Das federleichte Schwergewicht Gert Fröbe

Als Goldfinger war er der Gegenspieler von James Bond - und erlangte weltweite Bekanntheit: Heute vor 100 Jahren wurde Gert Fröbe geboren.
Von Ralf Schenk
In die Filmgeschichte trat Gert Fröbe als spindeldürrer Kriegsheimkehrer namens Otto Normalverbraucher ein. In Robert A. Stemmles kabarettistischer „Berliner Ballade“ (1948) stolperte er durch die Trümmer der Hauptstadt und träumte von jenem Paradies, in dem er schlemmen konnte, so wie es sein Herz begehrte. In den frühen Jahren des Wirtschaftswunders futterte sich Fröbe dann tatsächlich einen stattlichen Bauch an, woraufhin er vorwiegend abgründige Familientyrannen, skrupellose Industrielle und andere unsympathische Herrschaften zu spielen hatte.
Sein Kindsmörder in Ladislao Vajdas Dürrenmatt-Verfilmung „Es geschah am helllichten Tag“ (1958) war wie eine Symbolfigur für die nie auszulöschende Schuld, wehrlose Menschen wie im Rausch vernichtet zu haben. Ein scheinbar gütiger Zeitgenosse als Verbrecher: das Doppelgesicht eines Psychopathen, ein Mörder unter uns.
Sechs Jahre später sah sich Gert Fröbe, geboren im sächsischen Planitz, im Zenit seines internationalen Ruhms als Kinoschurke: Nach dem von Boshaftigkeit nur so funkelnden Mr. Goldfinger im gleichnamigen James-Bond-Film wurde er von Angeboten überhäuft, vornehmlich vom britischen Kino. Unvergesslich sein Oberst von Holstein in „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ (1964), eine wunderbare Parodie auf die so genannten preußischen Militärtugenden: Fröbes trompetenhaft hervorgestoßener Satz „Es gibt nichts, was ein deutscher Offizier nicht kann“ wurde zum geflügelten Wort für abstruse Befehlstreue und ins Alberne gesteigerte Zackigkeit. In den Jahren danach war er auf solche Typen abonniert: ein überdrehter Clown, grotesk und polternd und dabei immer ein wenig verschmitzt, so wie sein „Räuber Hotzenplotz“ (1973).
Aber er konnte auch anders, leiser, hintergründiger: als Pater Hoffmann in Luchino Viscontis „Ludwigs II.“ (1972) gab er dem Ratgeber des Bayernkönigs ein weiches, fast scheues Profil. Ingmar Bergman besetzte ihn als Berliner Kommissar Bauer in der Parabel „Das Schlangenei“ (1977) über Vorboten des NS-Terrors. Auch der DEFA hatte Fröbe zugesagt, in dem Kostümfilm „Zimtpiraten“ über die Wettfahrt portugiesischer und holländischer Karavellen zur Eroberung von Kolonien im Indischen Ozean die durchgehende Rolle eines stummen Kochs zu übernehmen. Als der Regisseur Gottfried Kolditz 1982 plötzlich starb, wurde das Projekt leider gestoppt.
Nachdem die Filmrollen weniger wurden, besann sich der schwergewichtige Mime auf seine Anfänge auf Kleinkunstbühnen. War er in seiner Jugend als „roter Geiger von Zwickau“ zu regionaler Bekanntheit aufgestiegen, machte er nun mit Vortragsabenden Furore, die er Kästner, Ringelnatz und Morgenstern widmete. Wenn Fröbe, mit zusammengekniffenen Äuglein und piepsiger Stimme, den Gedanken einer Schnecke beim Verlassen ihres Hauses federleichten körperlichen Ausdruck verlieh, oder wie er „Fisches Nachtgesang“ interpretierte, ein Gedicht nur aus Strichen und Punkten, das war genial: Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung auf schmalstem Raum. Gert Fröbe, der im September 1988 nach einem dieser Rezitationsabende einem Herzinfarkt erlag, wäre heute hundert Jahre alt geworden.