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Joggen für den guten Zweck in Stade: Jeder Weg ist das Ziel

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Von: Clemens Dörrenberg

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Mario Krömer will seinen Stadtplan „volllaufen“.
Mario Krömer will seinen Stadtplan „volllaufen“. © imago

Mario Krömer läuft durch alle Straßen seiner Heimatstadt, um auf eine seltene Darmkrankheit aufmerksam zu machen.

Stade - Schon fast sein ganzes Leben lang wohnt Mario Krömer in Stade. Ohne Stadtplan ist er zum Joggen trotzdem lange nicht aus dem Haus gegangen. „Ich habe keine gute Orientierung“, sagt Krömer und lacht. Doch das ist nicht der Hauptgrund, warum zur Lauf-Ausstattung des 44-Jährigen stets eine detaillierte handschriftlich gefertigte Karte gehörte. Durch alle 671 Straßen seiner Heimatstadt ist Krömer innerhalb eines Jahres gelaufen. Zur besseren Orientierung hat er seinen individuell gestalteten Stadtplan dabei immer in den Händen gehalten.

„Ein Auge auf die Straße, ein Auge auf den Plan“, so schildert Krömer, wie er sich mit seinem persönlichen Laufprojekt „Every Single Street“ die gesamte Stadt neu erschlossen hat. Damit er auch jede einzelne Straße finden konnte und um keine auszulassen, genügte der Blick auf die Karte. Eine sogenannte „Heat-Map“ auf seiner digitalen Armbanduhr zeichnete zusätzlich dank GPS-Tracker auf, welche Straßen er „vollgelaufen“ hatte, wie es Krömer bezeichnet.

Every-Single-Street: Mann mit Darmerkrankung läuft durch alle Straßen von Stade

„Ich habe Straßen kennengelernt, in denen ich noch nie gewesen bin in den 40 Jahren, in denen ich hier lebe“, sagt er. Kuriose Erfahrungen hat er auf seinen sportlichen Ausflügen auch gesammelt. Mancherorts wurde er im ersten Moment für den Postboten gehalten, in einer Sackgasse für einen Einbrecher. Häufig kam er mit Menschen ins Gespräch, die er noch gar nicht kannte, etwa im Falle des Einbruchsverdachts, als ihm zunächst nachgerufen wurde, er solle stehen bleiben. „Die Leute waren dann immer begeistert, wenn ich von meinem Projekt erzählt habe“.

Das Projekt

„Every Single Street“ kommt wie so viele Trends aus den USA. Ricky Gates aus San Francisco soll der Erste gewesen sein, der seine Stadt Straße für Straße abgelaufen ist.

Weltweite Nachahmer:innen haben so Abwechslung in ihre Spazier- und Joggingrouten gebracht. Auf der Internetseite www.everystreetchallenge.com können Interessierte Routen für ihren persönlichen Stadtlauf erstellen.

Colitis ulcerosa gilt neben Morbus Crohn als häufigste chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED). Betroffene erkranken oft in jungen Jahren, meist zwischen 16 und 23 Jahren. Laut Angaben des Selbsthilfeverbands „Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung“ leiden bundesweit insgesamt 400 000 Menschen unter den beiden Darmerkrankungen. cd

Was Krömers Läufe, die vor ihm schon andere in ihren Städten in Angriff genommen haben, besonders macht, ist die Tatsache, dass er schwerbehindert ist. Seit seinem 21. Lebensjahr ist er an Colitis ulcerosa erkrankt. Wenn die Schmerzschübe der chronischen Darmerkrankung bei ihm einsetzen, komme er „nicht mal vom Sofa hoch“, berichtet er. Dann liege er mal tage-, wochen- oder sogar monatelang flach, mit brennenden Schmerzen im Unterleib, „wahnsinnig starken Krämpfen und einem Gefühl, hundertmal so stark wie eine heftige Magen-Darm-Grippe“.

Ein Schub habe gar rund zwei Jahre gedauert. Wenn er krank sei, nutze er die Zeit und zeichne an seinen Laufrouten. „Ich hatte aber auch schon völlig gesunde Jahre.“ Der Verlauf könne stark variieren und Betroffene reagierten auf die Auto-Immunerkrankung völlig unterschiedlich. Gegen die Schmerzen nimmt der äußerlich sehr fit wirkende Mitvierziger starke Medikamente.

Aufmerksamkeit für Darmkrankheit Colitis ulcerosa: Mann joggt für den guten Zweck

„Mir glaubt das keiner, weil ich ja so sportlich bin“, so Krömer. Und weiter: „Wenn ich gesund bin, merke ich nichts und fühle mich topfit.“ Immer wieder müsse er seine „unsichtbare Krankheit erklären, Rücksicht einfordern, für Verständnis sorgen“.

Deshalb will er mit seinem Laufprojekt auf Colitis ulcerosa aufmerksam machen. Dafür ist er zuletzt gleich noch eine zweite Stadt abgelaufen: Buxtehude, seine Geburtsstadt, mit 495 Straßen. Nachdem die in 77 Tagen abgehakt war, steht nun gleich das nächste Projekt vor der Tür: die Insel Sylt. Dort leben Bekannte, die er in Stade kennengelernt habe. Die Insel bietet für den Norddeutschen, der auch bei Regen und Wind vor die Tür geht, hervorragende Bedingungen: „Da kommt das Wetter von jeder Seite.“ (Clemens Dörrenberg)

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