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"Ich werde immer mit Gott ringen"

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Beatrice von Weizsäcker hinterfragt bekannte Bibeltexte.
Beatrice von Weizsäcker hinterfragt bekannte Bibeltexte. © imago stock&people

Ein Gespräch mit der Juristin und Publizistin Beatrice von Weizsäcker über Werte, reine Herzen und ihr neues Buch über Glauben und Zweifel.

Gibt es einen Gott? Diese Frage hat sich Beatrice von Weizsäcker seit dem Tod ihres Bruders Andreas im Jahr 2008 immer wieder gestellt. Mit „Ist da jemand? Gott und meine Zweifel“ hat die Juristin und Publizistin nun ein Buch geschrieben, in dem sie ihr ganz persönliches Glaubensbekenntnis formuliert.

Frau von Weizsäcker, Sie haben ein Buch über Glauben und Zweifel geschrieben. Warum?

Die Frage nach dem Glauben und dem Zweifel begleitet mich schon seit meiner Kindheit. Anlass des Buches war allerdings der Tod meines Bruders, der vor vier Jahren an Krebs starb. Er war nur wenig älter als ich und wir waren uns sehr nah. Da stellen sich auf einmal ganz grundsätzliche Fragen: Warum müssen Menschen sterben? Was soll das Ganze? Gibt es einen Gott? Darüber kann man schon ins Zweifeln geraten.

In Ihrem Buch heißt es: „Ich glaube, weil ich zweifle.“ Wie ist das zu verstehen?

Ich weiß, dass ich glaube, gerade weil ich an meinem Glauben zweifle. Wenn ich nicht an meinem Glauben zweifeln würde, hätte ich keinen Glauben. Es wird oft gesagt, wer glaubt, ist ein Schwächling. Das ist falsch. Denn sich mit dem Glauben auseinanderzusetzen, gerade wenn man den Zweifel kennt, geht tief ins Innere hinein und ist anstrengend. Ich werde immer mit Gott und meinem Glauben ringen. Genauso werde ich immer traurig sein, dass mein Bruder sterben musste.

Sind Sie in einem gläubigen Elternhaus aufgewachsen?

Wir sind zu Weihnachten in die Kirche gegangen. Es gab Mittagsgebete und abends Kindergebete. Das hörte aber auf, als meine Mutter den Eindruck gewann, das würde uns stören.

Sprechen Sie auch mit Ihrem Vater Richard von Weizsäcker über Gott? Er war ja immerhin lange Zeit im Präsidium des Evangelischen Kirchentages.

Wir sind eine diskrete Familie. Solche Fragen stellen wir einander nicht. Wir sind offen und immer füreinander da. Aber indiskret nachbohren? Das kam bei uns nie vor. Mit meinem Vater spreche ich über politische und kirchliche Dinge. Ob er aber gläubig ist, weiß ich nicht. Ich denke, in unserer Familie bin ich diejenige, die mit dem Thema am meisten anfangen kann.

In Ihrem Buch sprechen Sie oft Ihre Zweifel an. Woher rühren die?

Zweifel sind etwas ganz Normales. Ich glaube, dass selbst der Papst als Mensch zweifelt. Jeder erlebt doch Enttäuschungen und Schicksalsschläge. Nur reden wir kaum darüber, wie wir diese Dinge bewältigen. Viele Menschen glauben vielleicht nicht an Gott, dafür an Schicksal oder Zufall.

Woran glauben Sie selbst?

Ich glaube an einen Gott, der da ist, egal wo ich bin und wie es mir geht. Nicht an einen strafenden Gott. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass man einen Glauben nicht vorschreiben und aufzwingen kann. Der Glaube ist ja eine innere Empfindung, etwas sehr Persönliches.

Viele Autoren schreiben derzeit über Religion und Glauben. Was ist an Ihrem Buch anders?

Ich bin ja keine Theologin und maße mir daher auch nicht an vorzuschreiben, was jemand glauben soll. Ich schreibe persönlich und offen über meinen Glauben und meine Zweifel. Dabei hinterfrage ich bekannte Bibeltexte.

"Weil mein Vater CDU-Mitglied ist?"

Spielt Glaube noch eine Rolle?

Die Sinnsuche spielt in unserer Gesellschaft eine große Rolle. Der Weg zu sich selbst, der Sinn des eigenen Lebens – all das treibt Menschen um. Man sieht das auch an der Debatte über die katholische Kirche. Ebenso an der um den Islam als Religion. Wir müssen uns mit diesen Themen auseinandersetzen – und zwar freundlich und offenherzig.

Sie schreiben, dass sie fast Theologie studiert hätten. Bereuen Sie, es nicht getan zu haben?
Nein. Weil ich genauso gerne die Juristerei studieren wollte. Es war letztlich eine Instinktentscheidung. Ich hätte Theologie schon gern studiert, aber leider hat man nur ein Leben.

Sie schreiben auch, es sei wichtig, mit sich im Reinen zu sein. Sind Sie es denn?

Es klingt immer etwas kitschig, ein reines Herz zu haben. Ich mag das Wort trotzdem. Für mich heißt es, dass in meinem Leben Innen und Außen zusammenpassen soll. Das ist schwer genug, aber ich arbeite daran.

Würden Sie sich als konservativ bezeichnen?

Mein Denken ist liberal, meine Werte sind christlich geprägt, ich würde sie eher „klassisch“ nennen. Auch grünen Politikern sind solche klassischen Werte wichtig: die Würde des Menschen, Naturschutz, die Bewahrung der Schöpfung. Mich in Bayern der CSU zu nähern, würde mir allerdings Schwierigkeiten bereiten.

Stehen Sie den Christdemokraten nicht von Haus aus nahe?

Warum sollte ich? Weil mein Vater CDU-Mitglied ist?

Hatte das keinen Einfluss auf Ihre Erziehung?

Nein. Bei uns zu Hause ging es immer offen und lebhaft zu. Meine Brüder und ich wurden zu selbstständigem Denken erzogen. Auch heute wählt jeder eine andere Partei.

Wie sieht denn die nächste Generation Weizsäcker aus? Wird das Politiker-Gen weitergetragen?

Meine älteste Nichte hat zwar wie ich und mein Vater Jura studiert. Aber das bedeutet nicht, dass sie in die Politik gehen wird. Meine Nichten und Neffen haben alle ganz unterschiedliche Begabungen. Wohin sie das mal führt, weiß ich nicht. Humor haben sie jedenfalls alle. Das ist keine schlechte Basis für das Leben.

Das Interview führte Felix Brumm.

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