Einfach schlecht?

Oder unbeliebt? Nach dem letzten Platz geht’s mal wieder um Deutschlands ESC-Zukunft. Wobei der Name „Lord of the Lost“ eigentlich jeden Abgesang schon vorwegnimmt.
Schweden hat den Eurovision Song Contest in Liverpool gewonnen. Und in Deutschland mal wieder: Katerstimmung. Wundenlecken. „Glatt und bitter gehen wir unter“ säuselten Olli Schulz und Jan Böhmermann süffisant zur Melodie des deutschen Beitrags „Blood and Glitter“, als sie den ESC für „fm4“ kommentierten.
Und Deutschland steht einmal mehr vor der Frage: Warum schon wieder Letzter? Waren „Lord of the Lost“ wirklich sooo schlecht? Waren sie sooo viel schlechter als der Rest? Und: War das zuletzt nicht immer so? Oder gibt es eine andere Erklärung für sieben letzte oder vorletzte Plätze in acht Jahren? Oder sind die Deutschen beim ESC-Publikum und den Jurys so unbeliebt, dass die Beiträge auf die hintersten Ränge gevotet werden nach dem Prinzip: „Nettes Lied, aber hey, es ist Deutschland, also Zero Points“? – Auch wenn sich dieser Gedanke aufdrängt, sollte man ihn für sich behalten, sonst ist man nicht nur Verlierer, sondern ein schlechter obendrein. Doch nun, da die rote Laterne in der Vitrine allmählich Staub ansetzt, werden diese Stimmen laut.
Da wäre Guildo Horn (60), der vor einem Vierteljahrhundert mit seinem Piep-Song einen beachtlichen siebten Platz beim ESC erreicht hatte – das waren noch Zeiten. „Das Licht am Ende des Tunnels scheint leider aus“, schrieb Horn auf Facebook: „Mein Tipp: Einfach mal pausieren und das gesparte Geld (Deutschland ist ja einer der großen Geldgeber des ESC) vernünftig investieren.“ In Kitas und Tafeln und so. Dass die Band in diesem „mittelmäßigen Starterfeld“ so klar Letzter wurde, das wertet Horn als Zeichen dafür, dass Deutschland kein Liebling in Europa zu sein scheine.
Gottschalk schaltet sich ein
Noch deutlicher wird Entertainment-Legende Thomas Gottschalk (72): „Bei aller Liebe, aber wir werden vom Rest Europas doch inzwischen verarscht, was die Bewertung beim ESC betrifft. Die mögen uns einfach nicht“, pöbelte er auf Instagram. Aber: Wenn wir wirklich so unbeliebt sind, wie ist dann der vierte Platz von Michael Schulte 2018 zu erklären?
Wahrscheinlich liegt es an den Beiträgen. Beim ESC geht es nicht um gut oder schlecht, sondern um ESC-Tauglichkeit. Die dreiminütigen Stücke müssen nach dem ersten Hören im Ohr bleiben, um Stimmen zu erhalten. Wie etwa das ZDF online richtig analysierte: „Die Band hat an der Halle vorbeigesungen“, das Stück war nicht eingängig. So wie viele deutsche Beiträge der vergangenen Jahre.
Wie Horn fordert Gottschalk: „Die ARD muss nach diesen ganzen Pleiten einfach den Geldhahn zudrehen. Ohne Gold kein Glitter!“ Die ARD lässt eine solche Diskussion gar nicht erst aufkommen. Warum „Lord of the Lost“ so gar nicht ankam, löse zwar auch dort Ratlosigkeit aus, aber: „Wir sind in jedem Jahr mit großer Freude dabei“, betont eine NDR-Sprecherin, „und das bleibt auch so.“