Prozess um Tod von George Floyd: Sachverständiger hält Gewalt durch Polizisten für „gerechtfertigt“

Die Verteidigung des angeklagten Polizisten Derek Chauvin hält daran fest, dass George Floyd unter Drogeneinfluss stand.
Update vom Mittwoch, 14.04.2021, 08.15 Uhr: Im Prozess um den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd hat ein Sachverständiger die Gewaltanwendung durch den angeklagten Polizisten Derek Chauvin als „gerechtfertigt“ bezeichnet. Seiner Ansicht nach habe der 45-Jährige „mit objektiver Angemessenheit“ und „den aktuellen Standards der Strafverfolgung“ entsprechend gehandelt, sagte der pensionierte Polizeiausbilder Barry Brodd, den die Verteidigung am Dienstag als Hauptzeugen und Sachverständigen vor das Gericht in Minneapolis geladen hatte.
Die Frage, ob gegen Floyd „tödliche Gewalt“ eingesetzt worden sei, verneinte Brodd, der 30 Jahre lang in der Strafverfolgung tätig war. Der weiße Polizist Chauvin hatte bei dem Einsatz im Mai 2020 dem festgenommenen Floyd minutenlang das Knie auf den Nacken gedrückt. Die Staatsanwaltschaft macht den Sauerstoffmangel infolge dieser Fixierung für Floyds Tod verantwortlich.
Chauvins Anwalt Eric Nelson argumentiert hingegen, der Afroamerikaner sei an den Folgen einer Drogen-Überdosis oder aufgrund einer Herzerkrankung gestorben. „Die Beweise werden zeigen, dass Herr Floyd an einer Herzrhythmusstörung starb, die in Folge von Bluthochdruck, seiner Herzerkrankung, der Einnahme von Methamphetamin und Fentanyl sowie des Adrenalins in seinem Körper auftrat, was alles dazu beitrug, ein bereits geschwächtes Herz weiter zu gefährden“, sagte Nelson.
Prozess um Tod von George Floyd in den USA: Lungenarzt bestätigt Tod durch Sauerstoffmangel
Update vom Freitag, 09.04.2021, 09.00 Uhr: Im Gerichtsprozess um den Tod von George Floyd in den USA hat ein Lungen-Arzt ausgesagt und bestätigt, dass der Afroamerikaner an Sauerstoffmangel - und nicht wegen Vorerkrankungen - gestorben ist. Hintergrund ist die Anklage gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin, der Floyd wegen eines mutmaßlich gefälschten 20-Dollar-Scheins minutenlang das Knie in den Nacken gedrückt hatte und auch nicht abließ, als dieser mehrfach klagte, er bekomme keine Luft.
Der Pneumologe Martin Tobin sagte demnach am Donnerstag (08.04.2021) vor den Geschworenen im Gericht in Minneapolis, dass der Mangel an Sauerstoff Schäden am Gehirn des Afroamerikaners verursacht habe. Infolgedessen sei es einer Herzrhythmusstörung gekommen, die schließlich Herzstillstand führte. Chauvin habe sein Knie fast die ganze Zeit auf Floyds Hals gedrückt, auch noch nach Floyds letztem Atemzug. Eigenen Angaben nach habe der Mediziner sich eine Videoaufnahme vom Tod des 46-Jährigen „hunderte Male“ angesehen. Er sagte vor Gericht aus, auch ein „gesunder Mensch, der erlebt hätte, was Floyd erlebt hat, wäre in Folge dessen gestorben.“
Tod von George Floyd: Aussagen der Verteidigung zurückgewiesen
Damit wies er Aussagen der Verteidigung zurück, wonach Vorerkrankungen zu Floyds Tod beigetragen haben könnten. Chauvins Anwalt Eric Nelson hatte argumentiert, Floyd sei an den Folgen einer Opioid-Überdosis gestorben, auch ein Tod durch eine Corona-Infektion stand bereits im Raum. Der Vorfall hatte zunächst in den USA und später international die Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst.
Tod von George Floyd: Polizeichef verurteilt Vorgehen des Angeklagten
Erstmeldung: Der Chef der Polizei in der US-Stadt Minneapolis, Medaria Arradondo, hat vor Gericht das Vorgehen des angeklagten Ex-Beamten Derek Chauvin gegen den getöteten Afroamerikaner George Floyd verurteilt. „In keiner Weise“ entspreche es den Richtlinien, der Ausbildung oder der Ethik und Werte der Polizei, dass Chauvin sein Knie auch dann noch auf den Nacken von Floyd gepresst habe, als dieser bereits auf dem Bauch am Boden lag, die Hände hinter dem Rücken gefesselt hatte und keinen Widerstand mehr zeigte, sagte Medaria Arradondo am Montag im Zeugenstand.
„Es hätte aufhören müssen, als Herr Floyd aufhörte, sich zu wehren, und ganz gewiss als er in Not war und versucht hat, das zu verbalisieren“, sagte Arradondo. Chauvin habe nicht nur Richtlinien zum Einsatz von Gewalt verletzt, sondern es auch versäumt, Vorschriften zur Deeskalation und Hilfeleistung zu befolgen.
Tod von George Floyd: Prozess geht in die nächste Woche – Polizist drohen bis zu 40 Jahre Haft
Minneapolis – Am heutigen Montag (05.04.2021) wird der Prozess gegen Derek Chauvin fortgesetzt. Der Polizist ist wegen Mordes und Totschlags an George Floyd angeklagt, der bei einer Festnahme im Mai 2020 gewaltsam ums Leben kam. Im Falle einer Verurteilung für den schwersten Vorwurf, „Mord zweiten Grades“, drohen dem 44-Jährigen bis zu 40 Jahre Haft. Drei weitere Polizeibeamte, die an der Festnahme des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis beteiligt waren, sollen jeweils zu einem späteren Zeitpunkt vor Gericht gezogen werden. Bereits in der ersten Prozesswoche wurde es emotional.
Prozess nach Tod von George Floyd in Minneapolis geht weiter
Am ersten Tag der Verhandlung, die aufgrund der Corona-Pandemie ohne Publikum abgehalten aber dafür im Internet übertragen wird, wurden die Eröffnungsreden vorgetragen. Laut Staatsanwalt Jerry Blackwell habe Derek Chauvin sein Knie neun Minuten und 29 Sekunden lang auf den Hals von George Floyd gedrückt. Anschließend folgten erste Aussagen von Zeug:innen.
Am zweiten Tag sagten sechs Passant:innen aus, darunter ein neun Jahre altes Mädchen und drei Schüler:innen. Sie beschrieben ihre Gefühlslage als sie den Tod von George Floyd mit angesehen hatten. An Tag drei musste der Prozess für einige Minuten unterbrochen werden. Ein Augenzeuge war weinend zusammengebrochen, nachdem die Aufnahmen der Körperkameras der Polizei abgespielt wurden. Die Videos zeigen den Verlauf der Festnahme Floyds, nachdem er mit einem falschen Geldschein bezahlt haben soll. Als Derek Chauvin auf dem Hals von Floyd kniet, kann man das Opfer sagen hören, dass er keine Luft bekommt. Er bat die Beamten zudem, ihn nicht zu erschießen.
Prozess gegen Derek Chauvin: Polizist kniete auf dem Hals von George Floyd
Die Verteidigung von Derek Chauvin behauptet, dass die Passant:innen sich zu einer bedrohlichen Meute entwickelt und die Polizeibeamten somit abgelenkt hätten. Auch dass George Floyd abhängig von Opioiden sei, wie seine Freundin bekanntgab, wurde als vermeintliche Todesursache vorgeschoben. Die Staatsanwaltschaft stuft diese Abhängigkeit allerdings als irrelevant für den Fall ein. Am Freitag (02.04.2021) erklärte ein Polizist, der die Mordkommission in Minnesota leitet, dass die Gewalt gegen George Floyd „völlig unnötig“ gewesen sei. Es hätte gereicht, ihm Handschellen anzulegen und ihn zunächst auf dem Boden liegen zu lassen. Denn Floyd habe zu diesem Zeitpunkt keine Gegenwehr mehr gezeigt. (Lukas Rogalla)