E-Bikes sind gut, wenn sie als Fortbewegungsmittel dienen
Ich wollte es gerade aufs Alter schieben, da packte er sein Handy aus, machte Selfies in alle Richtungen, und ich sah den fetten Akku, dem er seine Mühelosigkeit verdankte. Am liebsten hätte ich ihn vom Rad geschubst, obwohl ich weiß, dass dieser Impuls ungerecht ist. Schließlich zwingt mich niemand aufs Mountainbike, ich fahre freiwillig bergauf, sogar im Urlaub: Ich werde dabei oft von konditionsstärkeren Fahrer:innen überholt und verkrafte das problemlos. Und eigentlich bin ich auch tolerant: Nur strampeln und strampeln lassen – bei der E-Frage schaffe ich das nicht.
Um eines klarzustellen: Ich finde E-Bikes gut, sie fördern die Gesundheit, weil sie Menschen an die Pedale locken, die vorher nie geradelt sind. Sie können helfen, das Auto zurückzudrängen und sind ein prima Fortbewegungsmittel auch für größere Distanzen. Und hier liegt der Knackpunkt: ein Fortbewegungsmittel! Ein Mountainbike ist dagegen in erster Linie ein Sportgerät, bei dem das Fahren an sich den Reiz ausmacht, es nicht auf den direkten, sondern den schönsten Weg ankommt. Wie beim Wandern zählen Naturgenuss und Herausforderung.
Wer den Unterschied kennt, mit einer Seilbahn einen Gipfel erreicht oder sich zu Fuß hochgekämpft zu haben, weiß, was ich meine. Ganz zu schweigen von den Folgen: Wo die Seilbahn hinkommt, ist es voll, wird es anstrengend, sind nur wenige unterwegs. Seit E-Mountainbikes diese Regel außer Kraft gesetzt haben, nehmen Nutzungskonflikte zu, werden Almen und Wanderwege überrollt und daher auch in heimischen Wäldern immer mehr Routen für Mountainbikes gesperrt.

Zwischen E-Mountainbikefans und „Bio-Bikern“ herrscht ein Glaubenskrieg
Dass mich das stört, hat so gesehen egoistische Gründe. Es wird eng im Revier, ich will es nicht teilen. Das kann man durchaus anders sehen. Manche erkennen in der Motorenhilfe eine „Demokratisierung des Mountainbikes“, weil damit alle auf den Berg kommen. Sie loben die Freiheit, auch untrainiert in abgelegene Gegenden radeln zu können. In einschlägigen Foren und Zeitschriften herrscht ein Glaubenskrieg zwischen E-Mountainbike-Fans, die ihre Sportlichkeit beschwören, und „Bio-Bikern“, wie wir ebenfalls etwas abfällig tituliert werden.
Klar, dass wir inzwischen zusammenhalten. Auf einer Tour in der Bodenseegegend kam ich mal vom Weg ab und fragte einen dahergeradelten Einheimischen um Rat. Weil er mich als seinesgleichen erkannte, war er freundlich, erklärte mir einen nicht ausgeschilderten Pfad und gab einen guten Einkehrtipp. Wir plauderten nett, als sich eine ebenfalls umherirrende E-Mountainbikerin zu uns gesellte. Der Ortskundige war nicht wiederzuerkennen, kanzelte sie mit verächtlichen Blick auf ihr schweres Gerät ab und schickte sie im harschen Befehlston auf die Straße zurück. Ich freute mich noch, als wir das Wirtshaus erreichten.
Ein Überholverbot für E-Mountainbikes wäre doch nicht schlecht
Eine Lösung des Konflikts ist ebenso wie ein Ende des E-Mountainbikebooms nicht in Sicht. Neben Einsteigern warten ja noch jede Menge in die Jahre kommende Radler:innen als potenzielle Kunden. Auch meine Nachbarn, beide Ende 50, die jahrelang ohne Motor durch die Wälder strampelten, fahren jetzt E-Mountainbikes, eine Knieoperation zwang ihn zum Langsamertreten. Ich verurteile sie nicht, ich kann sie verstehen. Trotzdem - einen Vorschlag hätte ich, der mich persönlich sehr zufriedenstellen würde: Bergauf ein Überholverbot für E-Mountainbiker:innen. Wandergruppen wären bestimmt auch dafür.