Früher war man der Meinung, dass es diese Verantwortung nicht gibt. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman sagte: „Die soziale Verantwortung der Firmen liegt darin, ihre Gewinne zu maximieren.“ Aber dieser Satz stammt aus den 70er Jahren und kann heute nicht mehr gelten. Großunternehmen wie Coca-Cola, Volkswagen oder Facebook nehmen eine andere gesellschaftliche Rolle ein. Sie sind politische Akteure, wenn es zum Beispiel um die Frage von Diskriminierung oder Korruption geht. Und das nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch für die Region, in der sie angesiedelt sind. Dazu zählt auch die Verantwortung gegenüber Konsumenten. Und die meisten Unternehmen sind eigentlich auch bereit das anzunehmen.
Wie kam es zu diesem Wandel?
Er begann in den späten 70er und den frühen 80er Jahren mit den ersten größeren Unternehmensskandalen, die von der Gesellschaft wahrgenommen wurden. In dieser Zeit gab es einen Skandal bei Ford und auch bei Nestlé. Das waren Skandale, bei denen sich die Unternehmen zwar an das geltende Recht gehalten hatten, dies von der Bevölkerung aber nicht mehr als ausreichend empfunden wurde. Und das hat sehr viel verändert. Sowohl aufseiten der Konsumenten als auch aufseiten der Unternehmen. Die Unternehmen haben gelernt, dass sie mehr machen müssen, als nur zu verkaufen und sich an die Gesetze zu halten. Bei Ford wurde der Tank eines neuen Modells nicht ausreichend geschützt, bei einem Aufprall lief schnell Benzin aus und es gab viele Verbrennungsopfer. Bei Nestlé ging es damals um eine Werbung für Trockenmilchprodukte, bei der nicht ausreichend darauf hingewiesen wurde, dass das Wasser für diese Milch gut abgekocht werden muss. Es war kein rechtliches Problem, aber etwas, was als unzureichende gesellschaftliche Verantwortung gesehen wurde. Und das hat sich dann fortgesetzt.
Glauben Sie, dass es nun wieder zu solchen Veränderungen kommen wird?
Ich halte es für möglich, dass es sich wieder zurückdreht, und zwar so, dass wieder stärker auf formelle Regeln gesetzt wird. Man hat lange von Corporate Social Responsibility (unternehmerischer Gesellschaftsverantwortung) gesprochen. Das waren alles Prozesse, in denen man sicherstellte, dass Unternehmen auch informelle Regeln umsetzen und man nicht alles formell ins Gesetz schreiben muss. Was in Zeiten der Globalisierung auch häufig schwierig ist. Mit den letzten Entwicklungen, gerade was Facebook angeht, ist es fraglich, ob dies ausreicht. Vielleicht sollten wir einige Regelungen wieder auf der formalen Ebene einführen.
Halten Sie eine Verbrauchersteuer für zuckerhaltige Getränke, wie sie von Freitag an in Großbritannien gilt, für sinnvoll?
Im Grundsatz wäre das wie eine Steuer auf Tabak oder Alkohol, mit der man versucht, bestimmte Produkte für den Konsumenten unattraktiv zu machen. In der Praxis hat das eigentlich nie wirklich funktioniert. In der Regel sind die Preiserhöhungen nicht signifikant und somit wird niemand von einem Kauf abgeschreckt. Die Frage ist auch, was mit dem Geld aus dieser Steuer passiert. Ich bin skeptisch, ob der Staat die Steuern zuverlässig verwendet, denn das kann von jeder folgenden Regierung wieder anders festgelegt werden. Ein berühmtes Beispiel ist die Schaumweinsteuer, die 1902 eingeführt wurde, um die kaiserliche Kriegsflotte zu finanzieren, und die es heute noch gibt. Ich habe wenig Vertrauen in eine Regelung durch eine staatliche Steuer, da gibt es bessere Mechanismen.
Wie sähen diese aus?
Ich habe ja über die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen gesprochen. Das kann über Kampagnen funktionieren, dass zum Beispiel aggressive Werbung für stark zuckerhaltige Produkte oder generell bestimmte Formen der Werbung eingestellt werden. Ich sehe im Moment noch nicht die Notwendigkeit einer staatlichen Regelung. Vielmehr kann man da auf die Verantwortung der Unternehmen setzen.
Facebook arbeitet mit Daten, Coca-Cola mit Lebensmitteln, die sich auf den menschlichen Körper auswirken. Kann man sagen, dass Coca-Cola eine höhere Verantwortung hat als andere Unternehmen?
Genau, das ist auch die Wahrnehmung in der Bevölkerung. Es gibt Rankings über unternehmerische Gesellschaftsverantwortung. Dort sind Lebensmittelkonzerne und die Pharmaindustrie – also alles, was uns körperlich betrifft – immer höher eingestuft. Der Boom der Biomärkte ist beispielsweise etwas, was gut über die Konsumenten reguliert wird. Die achten bei einem Kauf sehr auf Qualität und Herstellung des Produkts. Das funktioniert bei anderen Produkten nicht so gut, etwa bei denen, die mit Hilfe von Kinderarbeit hergestellt werden. Sie sehen es dem Produkt nicht an und im Grunde interessiert es den Konsumenten nicht wirklich. Da bemerken wir auch wenig Entwicklung am Markt – schlechtere Absatzzahlen durch Kinderarbeitsskandale gibt es nicht wirklich.