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Wut und Trauer nach tödlichem Unfall an Bahnübergang: Kritik an Stadt und DB

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Von: Holger Vonhof

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Gestern im Laufe des Tages haben Menschen diese Rosen an die Schranke gesteckt oder an der Seite der Oeserstraße in Nied Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet. Trauer und Fassungslosigkeit mischen sich mit der Wut über jahrzehntelange Untätigkeit.
Gestern im Laufe des Tages haben Menschen diese Rosen an die Schranke gesteckt oder an der Seite der Oeserstraße in Nied Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet. Trauer und Fassungslosigkeit mischen sich mit der Wut über jahrzehntelange Untätigkeit. © Boris Roessler/dpa

Hätte das Unglück am Bahnübergang in Nied vermieden werden können? Seit Jahren gilt die Stelle als gefährlich. Doch die Bahn hat trotz Warnungen nichts unternommen. In die Trauer um eine getötete Fahrradfahrerin mischt sich Wut.

Frankfurt – Das Entsetzen ist groß nach dem grauenvollen Unfall am Bahnübergang Oeserstraße. Menschen haben Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet. Zum Entsetzen kommt die Wut auf die Deutsche Bahn und auf die Stadt, die seit Jahrzehnten erfolglos darüber diskutieren, den letzten Bahnübergang in Frankfurt mit Schrankenwärterhäuschen endlich durch eine Unterführung zu ersetzen. 

Zugunglück in Frankfurt: In die Trauer mischt sich Wut - Warum ist so lange nichts passiert?

Bislang war es nur der Ärger über den Zeitverlust, den Hunderte täglich an der ständig geschlossenen Schranke in Frankfurt-Nied erleiden, und über die Abgase der wartenden Autos - jetzt hat ein Mensch sein Leben verloren, zwei weitere sind schwer verletzt: Am Donnerstag starb gegen 20 Uhr eine 16-Jährige unter einem Zug der Hessischen Landesbahn an der geöffneten Schranke; ein Radfahrer (52), Vater dreier Kinder, sowie eine Autofahrerin (50) wurden schwer verletzt. Der Lokführer, der noch eine Notbremsung eingeleitet hatte, steht unter Schock. Die 35 Fahrgäste im Zug blieben unverletzt. Psychologische Notfallbetreuer waren im Einsatz.

Ortsvorsteherin Susanne Serke (CDU) und die Nieder Stadtverordnete Milli Romic (SPD) standen gestern Mittag an dem Bahnübergang vor den Kameras der Hessenschau und von RTL. Susanne Serke versuchte, die Fassung zu wahren, bei Romic flossen die Tränen.

Gefährlicher Bahnübergang in Frankfurt-Nied: Immer neue Verzögerungsgründe

Die Lokalpolitikerinnen fühlen sich hilflos. Trotzdem hat die Ortsvorsteherin von Frankfurt-Nied gestern eine Tischvorlage der CDU-Fraktion für die Ortsbeiratssitzung am Dienstag, 12. Mai, an die Fraktionen des Stadtteilparlaments versandt und um Unterstützung gebeten: „Ich würde mich freuen, wenn sich möglichst viele Fraktionen und natürlich auch fraktionslose Mitglieder dem Antrag anschließen und wir ihn als gemeinsamen Antrag einbringen und verabschieden können“, sagt sie. 

Es ist der Versuch, der Stadt und der zuständigen DB Netz AG Druck zu machen angesichts immer neuer Gründe, warum es nicht vorangeht: „Bisher wurde keiner der Pläne in die Tat umgesetzt. Stattdessen gab es immer wieder Verschiebungen - zuletzt begründet mit einem erneuten Abstimmungsbedarf bedingt durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Anwendung der Honorarordnung für Ingenieurleistungen. Die Zeit des Diskutierens und Verschiebens ist nun endgültig vorbei.“ SPD, FDP, Linke und BFF haben gestern bereits zugesagt, den Antrag mit zu unterzeichnen. Doch es erscheint wie ein Kampf gegen Windmühlen.

Zugunglück in Frankfurt: Seit mehr als hundert Jahren ist der gefährliche Bahnübergang Thema

1915, zu Kaisers Zeiten, wurde erstmals darüber nachgedacht, den Bahnübergang zu beseitigen. Ernsthaft darüber diskutiert wird seit Mitte der 80er Jahre: Als 1988 die Bahnunterführung an der Nieder S-Bahn-Station einige hundert Meter weiter südwestlich eingeweiht wurde, sollte die zweite Unterführung auf dem Fuß folgen - nichts passierte. 2005 nahm die Stadtverordnetenversammlung im Römer den Antrag des Nieder CDU-Manns Karlheinz Bührmann an, die Schranken zu beseitigen. Von der Stadt Frankfurt wurde ein Ingenieurbüro beauftragt, Pläne zu erstellen, doch es zeigte sich bald: Das Vorhaben hat für die Deutsche Bahn keine Priorität. Das zumindest sagte damals der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Hessen, Dr. Klaus Vornhusen.

Bahnübergang in Frankfurt Nied scheint für die DB keine Priorität zu haben

Keine Priorität - das sehen die Bürger des Frankfurter Stadtteils anders: Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger, Anwohner leiden unter dem Verkehrshindernis. Manchmal bleiben die Schranken bis zu 20 Minuten geschlossen, schimpfen die Nieder. Die täglichen Staus sind eine Plage, und immer wieder kommt es zu gefährlichen Situationen, wenn Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger noch schnell unter den sich bereits senkenden Schranken durchkommen wollen. Zum Zeitpunkt des Unglücks am Donnerstag (07.05.2020) war eine Schrankenwärterin im Dienst, sagte der Sprecher der Bundespolizei, Ralf Ströher. 

Der Ablauf des Unglücks sei noch unklar, die Ermittlungen dauerten an. Noch am Donnerstagabend wurden Luftbilder aus einem Polizei-Helikopter gemacht. Am Montag werde die Polizei eine Sonderermittlungsgruppe einsetzen. „Dann rechnen wir auch schnell mit Ergebnissen“, sagte Ströher. Die Bahn erklärte, zur Ursache des Unglücks könnten noch keine Aussagen getroffen werden. Die Strecke bleibe voraussichtlich bis Montag gesperrt. DB-Konzernbevollmächtigter Vornhusen sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus, ebenso wie die Hessische Landesbahn, zu deren Flotte der Zug gehört. 

Holger Vonhof

Die Kritik an Stadt und Bahn hält an. Immer klarer wird, dass die Problemstelle am Bahnübergang in Frankfurt-Nied lange bekannt war. Nun hat sich eine Bürgerinitiative gegründet. Bei einer Demonstration fordert sie: „Die Schranke muss weg.“

Bei einem Unfall mit einer U-Bahn in Frankfurt* ist ein Kind schwerstverletzt worden. Die Retter mussten die Strecke sperren und riefen einen Hubschrauber. *fnp.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

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