+++ 16:37 Uhr: Der Bischof von Aachen appelliert an alle Beteiligten der Lützerath-Räumung zu einem friedlichen Miteinander. Klima-Aktivist:innen und Einsatzkräfte dürften keine „Spirale der Gewalt“ auslösen. „Friedliche Proteste sind zentraler Bestandteil einer lebendigen Demokratie“, sagte Helmut Dieser am Mittwoch laut Mitteilung des Generalvikariats. „Zu einem glaubwürdigen Rechtsstaat gehört aber auch, dass Regeln und Vereinbarungen eingehalten werden“, so der Aachener-Bischof weiter. Die Aufgabe von Lützerath zugunsten des Kohleabbaus sei ein Kompromiss im Ausstieg aus der Braunkohleförderung in Deutschland, betonte Dieser.
+++ 15:35 Uhr: Für Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Die Grünen) ist die Aufgabe des Dorfes Lützerath zugunsten des Kohleabbaus „die richtige Entscheidung“. Mit Verweis auf die Vereinbarung des vorgezogenen Kohleausstiegs zum Jahr 2030 (anstatt 2038) sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch (11. Januar) in Berlin: „Es ist eine gute Entscheidung für den Klimaschutz. Es beendet verbindlich die Abbaggerei im Rheinischen Revier ab 2030. Und fünf Ortschaften, in denen Menschen leben, werden gehalten.“
+++ 15:12 Uhr: Der Fall Lützerath beschäftigt nicht nur Umweltaktivist:innen, Politik und Polizei, nun haben sich auch Wissenschaftler und Prominente zu Wort gemeldet. In einem offenen Brief, der dem Spiegel am Mittwoch vorlag, stellten sich demnach mehr als 200 Prominente „solidarisch an die Seite der Klima-Protestierenden in Lützerath“. Initiiert wurde der Brief Spiegel-Berichten zufolge von der in Wien geborenen Schauspielerin Luisa-Céline Gaffron („Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“) und Schauspieler Jonathan Berlin („Der Bergdoktor“).
In einem weiteren Protestbrief forderten zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Räumungsmoratorium für Lützerath. Der Zusammenschluss „Scientists for Future“ halte es für seine Pflicht, „auf die Konsequenzen einer Räumung von Lützerath hinzuweisen“. In ihrem Schreiben führen die Wissenschaftler:innen mehrere Gutachten an, die zu dem Schluss kommen, dass ein Abbau der Braunkohle für eine Versorgungssicherheit nicht nötig, „sondern politisch bestimmt“ sei.
+++ 14.33 Uhr: Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg will sich an den Protesten gegen die Räumung des Dorfs Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier beteiligen. Thunberg werde am Samstag zu einer Demonstration in die Region kommen, teilten die Organisatoren der Proteste am Mittwoch mit. Thunberg gehört zu den international bekanntesten Klimaaktivisten.
+++ 14.18 Uhr: Die Polizei hat am Mittwochmittag damit begonnen, Aktivist:innen in Lützerath von Bäumen und Podesten zu holen. Die Polizeikräfte setzten dabei an verschiedenen Stellen Hebebühnen ein, berichtete ein dpa-Reporter. Am Ortseingang von Lützerath begannen Bagger mit Abrissarbeiten. Auch eines der Ortsschilder von Lützerath wurde am frühen Nachmittag entfernt.
Bei der Räumung von Lützerath leisteten Aktivist:innen am Morgen Widerstand. Laut Polizeiangaben wurden dabei vereinzelt Molotow-Cocktails, Steine und Pyrotechnik auf die Beamt:innen geworfen. „Es gab heute Widerstand und auch Ausschreitungen bei der noch laufenden Räumung des Dorfes. Diese Gewalt verurteilt die Bundesregierung ausdrücklich“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin. „Dafür haben wir kein Verständnis.“
Zur Räumung von Lützerath gebe es eine „eindeutige Rechtslage“. „Und die gilt es zu akzeptieren.“ Die letzten noch anhängigen Klagen gegen einen Abriss seien abgewiesen worden. „Insofern erwartet die Bundesregierung, dass das Recht eingehalten wird.“
+++ 13.50 Uhr: Laut Polizei-Angaben wurden Einsatzkräfte zu Beginn des Räumungseinsatzes vom besetzten Braunkohleort Lützerath von den Aktivist:innen mit Steinen, Pyrotechnik, vereinzelt auch mit Molotow-Cocktails beworfen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat diese Übergriffe gegenüber der Presse scharf kritisiert.
„Ich bin eigentlich nur fassungslos und verstehe es nicht, wie Menschen sowas machen können“, sagte Reul und rief alle friedlichen Demonstrant:innen auf, sich von gewaltbereiten Protestierenden zu distanzieren. „Man kann woanders demonstrieren, man muss denen jetzt nicht noch behilflich sein dadurch, dass man da steht und die Polizei bei der Arbeit stört“, so Reul weiter.
+++ 13.29 Uhr: Seit den frühen Morgenstunden läuft die Räumungsaktion des besetzten Braunkohleorts Lützerath. Rückendeckung haben die Aktivistinnen und Aktivisten nun vom Vorsitzenden vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) erhalten. In einem offiziellen Kommentar von BUND forderte Olaf Bandt das sofortige Ende der Polizeiaktion sowie ein Räumungsmoratorium.
„Die Proteste gegen die Räumung von Lützerath zeigen, dass ein „Weiter So“ beim Braunkohletagebau vor allem von jungen Menschen nicht mehr akzeptiert wird“, kommentiert Bandt. Es gebe keine energiepolitische Notwendigkeit, die Kohle unter Lützerath abzubaggern. Daher sei es „ein fatales Signal, wenn dennoch das Abbaggern von Lützerath mit einem großen Polizeieinsatz ermöglicht“ würde. „Die Räumung muss jetzt sofort gestoppt werden!“, schreibt Bandt abschließend.
+++ 12.35 Uhr: Bei der Räumungsaktion in Lützerath wird angeblich die Arbeit von Journalist:innen durch die Polizei behindert. Das wirft die Nachrichten-Website zu digitalen Freiheitsrechten „netzpolitik.org“ den Einsatzkräften auf Twitter vor. Demnach seien Journalist:innen der Zugang zu dem Gebiet verweigert worden, andere Reporter:innen seien von Beamten abgeführt worden.
„Die Einschränkungen der Pressefreiheit in Lützerath haben nach Berichten der Journalistengewerkschaft dju heute massiv zugenommen. Journalisten wurden laut dem Bericht von der Polizei gezwungen, Bilder zu löschen. Updates dazu gibt es bei @ver_jorg“, schreibt Markus Reuter von „netzpolitik.org“ auf Twitter. Eine Stellungnahme der Polizei dazu gibt es aktuell nicht.
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+++ 12.02 Uhr: Unter den Besetzer:innen des Braunkohleorts Lützerath sind nach Angaben der Polizei auch Familien mit kleinen Kindern. „Aufgrund weitreichender Gefahren im Einsatzraum, appelliert die Polizei Aachen an die Erziehungsberechtigten, den Bereich umgehend mit ihren Kindern zu verlassen“, schrieben die Beamten auf Twitter, ehe es im Verlauf der Räumungsaktion zu Rangeleien mit den Klima-Aktivist:innen kam. Berichten der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zufolge seien einige Protestierende den Aufforderungen der Polizei gefolgt und verließen freiwillig das Gebiet. Doch der Großteil wolle weiter Widerstand leisten.
„Die Menschen sind fest entschlossen dazubleiben, auszuharren, die Bäume und die Gebäude zu schützen“, sagte Mara Sauer, eine Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“. Andere Demonstrant:innen protestierten auch bewusst mit leisen Tönen gegen den Polizeieinsatz, so die dpa. Ein Aktivist saß demnach mitten im Regen an einem alten Klavier und spielte, während die Beamten in den Ort vorrückten. Andere hatten sich um ein Kreuz versammelt, beteten und sangen.
Erstmeldung vom Mittwoch, 11. Januar: Erkelenz – Der Räumungseinsatz für das von Klimaaktivist:innen besetzte Lützerath ist am Mittwochmorgen (11.01.2023) begonnen worden. Der Ort wurde von Polizeikräften umstellt und es kam zu gewalttätigen Zwischenfällen. Die Einsatzkräfte wurden von den Protestierenden mit Molotowcocktails, Pyrotechnik und Steinen beworfen, berichtet das Polizeipräsidium Aachen.
Der Konflikt um Lützerath hält seit Monaten an, der Ort ist ein zentrales Symbol für Klimaschutzaktivist:innen aus ganz Deutschland. Für die seit längerem angekündigte Räumung wird deshalb eine Eskalation befürchtet. Die Polizei ist bei der Räumung als sogenannte Amtshilfe tätig. Die Entwicklung der Räumung von Lützerath werden im oben verlinkten Livestream der Tagesschau gezeigt.
Die Polizei appellierte zunächst an die Aktivist:innen, friedlich zu bleiben und den Bereich zu verlassen. Inzwischen wurden die Protestierenden von der Polizei ultimativ aufgefordert, die Besetzung des Braunkohleortes aufzugeben. Das sei die letzte Möglichkeit, den Ort freiwillig zu verlassen. Andernfalls „müssen Sie mit der Anwendung unmittelbaren Zwangs rechnen“, hieß es in einer Durchsage der Polizei am Mittwochmorgen. Auch die RWE, Eigentümer der Siedlung, appelliert an die Protestierenden, das Gelände zu verlassen. Viele Protestierende möchten jedoch weiterhin Widerstand leisten.
Die Protestierenden wehren sich mit Barrikaden und Menschenketten gegen die laufende Räumung. Bei einer weiteren Aktion mit dem Namen „Gegenschlag“ wurde der Zugang in den Tagebau bei Jackerath von einem Dutzend Menschen blockiert. Dadurch sei der Hauptzugang der Polizei zu ihrem Logistiklager im Tagebau gesperrt.
Der Energiekonzern RWE will den bei Lützerath liegenden Tagebau Garzweiler ausdehnen und die unter dem Ort liegende Kohle abbauen. Zu diesem Zweck soll das verlassene Dorf abgerissen werden. Die RWE ist mittlerweile Eigentümer und erklärte, dass der Rückbau der Siedlung am Mittwoch beginne und anschließend „bergbaulich in Anspruch genommen werden“.
Als eine der ersten Maßnahmen werde „aus Sicherheitsgründen“ ein gut anderthalb Kilometer langer Bauzaun aufgestellt. „Er markiert das betriebseigene Baustellengelände, wo in den nächsten Wochen die restlichen Gebäude, Nebenanlagen, Straßen und Kanäle der ehemaligen Siedlung zurückgebaut werden“, erklärte RWE. Zudem würden Bäume und Sträucher entfernt. Anschließend könne der nahe Tagebau Garzweiler damit beginnen, die Braunkohle für die Stromerzeugung in den Kraftwerken der Region unter dem ehemaligen Ort freizulegen.
Die Klimaaktivist:innen befürchten, dass es zu einer Eskalation kommen wird. „Wir sehen in den letzten Tagen, also schon vor Beginn der tatsächlichen Räumung, eine große Provokation und Eskalation von Seiten der Polizei in Richtung der Aktivist:innen – das bereitet mir große Sorgen“, sagt die Klimaaktivistin Pauline Brünger dem Bayerischen Rundfunk. Weiter betont sie, dass die Protestierenden friedlich demonstrieren wollen. Ihr Ziel sei es, „dass die Kohle im Boden bleibt“. Auch die bekannte deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat sich zu den Protesten in Lützerath geäußert.
Vorwürfe gibt es auch für die Grünen. Sie sollen einen schmutzigen Deal mit der RWE ausgehandelt haben, der kein CO₂ spart, sagt Brünger. Auch die Grünen Jugend reiht sich ein. Es gebe einen Konflikt mit der Mutterpartei. Dieser betreffe jedoch nicht nur die Grüne Jugend, sondern auch viele andere Partei-Mitglieder, sagt Sarah-Lee Heinrich, Bundessprecherin der Grünen Jugend. (kiba/afp/dpa)