Maxwells Verteidigung wies die Vorwürfe dagegen zurück und verlangte einen Freispruch für die 59-Jährige in allen Anklagepunkten. Die Anklage habe „keine Beweise“ für ihre Vorwürfe vorgelegt, sagte Anwältin Laura Menninger. Sie zog außerdem die Aussagen der vier mutmaßlichen Epstein-Opfer in Zweifel, die vor Gericht ausgesagt hatten.
Die Frauen hätten „sehr schlechte und widersprüchliche“ Erinnerungen an die teils Jahrzehnte zurückliegenden Ereignisse, sagte Menninger. Alle hätten zudem ihre Schilderungen geändert, nachdem ein Entschädigungsfonds für Epstein-Opfer eingerichtet worden sei.
Erstmeldung vom Montag, 20.12.2021, 14.35 Uhr: New York – Im Prozess gegen Ghislaine Maxwell in New York tragen beide Seiten ab Montagmorgen (20.12.2021, Ortszeit) ihre Schlussplädoyers vor. Die langjährige Vertraute des verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein plädiert in sechs Anklagepunkten auf nicht schuldig. So soll Maxwell unter anderem Sexhandel mit Minderjährigen betrieben haben.
Das Schlussplädoyer der Anklageseite wird zwei bis drei Stunden dauern, wie am Freitag verkündet wurde. Das Schlussplädoyer der Gegenseite nicht länger 45 Minuten, heißt es von Maxwells Anwält:innen. Im Anschluss bekommen die Geschworenen zwei Tage Zeit, um sich zu beraten – möglicherweise noch länger, dann allerdings erst nächste Woche nach den Weihnachtsferien. Wird Ghislaine Maxwell in allen sechs Punkten für schuldig gesprochen, muss sie mit bis zu 70 Jahren Gefängnis rechnen.
Zu Beginn des Prozesses hatte die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe gegen Ghislaine Maxwell vorgetragen. Demnach habe sie gemeinsam mit Jeffrey Epstein minderjährige Mädchen mit Geldgeschenken in ihr „Schneeballsystem des Missbrauchs“ gelockt. Vier Hauptzeuginnen haben in den vergangenen Wochen ausgesagt – sie alle sollen als unter 18-Jährige von Epstein sexuell missbraucht worden sein. Einige von ihnen behaupten, dass die Britin auch selbst mitgemacht und ihre nackten Körper angefasst habe. Zudem zeigen Fotos, wie nahe sich Ghislaine Maxwell und Jeffrey Epstein standen – ein für den Fall wichtiger Aspekt.
Ghislaine Maxwells Verteidigung behauptet hingegen, dass sie als Sündenbock für Epsteins kriminelle Machenschaften herhalten würde. Alle Vorwürfe werden bestritten. MaxweIl weist jede Verantwortung von sich. Insgesamt wurden weniger Zeug:innen befragt als geplant. Ursprünglich hätte der Prozess etwa sechs Wochen dauern sollen, nicht nur zwei.
Die Anwält:innen befragten neben den Ankläger:innen auch Eva Andersson-Dubin, die von 1983 bis 1991 zeitweise mit Jeffrey Epstein zusammen war. Bis in die 2000er-Jahre hinein sei sie weiterhin mit ihm befreundet gewesen. „Jane“, eine der Klägerinnen, hatte zuvor ausgesagt, dass sie sich an eine Frau namens Eva erinnere, die bei sexuellen Massagen mit Epstein und Maxwell mitgemacht hätte. Andersson-Dubin sagte aus, dass sie „auf keinen Fall“ in solchen Aktivitäten mit „Jane“ involviert gewesen war. Allerdings ist es möglich, dass sie nicht die einzige Eva ist, die mit Epstein zu tun hatte.
Ein Teil des Plädoyers der Verteidigung Maxwells bestand darin, die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe zu untergraben. Dazu wurde eine Psychologin und Professorin der University of California Irvine in den Prozess gerufen. Wenn Leute nach den Fakten Fehlinformationen ausgesetzt sind, können sie das in ihr Gedächtnis aufnehmen, die Erinnerung so verzerren und ungenau machen, sagte Dr. Elizabeth Loftus. Demnach könnten selbst traumatische Erfahrungen nach dem Ereignis beeinflusst werden und die Erinnerungen verändern.
Maxwell verweigerte am Freitag die Aussage. Als Richterin Alison Nathan sie darauf ansprach, ob sie ihre Rechte kenne, sagte Maxwell: „Euer Ehren, die Regierung hat ihren Fall nicht ohne begründete Zweifel beweisen können. Also gibt es für mich keinen Grund, auszusagen.“ Die Geschworenen waren an dem Tag nicht anwesend.
Ghislaine Maxwell wurde im Juli 2020 verhaftet. Auf Kaution kam sie trotz vielfacher Gesuche nicht frei. Etwa ein Jahr zuvor soll Jeffrey Epstein in Haft Selbstmord begangen haben, als er auf seinen Prozess wartete. Die offizielle Darstellung der Behörden ist allerdings umstritten. (Lukas Rogalla)