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Feine Sahne Fischfilet: „Natürlich frage ich mich manchmal, ob es das wert ist“

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Feine Sahne Fischfilet: Fünf Antifaschisten aus Mecklenburg-Vorpommern. Ganz links Trompeter Max Bobzin, ganz rechts Sänger Jan „Monchi“ Gorkow.
Feine Sahne Fischfilet: Fünf Antifaschisten aus Mecklenburg-Vorpommern. Ganz links Trompeter Max Bobzin, ganz rechts Sänger Jan „Monchi“ Gorkow. © Erik Weiss

Die Punkrock-Band Feine Sahne Fischfilet über ihren aufreibenden Kampf gegen rechts, Bombendrohungen bei Konzerten und ihr neues Album als Zeichen gegen die Gleichgültigkeit.

Neue Musik von Feine Sahne Fischfilet: „Alles glänzt“, das erste Album seit fünf Jahren, ist ein ungestümes und leidenschaftliches Statement für Gemeinschaftssinn und Zusammenhalt. Doch bei aller Rasanz findet sich auch vermehrt Nachdenklichkeit in den neuen Liedern. Diese Band, so wird es deutlich, hat Verwundungen erlitten, aber sie lässt sich nicht brechen. Ein Gespräch mit Sänger Jan „Monchi“ Gorkow (35) und Trompeter Max Bobzin (32).

Seit eurem letzten Album „Sturm & Dreck“ sind fünf Jahre vergangen. In der Zwischenzeit ist viel passiert. In der Welt, aber auch mit euch. Ist es bei euch im Kopf angekommen, dass ihr keine mittelgroße Punkband mehr seid, sondern jetzt bei den Großen mitspielt?

Max Bobzin: Ich weiß nicht, tun wir das? Wir selbst tun uns mit so einer Standortbestimmung schwer. Vor allem, wenn man vier Jahre lang keine eigenen Shows gespielt hat. Wir haben definitiv Bock auf geile Konzerte und auf Eskalation. Wir werden auch diesmal wieder abreißen, egal wo.

Monchi: Wir haben in kleinsten Jugendzentren angefangen, sind in Berlin anfangs vor 40 Leuten aufgetreten, und jetzt spielen wir in der Wuhlheide vor mehr als Zehntausend. Natürlich ist das genial, und wir sind extrem dankbar. Ich würde am liebsten jeden einzelnen Menschen in unseren Konzerten umarmen. Wir sind unheimlich heiß darauf, wieder mit den Leuten in Berührung zu kommen.

Die neuen Lieder klingen mitreißend, zugleich sind sie textlich intimer und noch persönlicher geworden.

Monchi : Diese Entwicklung gibt es bei uns schon länger. Wir sind mehr und mehr von reinen Parolen zu persönlichen Geschichten übergegangen. „Wenn wir uns sehen“ ist ein Lied für unseren Freund Dariush Beigui, der in der Seenotrettung Geflüchteter arbeitet und dem in Italien 20 Jahre Haft drohen. In „Tage zusammen“ singe ich über die Kinder meiner Ex-Freundin, zu denen ich noch einen sehr guten Draht habe. Jedes einzelne dieser zwölf Lieder ist persönlich, auch dann, wenn es politisch wird. Diese Nähe macht für uns die Stärke dieser Platte aus.

Im sowohl sehr persönlichen wie sehr politischen Lied „Angst zu erfrieren“ singst du: „Schaut auf meine Fingernägel, dann wisst ihr, wie’s mir geht“. Wie sehen deine Fingernägel gerade aus?

Monchi: Scheiße wie immer (lacht). Seit ich mit 14, 15 die Frontzähne von Nazis rausgekloppt bekommen habe, ist das Nägelkauen etwas, das bei mir stressbedingt passiert. Und da gerade sehr viel los ist, bin ich auch sehr viel am Kauen. Das ist keine Eigenschaft, auf die ich stolz bin. Ich denke aber, es ist eine Stärke von uns, dass wir nicht nur auf dicke Eier machen, sondern in unserer Musik auch Schwächen eingestehen. Damit machst du dich natürlich angreifbar, es berührt die Leute aber auch. Für mich gibt es nichts Langweiligeres als Bands, die zwar coole Musik machen, aber nichts zu sagen haben.

Ihr setzt euch seit Jahren intensiv gegen Rechtsextremismus und für eine bessere Perspektive der Jugend, vor allem in eurer Heimat Mecklenburg-Vorpommern, ein. Jetzt fragst du in dem Song auch, ob es das alles wert ist oder nicht. Kommen euch manchmal die Zweifel, ob ihr euer Engagement noch lange durchhalten könnt?

Monchi: Es geht in dem Lied um Angst. Auch um die Angst, selbst irgendwann unter die Räder zu kommen und es vielleicht gar nicht zu merken. Es gibt ganz, ganz viele tolle Leute bei uns, aber es gibt eben auch Idioten. Und die Variante, dass die Leute mich nicht erkennen, die gibt es bei mir nicht. Natürlich frage ich mich manchmal, ob es das wirklich alles wert ist.

In welchen Situationen?

Monchi: Wenn ich zum Beispiel eine Frau kennenlerne, überlege ich, ob ich sie vielleicht gefährde, wenn ich mit ihr zusammenkomme. Das ist eine der Fragen, die sich die meisten Menschen nie stellen, die für mich aber sehr präsent ist.

Hast du heute mehr Angst als vor zehn, fünfzehn Jahren?

Monchi: Natürlich. Im Zeitalter von Hanau oder dem Mord an Walter Lübcke sind diese Ängste auch sehr real, sehr nah. Wenn es explizite Morddrohungen gegen dich gibt, wenn Personenschützer bei dir zu Hause sind, dann bist du manchmal neidisch auf andere Bands, die einfach nur sagen „Wir finden Nazis doof“. Wir bieten einfach nochmal eine andere Projektionsfläche. Klar, wer eine große Fresse hat, der braucht nicht rumzuheulen. Bloß: Wenn Spürhunde durch dein Konzert laufen, weil es eine Bombendrohung gibt. Oder wenn dein engstes Umfeld bedroht wird, wenn du selbst bedroht wirst, dann macht das was mit dir. Ich habe in diesen Situationen immer abgeliefert und auch lange geglaubt, ich kann das ab. Aber mit ein paar Jahren Abstand habe ich festgestellt, dass doch nicht alles so einfach ist und ich nicht immer der Typ bin, der alles locker wegsteckt. Umso schöner ist das Gefühl, mit dieser wunderbaren Band wieder Musik gemacht und eine Platte aufgenommen zu haben, zu der ich und wir alle eine tiefe Liebe spüren.

„Wie oft soll die Welt noch untergehen?“, fragst du in „Komm mit aufs Boot“. Stumpft man auch ein Stück weit ab?

Monchi: Wenn ich die Nachrichten sehe, denke ich tatsächlich oft, dass es ja doch alles nichts bringt und man gar nichts machen kann. Aber ich will auf gar keinen Fall verbittern. Die für mich wichtigste Zeile des Albums lautet „Lass uns schauen, was uns verbindet, und nicht, was uns trennt“. Diese Aussage ist für mich die Antwort auf so vieles. Ganz viele Menschen haben das Reden und das Streiten verloren, sie begeben sich in ihre immer kleineren Blasen. Jeder will immer nur Recht haben und perfekt erscheinen. Das finde ich einfach nur abstoßend und eklig.

Die Band

Feine Sahne Fischfilet haben sich 2004 gegründet, als alle fünf Bandmitglieder noch Teenager waren. Die dezidiert antifaschistischen und vor keiner Auseinandersetzung kneifenden Punkrocker haben in den Folgejahren von sich reden gemacht mit viel Feind (Erwähnung im Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommerns, ständige Anfeindungen von Rechtsextremen und Nazis), aber noch mehr Ehr (ausverkaufte Tourneen, das 2018 erschienene „Sturm & Dreck“-Album auf Platz drei in den deutschen Charts, Stadionkonzerte mit den Toten Hosen).

Vor einem Jahr veröffentlichte Sänger Jan Gorkow, von allen Monchi genannt, sein erfolgreiches Buch „Niemals satt“, in dem er ohne Rücksicht auf sich selbst von seiner Essstörung und dem Kampf gegen Fettleibigkeit und Süßigkeitensucht schreibt. Wenig später wurde die Band anonym eines nicht näher benannten sexuellen Fehlverhaltens bezichtigt; das Landgericht Stralsund ordnete die geschäftsschädigenden Vorwürfe als „verleumderisch“ ein.

Die fünf haltungsstarken Musiker aus Mecklenburg-Vorpommern konzentrieren sich nun mit ihrem neuen Album „Alles glänzt“ wieder aufs Wesentliche. Aufgenommen hat es Ärzte-Produzent Philipp „Philsen“ Hoppen. Live zu erleben ist die Band zum Beispiel am 30. Juni in Karlsruhe (Kulturbühne), und außerdem im Juli und August in vielen anderen deutschen Städten. sr

Was machst du, wenn dir alles da draußen zu viel wird?

Monchi: Dann gehe ich raus in die Natur, am liebsten an die Ostsee. Dort am Wasser kann ich so gut auftanken wie nirgendwo sonst. Einfach mal weg vom Rechner, raus in die Realität. Gerade, wenn mich die sozialen Medien mal wieder fertig machen, hält mich die Ostsee seelisch am Leben.

Auch „Kiddies im Block“ ist ein Lied über den Zusammenhalt, oder?

Monchi: Ja, klar. Es gibt so viele coole Leute, die keinen Bock auf destruktiven Scheiß haben, und die du dann alle gemeinsam im Feine-Sahne-Konzert siehst. Für diese Menschen ist dieser Song. Und es ist mir egal, ob sie reich oder arm, ob sie Hausbesetzer oder Hausbesitzer sind. Ich halte nichts von ideologischem Denken. Ich bin 35 Jahre alt und sehe nicht mehr alles nur Schwarz-Weiß. Auch „Freaks dieser Stadt“ handelt von Gemeinschaft und von dem, was die Menschen vereint. Mir ist es scheißegal, ob jemand Anwalt oder Arbeitsloser ist. Es kommt nur drauf an, ob du ein gutes Herz hast.

„Wer nicht abhaut, ist Kult“ heißt es im Text. Seid ihr demnach selbst Kult?

Monchi: Wenn es irgendwie machbar ist, will ich in Mecklenburg leben und alt werden. Ich liebe es hier, und bis auf Max, der in Berlin lebt, sind wir alle hier geblieben. So viele Freunde von mir sind weggezogen, weil sie vielleicht in der Großstadt das Doppelte verdienen können. Für mich ist es ein Privileg, mir aussuchen zu können, wo ich lebe. Natürlich gibt es auch harte Momente und vielleicht auch mal was auf die Fresse, doch dann haut man trotzdem nicht ab, sondern macht sich gerade.

Wie sehr habt ihr euch eigentlich bei „Diese eine Liebe“ von den Ärzten und ihrem Hit „Westerland“ inspirieren lassen?

Bobzin (lacht): Alle, die den Song gehört haben, meinten erstmal „Westerland, was?“ Wenn du dann mal genauer hinhörst, wirst du feststellen, dass die Nummer außer den drei Worten gar nicht so viel mit den Ärzten zu tun hat.

Monchi: Bei unserem Produzenten Philipp „Philsen“ Hoppen hängen allerdings ungefähr 20 Goldene Schallplatten für seine Arbeit mit den Ärzten an der Wand. Es war schon ein Diskussionsthema, ob wir das Lied, bei dem ich an die tiefe Liebe zu meinen Großeltern gedacht habe, dann wirklich so nennen.

Wir müssen noch über ein Diskussionsthema der ganz anderen Sorte reden. Im vergangenen Jahr seid ihr anonym im Netz des sexuellen Fehlverhaltens beschuldigt worden. Bis heute wisst ihr nicht, von wem die Anschuldigungen kamen, noch um welche Vorwürfe es konkret ging. Habt ihr das einigermaßen verarbeitet?

Bobzin: Verarbeitet haben wir das noch nicht. Nach wie vor ist uns das alles ein großes Rätsel, und wir sind jetzt nicht die Typen, die sagen: „Scheiß drauf, wir kümmern uns nicht weiter darum.“ Wir haben uns den Vorfall ja auch zu Herzen genommen und geguckt, dass wir unser Verhalten reflektieren. Aber wenn du so im Trüben fischst, dann weißt du nicht, was du anders machen kannst. Vielleicht hat Monchi beim Konzert mal jemandem einen Pfeffi ins Gesicht gespritzt, wir wissen es einfach nicht.

Monchi: Es wurden bewusst Lügen verbreitet. Etwa, dass ich eine Anzeige wegen der anonymen Anzeige erstattet hätte. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie jemanden angezeigt oder verklagt. Das Ganze war auf jeden Fall ein Schock und einer dieser Momente, wo man bei sich bleiben muss. Natürlich verhalten auch wir uns nicht immer wie Engel, keine Frage, und wir gucken, dass wir mehr Frauen in unsere Crew bekommen. Doch wieder einmal haben wir gemerkt, dass das Internet kein Ort für eine differenzierte Auseinandersetzung ist. Sondern der Ort, an dem Leute intensiv auf dich losgehen.

Bobzin: Das waren schon harte Wochen. Es hat uns sehr geholfen, wieder Musik zu schreiben und in den Proberaum zu gehen.

Monchi: Zu sagen „Wir arbeiten jetzt an Musik“, war die beste Medizin – neben der Ostsee.

Trotzdem: Wüsstet ihr gerne, wer euch da so angegriffen hat?

Monchi : Ja, klar würden wir gerne wissen, wer dahintersteckt. Wir werden aber nicht öffentlich darüber spekulieren, weil uns das nur zerfrisst. Wir tauschen uns gerne mit Leuten konstruktiv aus, aber wenn uns jemand einfach nur mit dem Verbreiten von Lügen zerstören will, dann nützt auch Reden nicht mehr, und man muss einfach sagen „Fickt euch“.

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