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Michelin-Stern für Garküche in Bangkok

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Von: Willi Germund

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Tante Fai trägt beim Kochen immer eine Motorradbrille.
Tante Fai trägt beim Kochen immer eine Motorradbrille. © dpa

Normalerweise wird diese Ehre Edel-Restaurants zuteil. Jetzt zeichnet Guide Michelin eine beliebte Garküche in Bangkok aus.

Als Tante Fai während eines steifen Festakts in einem Nobelhotel von Bangkok die begehrte Urkunde aus den Händen eines Gourmetexperten mit einem Michelin Stern erhielt, war sie selbst für Stammkunden kaum wiederzuerkennen. Die blütenweiße Kochjacke hatte sich die 70-jährige „Mutter“, wie Jae Fai von ihren Anhängern genannt wird, eigens für den Abend gekauft. Nicht einmal die Motorradbrille, die sie allabendlich in ihrem kleinen Restaurant in einem schmalen Shop House in Bangkoks Chinatown trägt, hatte sie mitgebracht.

Dabei gehört der übergroße Augenschutz, der ihre Netzhaut vor dem tränentreibenden Aroma superscharfer Chili-Bohnen und dem spritzenden Öl in ihren Wok-Pfannen schützen soll, ebenso zu der Feinschmeckerszene in der thailändischen Hauptstadt wie ihr berühmt-berüchtigter Kai Jeow Puu. Auf Deutsch heißt ihre Spezialität profan „Krebsomelette“. Auf dem Gaumen zerfließt das Gericht mit einer Intensität, die manche ausländische Gäste nach dem Feuerlöscher schielen lässt.

Die rote Flasche aber fehlt in dem kleinen Restaurant mit Blechtischen und Plastikstühlen ebenso wie Kompromissbereitschaft für Chili-ungewohnte westliche Zungen. „Mutter weiß es am besten“ lautet das Motto in der brutzelnden Küche des Straßenrestaurants. Selbstbewusst weist Tante Fai jeden in die Schranken, der auch nur kleine Abänderungen wünscht. Acht Monate lang sahen sich die Michelin-Prüfer, finanziert von Thailands Militärregime, in Bangkoks lebhafter Restaurantszene um. Die meisten der nun mit ein oder zwei Sternen belobigten Speiserestaurants stellen keine Überraschung dar.

Bangkoks „Foodies“ zeigten sich denn auch etwas enttäuscht, dass mit Jae Fai lediglich ein Straßenrestaurant ausgezeichnet wurde. Denn einige der rund 50.000 Garküchen, die in der Millionenmetropole vorläufig noch tagein tagaus hungrige Mäuler stopfen, brauchen sich nach ihrer einhelligen Meinung nicht vor Jae Fais Kochkünsten zu verstecken. Doch Speisen aus fahrbaren Küchen kommen laut Michelin-Regeln nicht in die engere Wahl. Die Feinschmeckerexperten prüfen nur Lokale, die einen festen Standort haben. Außerdem wurden Michelins Experten von Thailands Tourismusministerium für ihre achtmonatigen Recherchen in der Millionenmetropole bezahlt.

Die von den Generälen eingesetzten Stadtväter wiederum handelten sich den Vorwurf ein, Bangkok seiner Seele zu berauben. Sie hatten im April verkündet, dass alle rund 50 000 Garküchen der Metropole ab dem 31. Dezember nur noch in Märkten anbieten dürfen, die nach dem seelenlosen Vorbild Singapurs geplant sind.

Angesichts solcher Vorgaben konnten die Michelin-Prüfer schlecht begeistert von den Garküchen berichten. Raan Jae Fai, so der komplette Name des Restaurants, freilich erfüllt die Vorstellungen der Stadtherren. Jae Fai erfreut schließlich in ihrem einfachen Lokal samt Tischen auf dem Gehsteig die Vorstellung von Ordnung und Hygiene, die den Generälen vorschwebt. Satte 16 Euro kostet eine Mahlzeit bei Jae Fai, ein Preis, der um ein vielfaches über den Kosten von drei bis fünf Euro liegt, für die in den vielen Garküchen der Stadt normalerweise eine komplette Mahlzeit zu haben ist. „Bei mir gibt es eben etwas besonderes“, sagt Tante Fai selbstbewusst. Ihre Verehrer verweisen gerne auf die großen Portionen, wenn sie die höheren Preise rechtfertigen.

Tante Fai hat ihre weiße Kochjacke längst wieder abgelegt und steht mit schwarz geränderter Motorradbrille und schwarzem Kittel hinter ihren Töpfen. Skibrillen, die sie laut einigen Berichten trägt, gibt es im tropischen Thailand nicht. Auch nicht auf dem Markt von Klong Toey, auf dem Jae Fai jeden Morgen ihre Einkäufe erledigt. Die Shopping-Tour dauert Stunden.

Jedes Kind weiß in Thailand: Das Geheimnis der Speisen liegt in der Zubereitung der Saucen. Jedes Gewürz, jedes Gemüse und jede Zutat müssen absolut frisch sein. Das beherzigt selbstverständlich auch Tante Fai. So sehr sie von ihren Kunden für ihre Kochkünste geschätzt wird, so sehr fürchten sich die Markthändler vor ihr. Denn Jae Fai spürt jeden Fehler auf und lässt sich beim Einkaufen nie in die Irre führen.

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