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Fashion Week in New York: Inspiration ist nur der Anfang

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Von: Ulrike Keding

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Nelsons Vorbild ist die deutsche Designerin Jil Sander.
Nelsons Vorbild ist die deutsche Designerin Jil Sander. © Ulrike Keding

Evren Nelson studiert in New York an der berühmtesten Modeakademie der USA. Neben Handwerk lernt der Deutschamerikaner dort auch viel über die Kleidung der Zukunft.

New York - Evren Nelson hat es geschafft. Zwar liegt bis zum eigenen, im besten Fall erfolgreichen Modelabel noch ein langer Weg vor dem 22-Jährigen, aber die Aufnahmeprüfung an der berühmtesten Modeakademie der USA hat der junge Mann aus Wiesbaden schon mal bestanden. Er ist jetzt einer von 5800 Studierenden aus aller Welt, die an der New Parsons School of Design in den Fakultäten Mode, Architektur oder Industriedesign ausgebildet werden.

Das Modecollege – dem World University Ranking zufolge die Nummer eins in den USA und weltweit auf Platz 3 geführt – setzt auf Kreativität und Nachhaltigkeit, auf Leinen und Baumwolle statt Synthetik. Dieser Gedanke steht im Zentrum der Ausbildung und hat auch für Evren Nelson in seinem Selbstverständnis als angehender Designer höchste Priorität: „Wir müssen eine bessere Welt von morgen schaffen.“

Modenachwuchs achtet auch Nachhaltigkeit in der Branche

Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet die New Parsons School mit verschiedenen Modemarken zusammen. Das Label „The Kooples“ etwa hat den Studierenden Reststoffe zur Verfügung gestellt, aus denen sie eine Recyclingkollektion entwerfen mussten. „Parsons stellt uns die Aufgabe, nachhaltige Mode zu entwerfen, aber die Lösungen müssen wir selbst finden. Ich habe zum Beispiel eine Methode entwickelt, wie man mit Luft Stoffe färben kann.“

Günstige Mode ist oft umweltschädlich. In der Massenproduktion werden meist synthetische, mitunter gesundheitsschädliche Stoffe verarbeitet. Jüngsten Studien zufolge verursacht die Produktion von Mode aus Kunstfasern rund acht Prozent der weltweiten Treibhausgase. Weltweit fallen jährlich rund 92 Millionen Tonnen Textilabfall an. Auch Evren Nelson sieht es als „Problem in der Mode, dass es meistens schnelllebige Produkte sind.

„Wegwerfmode muss abgeschafft werden“: Nachwuchsdesigner versucht sich an Nachhaltigkeit

Wir dagegen von der New Parsons School wollen nachhaltige Kleidungsstücke erschaffen. Diese sollen lange getragen werden. Zeitloses Design ist gutes Design“. Ihm sei bewusst, dass der Wunsch vieler Menschen nach erschwinglicher Trendmode dazu führe, dass massenweise Billigware auf den Markt komme, „aber die Wegwerfmode muss abgeschafft werden“. Diesen Schritt müssten zuerst die Modekonzerne gehen, sagt Nelson, aber eben „auch die Konsumenten. Viele Menschen wollen Abwechslung, aber sie müssen umdenken“.

Ein Streifzug durch die Säle der Parsons School in Greenwich Village mitten in New York City: Wer hier studiert, muss nicht nur Fantasie haben, sondern auch nähen lernen und den Umgang mit den Materialien kennen. Wer Mode machen will, muss wissen, wie sich die Eigenschaften von Stoffen am Körper zeigen, dass ein fließender, leichter Stoff anders wirkt als ein Rock aus Wolle.

In einem Raum sitzen vor allem junge Frauen aus Afrika, Indien, aber besonders aus China an ihren Nähmaschinen. „Unser Studium ist hart“, erzählt Nelson, „Für ein gutes Produkt muss man viel Zeit investieren.“ Lernen ist das eine, der Rest: „Hinsetzen und arbeiten“, wie Nelson sagt. „Die schlimmste Nacht, die ich hatte, war Ende des Semesters.“ Nadeln brachen ab, Nähte rissen auf, die Augen fielen ihm zu. Aber: Am nächsten Morgen musste seine Bäckeruniform fertig sein, „und zwar perfekt von mir genäht“. Und sie wurde fertig.

Mode: Langer Weg von der Idee zur Kollektion

Evren Nelson zieht das von ihm entworfene weiße Herrenoberteil über eine der Schneiderpuppen, die im Saal stehen. „Wir bekommen Themen vorgeschlagen und müssen uns dazu Kleider ausdenken. Zum Thema ‚Uniform‘ sollte ich Kleidungsstücke herstellen, die an sich keine Uniformen sind, sondern für den Alltag gedacht sind. Mich hat die Bäckeruniform besonders angesprochen. Die weiße Farbe und die Knopfleisten haben mich für meinen Pullover inspiriert.“

Ganz in Weiß: Freizeitlook mit Elementen der Bäckerskluft.
Ganz in Weiß: Freizeitlook mit Elementen der Bäckerskluft. © Evren Nelson

Inspiration ist der Anfang, die nächste Herausforderung ist die Produktion: Evren Nelson hat seine erste Kollektion in der Türkei produzieren lassen. Fünf maßgeschneiderte Jacken, fünf Hosen, zwei Hemden aus Bursa, der Heimatstadt seiner türkischstämmigen Mutter, tragen nun sein erstes Label. „Meine türkische Herkunft gehört zu einem großen Teil zu meiner Identität. Deshalb sind Entwürfe mit türkischem Touch eine Schwäche von mir.“ Vom Dress einer türkischen Fußballmannschaft ließ er sich für seine Freizeitmode beeinflussen.

Traum von Paris: Modestudent will es in der Hauptstadt der Mode zu etwas bringen

„Die Kollektion lasse ich für mein Portfolio anfertigen“, sagt der 22-Jährige, inzwischen im 3. Semester: „Das ist für meine Zukunft wichtig, damit ich nicht nur Zeichnungen vorzeigen kann.“ Wenn Nelson sein Studium an dem Elitecollege erfolgreich absolviert, ist ihm der Eintritt in die vielumworbene Welt der großen Modemarken von New York bis Paris so gut wie sicher. Etliche berühmte Modeschöpfer:innen haben an dieser Schule studiert: Tom Ford, Mark Jacobs, Alexander Wang – um nur drei Namen zu nennen. Ihre Modehäuser sind immer noch mit der Universität verbunden, der Nachwuchs kann sich bei ihnen bewerben.

Den Namen Parsons kennt man in der Modewelt, aber um in der Branche erfolgreich zu sein, braucht man nicht nur Talent, sondern auch Willensstärke. Tom Ford etwa durfte nach seinem Abgang vom Parsons College bei der koreanischamerikanischen Designerin Cathy Hardwick als Assistent arbeiten – der Legende zufolge hatte Ford allerdings einen Monat lang jeden Tag bei Hardwick angerufen. Evren Nelsons Vorbild ist die Hamburger Modeschöpferin Jil Sander, die auch als „Königin des Weglassens“ bekannt ist. „Schlicht, elegant und minimalistisch, das gefällt mir.“ Da würde er gerne nach dem Studium einsteigen. In New York ist Jil Sander mit einem Geschäft in Soho vertreten, dem eleganten Viertel der Luxusmodemarken gleich neben Chinatown.

Herr Ober? Auch dieser Entwurf spielt mit dem Thema Uniform.
Herr Ober? Auch dieser Entwurf spielt mit dem Thema Uniform. © Evren Nelson

Auch wenn Evren Nelson derzeit in New York lebt, so ist Paris für ihn die Modestadt Nummer eins: „London und New York sind etwas für junge und coole Designer, die es noch nicht nach Paris geschafft haben, aber natürlich gibt es auch in New York ganz große Modeschöpfer.“ Tom Ford etwa entwickelte hier sein eigenes Label, nachdem er der führende Designer bei Gucci in Florenz gewesen ist. Alexander Wang gründete mit 22 Jahren sein eigenes Label in der US-Weltstadt. Und er sammelte Erfahrung als Chefdesigner bei der Haute-Couture-Marke Balenciaga in Paris. Heute tragen Prominente wie Madonna und Gwyneth Paltrow seine mit schwarz akzentuierte Luxusmode.

Fashion Week in New York: Die Stadt wird zum Laufsteg

Die New York Fashion Week startet am 9. Februar und gehört neben Paris, Mailand und London zu den vier Topmodeevents der Welt. Dann würden auch die 5th Avenue und die Straßen von Soho zum Laufsteg, hat Evren Nelson beobachtet: „Zur Fashion Week zeigen sich die jungen modebewussten New Yorker noch schriller als sonst, besonders in Soho. Es gibt viele Fanatiker hier, die außergewöhnlich aussehen wollen. Die multikulturellen Einwohner New Yorks inspirieren mich natürlich auch.“

Evren Nelson wohnt in der Lower East Side um die Ecke vom Nuyorican Poets Café. Vor allem junge Afroamerikaner:innen und Latinos strömen in das Theater. „Ein Nachtclub liegt gegenüber von meinem Wohnhaus. Um vier Uhr morgens stehen manchmal 100 junge Leute auf der Straße.“ Bevor er in ein paar Jahren den Sprung vom Studium in die Modewelt wagt, kann der angehende Modeschöpfer in dem bunten, pulsierenden Viertel Studien vor seiner Haustür betreiben – und sich inspirieren lassen. (Ulrike Keding)

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