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FR-Adventskalender (15)
Gemüse ist mein Fleisch
- vonBoris Halvaschließen
24 Lieblingsrezepte aus der FR-Redaktion. Heute: Sellerieschnitzel „Zweite Chance“.
Ich liebe Schnitzel! Heute kann ich das frei heraus sagen. Denn die paar Male im Jahr, die ein Schnitzel auf meinem Teller dampft, ist es auch wirklich eins. Das Fleisch habe ich beim Metzger um die Ecke geholt, der seine Kälber am Ortsrand grasen lässt; ich habe die Filets mit dem Messer noch dünner gestrichen (klopfen war gestern!), durch Mehl, Ei und Semmelbrösel gezogen und in Butter goldbraun-fluffig gebacken.
Die Beilage ist Nebensache. Das Schnitzel ist der Star – und ich bin der Fan, der ein Abendessen mit ihm gewonnen hat. So wie damals, im gutbürgerlichen Restaurant, als die Erwachsenen Forelle „Müllerin Art“ bestellten und mir anerkennende Blicke zuwarfen, nachdem ich mein erstes Schnitzel Wiener Art bis auf das letzte goldbraune Krüstchen verputzt hatte. Dazu gab’s Malzbier.
Ich war ein Bub auf Wolke sieben, die leicht nach Zitronensaft duftete. Aber zum In-die-Welt-Hineinwachsen gehört auch die bittersaure Erkenntnis, dass nicht alles Schnitzel ist, was goldgelb glänzt. Und so folgten auf die panierte Erweckung im Forellenhof Jahre, in denen ich dem Schnitzel mit Argwohn zu begegnen lernte.
Denn eines unschönen Tages, zu Hause in Omas Küche, lag etwas auf meinem Teller, das mir seltsam vorkam. Sahen Schnitzel nicht eigentlich aus wie Inseln? Warum war dieser panierte Halbkreis hier so hart, das Fleisch so weiß und faserig? Und dann dieser Geschmack!? Das konnte kein Schnitzel sein!
War es auch nicht. Und obwohl mir Oma erzählte, dass sie dieses Essen immer mit dem Ende des Krieges, also etwas Gutem verbinde, wurde ich mit den panierten Knollenscheiben alias Sellerieschnitzel nicht warm. Immer wieder fiel ich auf diese Tut-nur-so-Schnitzel rein, freute mich auf das Forellenhof-Gefühl – und dann … Ich muss wohl jedes Mal so enttäuscht ausgesehen haben, dass Oma irgendwann wieder aufhörte, Selleriefilets zu panieren.
Jahre später, ich war Mitte, Ende zwanzig, dachte ich eines Tages wie aus dem Nichts (na ja, es war wohl Sentimentalität …) an Sellerieschnitzel. Und dann zog ich los und kaufte eine Knolle, die ich in Scheiben schnitt, dünstete, panierte und in der Pfanne durchbriet. Ich stellte mich der zähen Faserwelt meiner Kindheit. Und es schmeckte.
Es war zwar nicht der Beginn einer wöchentlichen Leidenschaft, aber das Sellerieschnitzel hatte seinen Schrecken verloren – und ist über die Jahre durch einiges Ausprobieren zu einem Gericht geworden, vor dem meine Kinder keine Angst mehr haben mussten. Im Gegenteil.
Sellerieschnitzel „Zweite Chance“ für vier Personen:
eine mittelgroße Sellerieknolle
eine Zitrone
ein Schuss Essig
Paniermehl
Mehl
Salz
Den Saft aus der Zitrone pressen und vorher ein wenig von der Schale abreiben – ein Teil davon kommt ins Paniermehl, der Rest wird über die gebratenen Schnitzelchen gestreut Für die Panade einen Teller mit Mehl, einen Teller mit zwei verquirlten Eiern (schön Pfeffer und Salz dazu) und einen mit Paniermehl vorbereiten (die Zitronenschale!). Die Sellerieknolle schälen, in Scheiben schneiden und dünsten; oder die ganze Knolle im Wasser kochen und dann in Scheiben schneiden.
Ich allerdings arbeite lieber mit der rohen Knolle, schäle und halbiere sie und schneide die Hälften jeweils in etwa einen halben Zentimeter dicke Scheiben. Die Scheiben in kochendes Wasser mit einem Pfötchen Salz, einem Schuss Essig und dem Saft einer halben Zitrone geben und etwa zehn Minuten dünsten. Das geht so ein bisschen in die Richtung des „Surschnitzels“, einer österreichischen Schnitzel-Spezialität, für die das Fleisch in einer salzigen Lake zieht, bevor es paniert und gebraten wird.
Die Selleriescheiben trockentupfen und in der Reihenfolge Mehl, Ei, Paniermehl panieren. In der Pfanne bei mittlerer Hitze ausbacken, bis die Schnitzel schön goldbraun geworden sind. Dazu gibt es entweder klassisch Bratkartoffeln und Gurkensalat (da haben Sie sicher ein Lieblingsrezept) oder – im Moment mein Favorit – schön scharfe Spaghetti Aglio-Olio. Das ist zwar eher sommer- als weihnachtlich. Aber vielleicht verbinden wir das Sellerieschnitzel irgendwann ja auch mit dem Gefühl, dass das Schlimmste schon fast hinter uns lag?