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Hip-Hop als Kampfkunst

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Von: Inge Günther

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Gemeinsamer Auftritt von Israelis, Palästinensern und Deutschen.
Gemeinsamer Auftritt von Israelis, Palästinensern und Deutschen. © Inge Günther

Ein Workshop im Jerusalemer Willy-Brandt-Zentrum bringt Israelis, Palästinenser und Deutsche zusammen. Statt Steine zu werfen, schießen sie mit Wörtern. Von Inge Günther

Jerusalem. Es gibt Momente, in denen sich alles glücklich fügt. Guy Geffen hatte so einen nach 20 Tagen Bau. Dort saß er, weil er, ein 20-jähriger Israeli aus Rehovot, den Armeedienst verweigert hat. Vorige Woche kam er frei. Gerade rechtzeitig, um beim trinationalen Hip-Hop-Workshop im Jerusalemer Willy-Brandt-Zentrum mitzumachen. Neben seiner Freiheit ist ihm nichts so wichtig wie die Gitarre unterm Arm. Vom Knast direkt in den Hip-Hop-Workshop zu spazieren, setzt eine Energie in ihm frei, die ansteckt. Israelis, Deutsche, Palästinenser.

Bei diesem Austausch funktioniert das auch umgekehrt. Organisiert hat ihn das Willy-Brandt-Zentrum in Kooperation mit der Jerusalemer Musikinitiative "Heartbeat". Gefördert wird er von Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Zum Konzept gehört, alles was täglich passiert, in Texte und Songs umzusetzen.

Es geschieht eine Menge. Morgens Stadtbesuche. Die Mauer in Ost-Jerusalem gehört genauso dazu wie ein Besuch in Yad Vashem, Israels nationaler Holocaust-Gedenkstätte. Nachmittags Diskussionen in gemischter Runde. Improvisieren, Proben, Studioaufnahmen.

Am Ende der ersten Workshop-Woche stehen zwei Konzerte an, in Jerusalem und Tel Aviv. Hip-Hop-Hudna nennen sie das in ironischer Anspielung. Hudna ist ein arabisches Wort, das auch Israelis kennen. Es bedeutet Waffenruhe.

Manches entpuppt sich komplizierter als gedacht. Die Deutschen, darunter vier Mädchen und zwei Jungs, die bei der Braunschweiger Falken-Initiative "Red Flavour" - Hip Hop gegen Rechts - auftreten, fühlen sich von den komplexen Eindrücken mitunter überfordert. "Wir sind aus dem Flugzeug raus, und dann ging´s Schlag auf Schlag", berichtet Bastian Zimmermann, die treibende Kraft beim Roten Geschmack.

Als Höhepunkt der Hip-Hop-Hudna wird Bastian mit Guy und Muhammad auf der Bühne stehen. Ein riesiger deutscher Kerl zwischen einem schmächtigen Israeli und einem Original-Rapper aus dem palästinensischen Flüchtlingslager Schuafat. "There is no difference between God and Allah/No difference between Sederot and Ramallah/There will be peace, Amen and Inshallah", heißt es in ihrem Refrain. Man wird ja noch träumen dürfen.

Überhaupt Muhammad Mughrabi. Seine Gruppe "G-Town", die er mit Fadi und Alaa gegründet hat, ist in der Szene längst Kult. Das "G" im Bandnamen steht für Ghetto. Inspiriert hat ihn der schwarze Rap aus den USA. Nur, dass Muhammad und die anderen auf Arabisch rappen. Ihre Songs erzählen vom Flüchtlingsdasein, von der israelischen Armee und ihren Träumen von Palästina. "Ich lebe im Lager", sagt Mughrabi. "Ich bin jeden Tag mit Gewalt, Drogen und schlechten Schulen konfrontiert. Und ich will etwas verändern. Statt Steine zu werfen, schieße ich mit Wörtern. Hip-Hop ist meine Kampfkunst."

Das hindert ihn nicht, mit Israelis Musik zu machen. "Wenn wir diskutieren, kommen wir nie zu einer Meinung. Wenn einer seine Trauer in die Musik legt, fühlt sich das gleich an." Die "Heartbeat"-Leute sind für Mughrabi längst "gute Freunde".

Besonders Aaron Shneyer, amerikanischer Jude aus Washington, der mit Hilfe eines Stipendiums von Fulbright und MTV das jüdisch-arabische Projekt gegründet hat. Ziel: über die Macht der Musik den Friedensprozess zu fördern. Hört sich nach "Hugs and Humus" an - nach Umarmungen und Kicherbrei -, räumt Shneyer ein. "Es gibt eine Menge Angst, bei so einem Projekt eine imaginäre Realität zu schaffen." Shneyer ist ein charismatischer Wuschelkopf und virtuoser Gitarrist und Bassist dazu. Rock liegt ihm mehr als Rap. Aber er mag Hip-Hop. "Weil jeder, der den Rhythmus hält, ein guter Rapper sein kann."

Im Willy-Brandt-Zentrum, hart an der Grenze zwischen dem jüdischen und dem arabischen Teil Jerusalems gelegen, ist das kreativste Element die Mischung. Zwei Jungs aus der Ukraine, die nach Israel eingewandert sind, gehören dazu, 15 und 17 Jahre alt, passionierte Hip-Hopper wie "G-Town". Ebenso Ibrahim Utku, Deutsch-Türke aus Ost-Berlin.

Auch die Mädchen sind stark vertreten. Zum Beispiel Laura Hübsch (21), Informatikstudentin aus Deutschland. Sich im konfliktreichen Jerusalem zu bewegen, kommt ihr vor, als "ob man auf Eiern läuft". Aber genau daraus entsteht ihr Text. Jerusalem, "ein Regenbogen in Ockerfarben".

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