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Bauernproteste
Indien: Greta Thunberg solidarisiert sich mit Protesten - Jetzt gibt es Festnahmen
- vonInes Albertischließen
Die indische Regierung unterdrückt die Arbeit der freien Presse. Greta Thunberg und Rihanna solidarisieren sich mit den Bauernprotesten in Indien.
- Seit Monaten protestieren Bauern in Indien gegen eine Agrarreform, während die Regierung kritische Presseberichte unterdrückt.
- Prominente wie Greta Thunberg und Rihanna unterstützen die Bauern via Twitter.
- Gegendemonstrierenden in Indien gefällt das nicht: Sie zünden Fotos von Thunberg und Rihanna an.
Update vom Dienstag, 09.02.2021, 10.54 Uhr: Nachdem es am 26. Januar in Indiens Hauptstadt Delhi im Zuge der bereits seit Monaten andauernden Bauernprotesten zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der Polizei gekommen war, haben die Sicherheitsbehörden nun einen Ermittlungserfolg zu verkünden. Nach Informationen der „Hindustan Times“ habe die Polizei in Delhi am Montagabend (08.02.2021) den Schauspieler und Aktivisten Deep Sidhu festgenommen, der den Sicherheitsbehörden als einer der Hauptorganisatoren der eskalierten Proteste Ende Januar in der Millionen-Metropole gilt. Bereits in der Woche zuvor hatte die Polizei in Delhi eine höhere Geldsumme für Informationen über den Aufenthaltsort von insgesamt acht Personen ausgelobt, die sie für die „Gewalt und Vandalismus“ an dem Tag verantwortlich machte, berichtet die „Hindustan Times“.
Indien: Bauern-Proteste eskalieren - Tätliche Angriffe auf die Presse - Modi schaltet sich ein
Update vom Montag, 08.02.2021, 17.04 Uhr: Premierminister Narendra Modi habe die Bauern in Indien aufgefordert, ihren monatelangen Protest zu beenden. Das berichtet die DPA. Zugleich habe er am Montag (08.02.21) erneut Bauernvertreter zu Gesprächen über die umstrittenen Gesetze zur Liberalisierung des Agrarmarktes eingeladen.
In Indien wurde Getreide bisher in staatlich organisierten Großmärkten zu garantierten Mindestpreisen gehandelt. Nach der Landwirtschaftsreform sollen die Bauern ihre Ware auch direkt an Privatfirmen verkaufen können. Die Regierung argumentiert, dass die Erzeuger auf dem freien Markt höhere Gewinne erzielen können und die Reform die Landwirtschaft modernisiert. Die Bauern hingegen befürchten einen Preisverfall, weil sie in Verhandlungen mit den Agrarkonzernen in einer schlechten Position wären.
Prostete in Indien: Premierminister Narendra Modi will Tausende Twitter-Konten sperren lassen
Die Landwirtschaft trägt rund 15 Prozent zur indischen Wirtschaftsleistung bei und ist Lebensgrundlage für rund 60 Prozent der mehr als 1,3 Milliarden Einwohner des Landes. Viele Bauern in Indien haben Geldsorgen.
Die Regierung von Narendra Modi soll den Kurznachrichtendienst Twitter aufgefordert haben, mehr als tausend Twitter-Konten zu entfernen, weil sie aus ihrer Sicht Missinformationen und provozierende Inhalte zu den Protesten verbreiteten, wie der Fernsehsender NDTV unter Berufung auf Regierungskreise berichtete. Twitter sei der Anfrage bisher nicht nachgekommen.
Indien: Journalistinnen berichten von systematischer Unterdrückung der Presse
Update vom Montag, 08.02.2021, 11.15 Uhr: Journalistin Peony Hirwani berichtet auf der Webseite des „Business Insider“ von unhaltbaren Zustände in Indien. Die dortige Regierung unter Premierminister Narendra Modi unterdrückt gemäß Hirwanis Bericht systematisch die freie Presse im Land.
Die indische Journalistin Apurva Trivedi bestätigt diesen Umstand Hirwani gegenüber und nimmt auch ihre eigene Zunft in die Pflicht: „Die Medien, die aktuell entweder bedroht, korrumpiert oder manipuliert werden, kriechen nicht nur vor der Regierung, sondern lecken glücklich die Stiefel des gegenwärtigen Regimes. Sie wedeln mit dem Schwanz, um ihre ‚Meister‘ zu besänftigen, indem sie übereifrig die Narrative der Regierung veröffentlichen.“
Indien: Premierminister Modri hält nicht viel von Pressefreiheit
In etwas mehr als fünf Jahren unter der Regierung von Premierminister Narendra Modi ist Indiens Platz im Pressefreiheitsindex der Reporter ohne Grenzen von Platz 136 (2015) auf Platz 142 (2020) gesunken. Die derzeit die Regierung anführende Bharatiya Janata-Partei nimmt laut Hirwani zunehmend zu Eingriffe in die Privilegien der Medien vor. Dazu nutzt sie Gesetze, „die den alten British-Raj-Regeln ähneln“.
Zudem droht die Partei laut der Journalistin damit, Medienschaffende unter Druck zu setzen, welche die Prinzipien der „hinduistischen Patriotenregierung“ nicht beachten. Jene „Patriotenregierung“ unterdrückt derweil systematisch positive Berichte über die Bauernaufstände, mit welchen sich zuletzt unter anderem Rihanna und Greta Thunberg solidarisiert hatten.
Indien: Greta Thunberg solidarisiert sich mit Bauern – und wird vom Außenministerium ermahnt
Update vom Freitag, 05.02.2021, 14.26 Uhr: Auch ein Foto von Meena Harris, der Nichte von US-Vizepräsidentin Kamala Harris, wurde von regierungsfreundlichen Aktivisten verbrannt. Wie auch Rihanna und Greta Thunberg hatte sich die 36 Jahre alte Juristin auf Twitter zu den Bauernprotesten in Indien geäußert und sich auf die Seite der Bauern geschlagen. „Es ist kein Zufall, dass die älteste Demokratie der Welt vor nicht einmal einem Monat angegriffen wurde und in diesem Moment die bevölkerungsreichste Demokratie angegriffen wird. Das hängt zusammen. Wir ALLE sollten schockiert von Indiens Internet-Shutdowns und paramilitärischer Gewalt gegen Bauern-Protestierende sein“, schrieb Harris auf Twitter und zog damit einen Vergleich zum Angriff auf das Kapitol in Washington, D.C. am 6. Januar.
Erstmeldung vom Freitag, 05.02.2021, 13.03 Uhr: Neu Delhi - Seit Monaten gehen in Indien Bauern auf die Straße und protestieren gegen eine Agrarreform zur Deregulierung der Landwirtschaft, von der sie einen Preiszerfall befürchten. Zehntausende Bauern lassen sich dafür in Camps in den Außenbezirken der Hauptstadt Neu Delhi nieder - Sicherheitskräfte errichten Barrikaden um die Lager und heben zum Teil Straßen aus, um diese zu stoppen. Laut den Bauern wurde in den Camps die Wasser-, Strom- und Internetversorgung gekappt, mobile Toiletten seien entfernt worden. Ein Shutdown des Internets diente Regierungsangaben zufolge der öffentlichen Sicherheit.
Greta Thunberg und Rihanna solidarisieren sich mit Bauern in Indien
Vergangene Woche kam es zudem zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Bauern und Polizisten in Indien, bei denen mindestens ein Demonstrant starb und dutzende Polizisten verletzt wurden. Die Proteste haben sich zur größten Herausforderung für den indischen Regierungschef Narendra Modi entwickelt, seit er 2014 an die Macht gelangte. Modi sagte, die Reformen seien notwendig, um das Einkommen der Landwirte zu erhöhen. Doch die Vertreter der Landwirte fürchten, dass ihr Wirtschaftszweig von Großbetrieben übernommen wird.
Jetzt nutzen Prominente wie Popstar Rihanna und Klimaaktivistin Greta Thunberg ihre Reichweite in sozialen Netzwerken, um auf die seit November andauernden Bauernproteste in Indien aufmerksam zu machen. Rihanna, die mehr als 100 Millionen Follower bei Twitter hat, schrieb auf dem Kurznachrichtendienst: „Warum sprechen wir nicht hierüber?“ - und verlinkte dies mit einem Bericht über einen Internet-Blackout in manchen Protest-Camps.
Solidarität von Rihanna und Greta Thunberg mit den Bauern schlägt in Indien hohe Wellen
Rihannas Tweet wurde von Hunderttausenden geteilt oder gelikt. Diesen Artikel verbreitete einige Stunden später auch Thunberg und schrieb dazu: „Wir stehen in Solidarität mit dem #Bauernprotest in Indien.“ Thunberg teilte außerdem ein Toolkit mit Hintergründigem zu den Protesten sowie Vorschlägen, was man tun kann, um die Bauern zu unterstützen.
Die Solidarität von Rihanna und Greta Thunberg mit den Bauern schlug in Indien hohe Wellen. Das Landwirtschaftsministerium in Neu Delhi warf den internationalen Stars vor, sich auf „sensationsheischende“ Weise in die geplanten Strukturreformen für die indische Landwirtschaft einzumischen. Das indische Außenministerium schrieb in einer Mitteilung: „Bevor in solchen Angelegenheiten schnell kommentiert wird, ermahnen wir, dass Fakten ermittelt und ein angemessenes Verständnis der vorliegenden Sachverhalte vorgenommen wird.“ Sehr wenige Bauern in Indien hätten Bedenken gegen die Reform, schrieb das Ministerium.
Bauernproteste in Indien: Greta Thunberg sorgt für Polizei-Ermittlungen
Nicht nur in den Ministerien sorgten die Äußerungen von Rihanna, Greta Thunberg und weiteren Prominenten für Unmut. Auf den Straßen Delhis versammelten sich Gegenprotestierende, die Fotos der Frauen anzündeten. Sie hielten Schilder hoch, laut denen Indien keine „Einmischung in interne Angelegenheiten im Auftrag von Separatisten“ toleriere.
Greta Thunbergs Verbreitung des Toolkits sorgte außerdem für eine polizeiliche Untersuchung, wie der Guardian und Aljazeera berichten. Sie selbst sei beschuldigt worden, in eine internationale kriminelle Verschwörung gegen Indien verwickelt zu sein. Thunbergs Tweet habe die Polizei in Delhi auf die Existenz des Toolkits aufmerksam gemacht. Aus der Bharatiya Janata Partei (BJP) hieß es, das Toolkit sei „Beweis für internationale Pläne für Attacken gegen Indien.“
Greta Thunberg legt sich mit Behörden in Indien an
Gegen die Verfasser werden der Polizei in Delhi zufolge Ermittlungen eingeleitet. Das Schreiben, laut Greta Thunberg von Protestierenden in Indien veröffentlicht, ruft dazu auf, bei Protesten vor Ort mitzumachen oder sie zu organisieren, Petitionen zu unterschreiben, Lokalpolitiker zu kontaktieren und in sozialen Netzwerken auf die Proteste aufmerksam zu machen.
Auch mit Twitter legt sich Indien wegen der anhaltenden Bauernproteste an. Die indische Regierung drohte dem Kurznachrichtendienst mit Strafen, weil er 250 Accounts und viele Tweets wieder freigegeben hatte, die zuvor blockiert worden waren. Das Unternehmen erklärte, es müsse den Anweisungen der Regierung Folge leisten. Indien nutzt regelmäßig Internet-Shutdowns, um den Informationsfluss bei Unruhen einzudämmen.
Hintergrund: Worum geht es bei den Bauernprotesten in Indien?
Seit November kampieren Zehntausende Bauern rund um die Hauptstadt und forderten zunächst friedlich, kontroverse Marktliberalisierungsgesetze aufzuheben. In Indien wurde Getreide bisher in staatlich organisierten Großmärkten zu garantierten Mindestpreisen gehandelt. Nach der Reform sollen die Bauern ihre Ware auch direkt an Privatfirmen verkaufen können. Die Regierung argumentiert, dass die Erzeuger auf dem freien Markt höhere Gewinne erzielen können und die Reform die Landwirtschaft modernisiere. Die Bauern hingegen befürchten einen Preisverfall, weil sie in Verhandlungen mit den Agrarkonzernen in einer schlechten Position wären.
Die Landwirtschaft trägt rund 15 Prozent zur indischen Wirtschaftsleistung bei und ist Lebensgrundlage für rund 60 Prozent der mehr als 1,3 Milliarden Einwohner des Landes. Viele Bauern in Indien haben Geldsorgen. Gespräche zwischen Bauern- und Regierungsvertretern hatten bislang nicht zu einer Einigung geführt. (ial mit AFP und dpa)