Südafrika nach der Flut: Krisenzeiten am Kap

Südafrikas Regierung ruft mehrfach den Notstand aus. Kürzlich wegen der Elektrizitätskrise, nun wegen Überflutungen. Beides trifft die Landwirtschaft und lässt die Preise für Lebensmittel steigen.
In Südafrika jagt ein Katastrophenzustand den anderen. Nachdem Präsident Cyril Ramaphosa wegen der verheerenden Elektrizitätskrise vergangene Woche Notstandsmaßnahmen erließ, sah er sich nun nach schweren Regenfällen vor allem im Osten des Landes gezwungen, auch noch einen Katastrophenzustand wegen Überflutungen auszurufen. In sieben der neun südafrikanischen Provinzen seien zahllose Häuser zerstört, Autos weggeschwemmt und Kläranlagen überflutet worden, teilte das Präsidentenamt mit. Zudem seien Staudämme übergelaufen und Brücken zerstört worden. Bisher ist von zwölf Toten die Rede, mehrere Menschen werden vermisst. Meteorolog:innen erwarten weitere Regenfälle.
Die tagelangen außergewöhnlichen Niederschläge haben vor allem die Ostkap- und Mpumalanga-Provinz mitgenommen. In der Limpopo-Provinz mussten zwei Männer mit einem Militärhubschrauber von einer Insel im Letaba-Fluss gerettet werden, auf der sie drei Tage lang festsaßen. Außerdem verbrachte ein 54-Jähriger vier Tage lang auf einem Baum, bevor er ebenfalls von einem Armee-Helikopter gerettet wurde. Wichtige Schienenstrecken der staatlichen Eisenbahn wurden genauso in Mitleidenschaft gezogen wie der weltbekannte Krüger-Nationalpark, in dem mehrere Camps geschlossen und Gäste in Sicherheit gebracht werden mussten. In nur acht Stunden seien mancherorts bis zu 300 Millimeter Regen gefallen, gab Nancy O’Farrell vom Bewässerungsamt in Mpumalanga bekannt. Dabei seien zahllose Pumpen von Farmen zerstört worden. Die Auswirkungen der Überschwemmungen auf die Landwirtschaft seien „noch gar nicht abzusehen“.
Flut führt auch in Mosambik zu schweren Zerstörungen
Auch aus Mosambik werden schwere Zerstörungen gemeldet: Dort seien fast 8000 Häuser, 15 Gesundheitszentren und ebenso viele Schulen schwer beschädigt worden, teilte die Regierung in Maputo mit. Aus Südafrikas Nachbarstaat werden neun Tote und fünf Vermisste gemeldet. Fast 40 000 Menschen seien von den Überschwemmungen betroffen, heißt es.
Der Katastrophenzustand erlaubt es der südafrikanischen Regierung, ohne Ausschreibungen Güter wie Nahrungsmittel und Zelte zu erwerben und das Militär für die Reparatur von Brücken und Straßen einzusetzen.
Opposition in Südafrika klagt gegen Notstand nach Flut
Weil ein während der Pandemie ausgerufener Katastrophenzustand von Politiker:innen des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) dazu genutzt wurde, sich an ohne Ausschreibungen erworbener Schutzbekleidung zu bereichern, stößt die Verhängung eines solchen Ausnahmezustands in der Bevölkerung auf Skepsis.
Das gilt vor allem für die Notstandsmaßnahmen, die Präsident Ramaphosa aufgrund der Stromkrise vergangene Woche verhängt hatte. Die oppositionelle Demokratische Allianz (DA) und Organisationen der Zivilgesellschaft werden dagegen vor Gericht ziehen, weil sie den Schritt für unnötig halten und erneut korrupte Machenschaften vermuten. Gegen den Ausnahmezustand aufgrund der Überschwemmungen gibt es keine Kritik.
Flut in Südafrika wirkt sich verheerend auf die Lebensmittelpreise aus
Der Engpass bei der Stromversorgung und die extremen Niederschläge haben gemeinsam, dass sie sich beide verheerend auf die Landwirtschaft und die Lebensmittelpreise auswirken. Die regelmäßigen Stromausfälle sorgten bereits dafür, dass Zigtausende Hühner verendeten. Farmer, die solche Katastrophen verhindern wollen, müssen sich teure Generatoren und Dieselvorräte anschaffen. Während die Inflationsrate in Südafrika generell wieder sinkt, ist sie bei Lebensmitteln im vergangenen Monat von 12,7 auf 13,8 Prozent gestiegen. Brot und Haferflocken sind sogar um 22 Prozent teurer geworden.
Die Regenfälle haben vor allem die Zäune auf Farmen zerstört sowie die meist ungeteerten Anfahrtswege zu Bauernhöfen unpassierbar gemacht. Auch seien die im Wasser stehenden Maispflanzen bereits gelb geworden, klagt Farmer Luvo Kiyane aus der Ostkap-Provinz: „Die Lage ist schlimm. Mir fehlen die Worte, sie genauer zu beschreiben.“
Unterdessen fehlt der ANC-Regierung weiter ein kohärenter Plan, der sich seit 16 Jahren zuspitzenden Stromkrise Herr zu werden. Im Kabinett gibt es Streit darüber, inwieweit erneuerbare Energien gefördert werden sollen. Energieminister Gwede Mantashe setzt weiter auf fossile Brennstoffe wie Kohle und Erdgas und will einen teuren Vertrag mit der türkischen Firma „Karpowership“ zur vorübergehenden Stromproduktion aus Erdgas auf Schiffen abschließen. Das Umweltministerium hat dagegen Vorbehalte geltend gemacht, die jedoch wegen des Ausnahmezustands aus dem Weg geräumt werden könnten. (Johannes Dieterich)