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Ein Streifzug durch Rom

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Von: Michaela Namuth

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Kolosseum bei Nacht
Auch schön: Das Kolosseum bei Nacht. © imago-images

Kann man die italienische Hauptstadt, vom Kolosseum bis zu Ecken, in die kaum Tourist:innen kommen, entdecken, ohne dabei viel Geld auszugeben? Unsere Autorin hat es probiert

In die Bar des Palazzo Caffarelli verirrt man sich nicht zufällig. Man muss sie suchen und finden: erst die Treppen von der Piazza Venezia zum Kapitol hochsteigen, dann rechts der Ausschilderung „Caffetteria“ folgen, sich nicht von der Wache am Eingang abschrecken lassen und nochmal Treppen steigen. Im ersten Stock angekommen, folgt man dem Klappern der Tassen und dem Kaffeeduft. Am Tresen drängeln sich Angestellte und Wachleute der Kapitolinischen Museen. Sie sind die Stammgäste und werden mit Vorzug bedient, bevor man selbst vom Barmann mit einem mitleidigen „Prego?“ bedacht wird. Wenn man will, kann man zum Frühstück einen Caffè und ein Cornetto bestellen und die ersten 3,20 Euro des Tages ausgeben. Man kann aber auch gleich auf die anliegende Dachterrasse treten. Dort öffnet sich ein einzigartiger Blick auf die Stadt, die Dächer, die Gassen und die Kirchenkuppeln. Ein Tag in Rom beginnt.

Zu unseren Füßen liegen Überreste der mittelalterlichen Stadt, die Mussolini und seiner Abrisswut entgangen sind. Links das Teatro di Marcello, gebaut auf antiken römischen Mauern. Weiter hinten sieht man die Kuppel des Petersdoms, irgendwo davor im Straßengewirr das Pantheon und die Piazza Navona – alles viel bewundert und beschrieben in jedem Reiseführer. Deshalb lassen wir den Vatikan und die historische Altstadt heute links liegen. Unser Weg führt durch das antike Rom oder daran vorbei, in Richtung Süden zur Via Appia bis hin zum Vorstadtviertel Torpignattara, wo die Kunstwerke auf Häuserwände gesprüht sind. Das geht an einem Tag fast alles zu Fuß. Wir steigen nur einmal hinab in die Tiefen der neuen U-Bahnlinie C.

Das Zentrum des Antiken Rom

Beim Verlassen der Terrasse lohnt sich auf der Rückseite noch ein Blick auf das Forum Romanum, das öffentliche Zentrum des antiken Roms, das von den verschiedenen Kaisern mit verherrlichenden Monumenten, Tempeln, Triumphbögen, Standbildern und Ehrensäulen gefüllt wurde. Am Ausgang geht es rechts zum Platz des Kapitols, vorbei an der Reiterstatue von Marc Aurel, die Treppen hinunter bis zur Via dei Fori Imperiali in Richtung Kolosseum. Man quetscht sich vorbei an Reisegruppen, Kinderwagen, aufs Gewagteste manövrierenden E-Roller-Fahrern und sogenannten Straßenkünstlern, die noch nie einen Pinsel in der Hand hatten und chinesische Massendrucke verkaufen. Daneben das Forum Romanum und die gigantischen Bohrer der Baustelle für die neue, bislang unvollendete U-Bahn-Linie. Der neu geschaffene Archeopark mit Forum, Kolosseum und dem Palatin ist ein eigenes Tagesprogramm. Am ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt frei, wie übrigens auch im Kapitol und anderen städtischen Museen.

Buchcover: Mit 50 Euro durch ...
Dieser Text ist in diesem Buch erschienen: Christoph Drösser (Hg.): „Mit 50 Euro durch ...“ Polyglott 2022, 288 Seiten, 16,99 Euro © Polyglott

Aber die dicken Travertinmauern des Kolosseums entfalten auch von außen eine große Wirkung. Die Kampf- und Spielarena wurde 72 nach Christus von Kaiser Vespasian für ein Publikum von 50 000 Menschen errichtet und verdankt ihren Namen einer Kolossalstatue von Kaiser Nero, die bis zum Mittelalter in unmittelbarer Nähe stand. Der Rundbau wird seit Jahren restauriert, zum Teil mit privaten Sponsorengeldern. Er ist bis heute das weltliche Wahrzeichen der Stadt, die es liebt und immer wieder vorzeigt – auf Plakaten, als Kunstobjekt und in Kinofilmen. Der bekannteste ist immer noch „Ein Amerikaner in Rom“ von 1954, in dem ein junger Römer das antike Gemäuer erklimmt und droht, sich hinabzustürzen, falls seine Forderung – eine Reise nach Amerika – nicht erfüllt wird. Die Filmfotos, auf denen der Hauptdarsteller Alberto Sordi am Ende doch lieber Mammas Spaghetti schaufelt, zieren noch heute viele römische Bars und Trattorien.

Übrigens: Gegenüber, links vom Eingang zur U-Bahnstation Colosseo, kann man sich am kommunalen Wasserspender seine Flasche mit gefiltertem und gekühltem Wasser auffüllen, auch gesprudelt – und kostenlos natürlich. Das römische Wasser ist immer noch genießbar, auch wenn es aus den traditionellen Trinkbrunnen, im Volksmund nasone genannt, oder aus dem Wasserhahn kommt. Das größte Bauwerk der Antike war allerdings nicht das Kolosseum, sondern der nahe gelegene Circus Maximus, in dem sich bis zu 250 000 Zuschauerinnen und Zuschauer zu Wagenrennen und Wasserschlachten einfanden. Dort sind wir jetzt über die Via di San Gregorio angekommen. Wer hier wohnt, joggt öfter mal die 600 Meter hin und her. Wir lassen das und kaufen für 5 Euro eine Eintrittskarte für die erst seit ein paar Jahren eröffnete Ausgrabungsstätte. Zu besichtigen sind neben Gängen, Latrinen, Geschäften und Ställen des Circus auch ein restaurierter mittelalterlicher Turm. (Upgrade: Wer zusätzliche 12 Euro investieren möchte, kann sich mit einer Multimedia-Brille in die virtuelle Realität der „Circo Maximo Experience“ stürzen. Dabei läuft man in einem 40-minütigen Spaziergang durch die Geschichte und die Gebäude der Arena und kann auch live bei einem antiken Wagenrennen dabei sein.)

Als Alternative bietet sich in den Frühlingsmonaten ein Besuch des städtischen Rosengartens an. Der Eingang befindet sich in der Via di Valle Murcia, die man über die Via del Circo Massimo an der Längsseite des Circus Maximus in Richtung Aventin erreicht, einem der sieben Hügel der Stadt. Der Eintritt ist frei. Zu bewundern sind mehr als 1000 Rosensorten, und vor allem im Mai und Juni ist ihr Duft unwiderstehlich, ebenso wie der Blick auf die Ruinen des gegenüberliegenden Hügels, des Palatin.

Rosengarten Rom
Im Frühling empfiehlt sich ein Besuch des Rosengartens. © Imago Images

Wieder zurück auf der Via del Circo Massimo überqueren wir die Viale Aventino an der Fußgängerampel. Dann stehen wir vor dem Hauptquartier der Welternährungsorganisation FAO, wo es angeblich die beste Kantine der Stadt geben soll – allerdings nur für Angestellte und ihre Gäste. Wir hingegen können uns ein paar Fußminuten entfernt in die Bar Giò auf der Viale Aventino setzen, verschnaufen und noch einen caffè oder etwas anderes bestellen und dafür 3 bis 5 Euro ausgeben.

Thermen, Märtyrer und Alte Stadtmauer

Hinter dem vergitterten Gelände der FAO biegen wir rechts ab, in die Via delle Terme di Caracalla. Jetzt sind wir den Touristenmassen endgültig entronnen. In den Jahren der Berlusconi-Regierung fanden hier auf der Piazza di Porta Capena mehrere Massendemos statt. 2002 protestierten drei Millionen Menschen gegen die Abschaffung des bestehenden Kündigungsschutzes. Für Rom war es die größte Demonstration der Nachkriegszeit – direkt vor den antiken Caracalla-Thermen. Auch wir stehen jetzt vor den mächtigen Ruinen, die hoch in den blauen römischen Himmel ragen. Vor rund 1700 Jahren waren sie ein öffentliches Badehaus. Es gab Wannen und Becken, Warmräume mit Fußbodenheizung, Bibliotheken, Ruhe- und Sporträume. Die Thermen wurden dann von Erdbeben beschädigt und von den Baumeistern der Päpste geplündert. Wir laufen an ihnen vorbei, folgen dem Rad- und Fußgängerweg inmitten grüner Wiesen in Richtung Süden und stoßen nach wenigen Minuten auf eine kleine Kirche. Die Mini-Basilika ist Nereus und Achilleus gewidmet, zwei Heiligen aus der Zeit der Christenverfolgung. Die Wandfresken des Renaissancemalers Cristofero Roncalli, genannt Pomarancio, stellen allesamt überaus einfallsreiche Folterungen von christlichen Märtyrern dar und sind nichts für zartbesaitete Seelen.

Das gilt auch für den Verkehr, der auf dem Piazzale Numa Pompilio tobt. Wir überqueren den Platz an der Ampel, um in die Via di Porta San Sebastiano zu gelangen. Die gepflasterte und von antiken Mauern begrenzte Straße führt nach ein paar hundert Metern zum Stadttor. Allerdings donnern auch hier ungehindert Autos vorbei. Das Thema Verkehrsberuhigung setzt sich im römischen Stadtrat nur zögerlich durch. Selbst die ehrwürdige Via Appia Antica, die jetzt vor uns liegt, ist eine Rennstrecke.

Dafür ist der Süden Roms gesegnet mit Parks und grünen Oasen. Eine davon birgt das kleine Museo delle Mura, direkt an der Porta San Sebastiano. Nach dem Eingang gelangt man über die Treppen des Mauerturms ins Innere der antiken Stadtmauern, der Mure Aureliane, die bis heute das Zentrum von Rom umschließen. Der Mauergang ist das Tor zu einer anderen Welt. Er führt vorbei an zartgrünen Wiesen mit Gänseblümchen, das Verkehrschaos ist wundersam verschwunden. Dieses Erlebnis und der Eintritt kosten nichts. Das Museum, das auch einen Rundumblick von der Dachterrasse und wechselnde Kunstausstellungen bietet, schließt allerdings bereits um 14 Uhr. Wir haben den Eintritt sicher bis 13 Uhr geschafft, wenn wir gegen 10 am Kapitol losgelaufen sind.

Auf der anderen Straßenseite der Porta San Sebastiano beginnt die Via Appia Antica. Wir aber wenden uns nach links und laufen an der Mauer entlang. Dann geht es rechts in die Via Talamone und immer geradeaus über drei Querstraßen, bis wir die Via Elvia Recina erreichen und rechter Hand schon die Piazza Tuscolo sehen. Hier lohnt sich ein Abstecher zum Tagesmarkt auf der Piazza Epiro. Dazu biegen wir links in die letzte Querstraße ein, die Via Satrico. Die überdachten Stände bieten nicht nur Obst, Gemüse, Pizza, Fleisch und Fisch, sondern auch neue und gebrauchte Klamotten zu günstigen Preisen, die meist immer noch verhandelbar sind.

Von Piazza zu Piazza

Von hier sind es noch ein paar Minuten zur Piazza Re di Roma, wo uns im gleichnamigen Pizza-Imbiss ein warmer Mittagstisch erwartet. Der Laden ist immer voll, aber das Anstehen lohnt sich. Hier gibt es neben Pizza, Ofenkartoffeln, Gemüse und Frittiertem aller Art die besten suppli der Stadt: frittierte Reisbällchen mit Tomatensugo und einem weichen Kern aus Mozzarella. Für 8 Euro bekommt man zwei davon und noch ein Stück Pizza und ein Getränk dazu.

Am besten lassen Sie es sich einpacken und nehmen es mit auf eine – je nach Witterung – sonnige oder schattige Bank des Mini-Parks in der Mitte des Kreisverkehrs. Abends trifft sich hier die Jugend. In Ermangelung anderer Treffpunkte und Freiräume ist die grüne Verkehrsinsel zum Zentrum des Viertels geworden.

Die Römerinnen und Römer orientieren sich in ihrer Stadt immer an der nächsten Piazza. Das tun wir auch. Wir schlagen die Via Appia Nuova ein – eine lärmige Verkehrs- und Geschäftsstraße, die direkt zum Piazzale Appio führt, heute ein zentraler Verkehrsknotenpunkt. Angrenzend, gleich hinter den Bögen der Stadtmauer, liegt die Lateran-Basilika, einst Residenz des Papstes und bis heute Bischofskirche von Rom. Der riesige Baukomplex ist von allen Teilen der Stadt gut erreichbar, eine Besichtigung kann deshalb getrost auf einen anderen Tag verschoben werden.

Wir steigen hinab zur Metro C, der neuen U-Bahn-Linie, die Richtung Süden durch unendliche Vorstädte fährt. Das Ticket gibt es für 1,50 Euro am Automaten. Auf den verschiedenen Rolltreppenebenen sind archäologische Fundstücke ausgestellt, die bei den unterirdischen Bohrungen entdeckt wurden, und an den Wänden steht die Geschichte Roms, von der Gegenwart bis zur Prähistorie – leider nur auf Italienisch. Die U-Bahn rast bislang nur in eine Richtung, wir steigen nach wenigen Minuten an der Station Malatesta aus.

Wandgemälde in Torpignattara

Die Kulisse hat sich komplett verändert. Um die große, mit Betonbänken bestückte Piazza ragen achtstöckige Mietshäuser aus den 1950er-Jahren, und statt der üblichen Touristenshorts prägen orientalische Kaftane das Straßenbild. In den Läden gibt es Dekos für Kinderpartys und glitzernd verzierte Hochzeitskleider, bei den marokkanischen und pakistanischen Gemüsehändlern auch duftende Koriandersträußchen. Torpignattara ist ein noch nicht gentrifizierter Stadtteil mit einer hohen Dichte von eingewanderten Männern und Frauen, die erst aus dem Süden Italiens und später aus dem Süden der Welt gekommen sind. Von der jungen Kunstszene wurde es aber längst entdeckt. Es hat sich in den letzten Jahren zum Street-Art-Viertel Roms gemausert, und die riesigen Bilder auf den hohen Hauswänden sind zur Vorstadt-Attraktion geworden. Fast alle Darstellungen beziehen sich auf das Viertel. So auch das Wandgemälde „Hostia“ von Nicola Verlato in der Via Galeazzo Alessi 215, die man von der Piazza Malatesta über die Via Antonio Tempesta in 15 Minuten zu Fuß erreicht. Das zehn Meter hohe Schwarz-Weiß-Gemälde zeigt den Tod des Schriftstellers und Regisseurs Pier Paolo Pasolini, der seine Geschichten und Figuren in den römischen Vorstädten fand, die damals noch borgate hießen. Die Leute im Viertel nennen das Bild auch stolz die „Sixtinische Kapelle von Torpignattara“. Tatsächlich erinnern die Allegorien und der realistische Darstellungsstil an die alten Meister der Renaissance.

Nur wenige Minuten entfernt, auf einer Hausmauer am Largo Savorgnan,haben die Bewohner ihren Lokalhelden Ciro Principessa verewigt – einen jungen Einwanderer aus Süditalien, der 1979 von einem Faschisten erstochen wurde, als er ein gestohlenes Buch zurückverlangte. Einmal im Jahr veranstalten sie auf der Piazza ein Fest für ihn. Die weißen Plastikstühle der Bar La Certosa stehen aber immer dort. Und eine Sitzpause mit Getränk kostet nicht mehr als 3 Euro.

Tagesausklang in Pigneto

Die letzte Etappe führt über die Via Galeazzo Alessi ins angrenzende Viertel Pigneto – entlang der Bahnschienen, vorbei an illegal gebauten Häuschen, selbst gebastelt und bunt verziert mit Stuck und Türmchen. Wir überqueren die Via Casilina und erreichen über die Piazza Tolomeo die Fußgängerzone der Via del Pigneto. Hier tobt zu vorgerückter Stunde das Nachtleben, ein Lokal quetscht sich neben das andere. Wahrscheinlich rührt sich jetzt der Appetit aufs Abendessen. Das bekommen wir im Lo Yeti in der Via Perugia 4, etwas außerhalb des Getümmels. Hier sitzt man unter Weinreben, die meisten Gäste kennen sich. Wer nicht genau versteht, was Wirt Maurizio über die Speisekarte erzählt, sollte besser einen Blick auf die Preistafel im Lokal werfen. Seine gemischten Teller mit Büffelmozarella, Ziegenkäse und Bio-Gemüse kosten 10 bis 14 Euro. Mit einem Glas der ausgewählten Weine und Wasser dazu werden 20 Euro gewiss nicht überschritten. Die sind am Ende des Tages problemlos noch drin, ebenso ein Bus- oder U-Bahn-Ticket zurück ins Hotel.

Und alle, die noch auf ihren geplagten Beinen stehen können, finden genug Restgeld in der Tageskasse, um sich ein selbst gemachtes Eis in der Gelateria direkt gegenüber oder einen Drink in einer der zahlreichen Bars im Pigneto leisten zu können.

KASSENBON

Frühstück im Palazzo Caffarelli 3,20 €

Eintritt Circus Maximus 5,00 €

Getränk in der Bar Giò 4,00 €

Mittagessen an der Piazza Re di Roma 8,00 €

U-Bahn/Bus 3,00 €

Getränk in der Bar La Certosa 3,00 €

Abendessen im Lo Yeti 20,00 €

Eis oder Drink 4,00 €

EURO 50,20

Dieser Text ist dem Reiseführer „Mit 50 Euro durch....“ entnommen, der unter anderem auch Tipps für New York, Amsterdam und Bangkok enthält.

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