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Die falsche Zeit für Freizügigkeit

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Von: Stefan Brändle

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Marlène Schiappa (Mitte) während eines Termins im Januar. imago images
Marlène Schiappa (Mitte) während eines Termins im Januar. imago images © imago images

In Frankreich schaukelt sich eine Diskussion über Ministerin Marlène Schiappa hoch, weil sie für den Playboy posiert hat.

Marlène Schiappa ist eine der prominentesten Ministerinnen von Emmanuel Macron – zunächst für die Gleichstellung von Mann und Frau angetreten, ist sie heute als Staatssekretärin für Solidarwirtschaft zuständig. Ihren neusten Medienauftritt hat die 40-Jährige im noch immer recht schillernden Herrenmagazin „Playboy“. Auf der Titelseite prangt die illustre Vertreterin der Macron-Regierung als Inkarnation der französischen Nationalfigur Marianne: Eine Hand auf ihrer linken Brust, den Blick dramatisch gen Himmel gerichtet, präsentiert sie sich mit wehender Mähne und in einem weißen Dress vor der französischen Trikolore.

So weit, so dezent. Aber auch im Blattinnern: keine Nacktfotos der Staatssekretärin, ja nicht einmal ein Seelenstriptease: Madame la ministre äußert sich auf zwölf Seiten zu Feminismus, Gewalt an Frauen und Rechten für die LGBT-Community. Unangesprochen bleibt nur die sehr französische Frage, ob eine authentische Feministin nicht doch mit ihren Reizen geizen darf – zumal in einem Magazin, dem der Ruch des Chauvinismus anhaftet.

Die politische Opposition läuft vor allem Sturm gegen den Zeitpunkt von Schiappas Inszenierung. Linkenchef Jean-Luc Mélenchon schimpft, dem Macron-Lager sei offenbar jedes Mittel recht, von der schweren sozialen Krise im Land abzulenken. Jüngst habe Arbeitsminister Olivier Dussopt – der das explosive Dossier der Rentenreform vertritt – sich ohne Anlass als homosexuell geoutet; der Präsident habe sich zudem im Jugendmagazin „Pif Gadget“ ausgelassen. „Frankreich entgleist“, resümiert Mélenchon erbost.

Auch die grüne Abgeordnete Sandrine Rousseau meinte, Madame Schiappa lasse es in dieser Sozialkrise an „Respekt vor dem französischen Volk“ fehlen. Störend sei nicht, dass eine Frau ihren Körper zeige, sondern dass eine Ministerin den „sozialen Kontext“ ignoriere. Andere Grüne schoben nach, Schiappa verhalte sich „verächtlich und arrogant“.

Auf solche Kommentare schien Schiappa nur gewartet zu haben. Auf Twitter konterte die frühere Autorin anonym publizierter erotischer Romane, sie verteidige „überall und immer das Recht der Frauen, über ihren Körper zu verfügen“. Denn: „In Frankreich sind die Frauen frei, auch wenn das den Rückständigen und Heuchlern nicht gefällt.“

Etwas später reagierte die schlagfertige Ministerin allerdings nicht mehr, als Medienmeldungen kursierten, Premierministerin Elisabeth Borne habe Schiappa am Telefon gescholten, ihr Auftritt sei derzeit „unangemessen“. Dass Borne diese Aussagen publik machte, verstärkt ihre Wirkung – und zeigt, dass die Regierung von dem Playboy-Auftritt nichts gewusste hatte. Pariser Medien spekulieren bereits, dass Schiappa bei der nächsten Regierungsumbildung abgelöst werden könnte.

In sozialen Medien kursierten anzügliche Bemerkungen und sexuelle Beleidigungen. Das könnte auch eine Art Trotzreaktion sein auf ein Gesetz von 2018, das sexuelle Belästigung in Frankreich unter Strafe stellt. Initiatorin des Erlasses: eine gewisse Marlène Schiappa.

Das Cover des Magazins geistert durch die sozialen Netzwerke. playboy.fr/twitter.com
Das Cover des Magazins geistert durch die sozialen Netzwerke. playboy.fr/twitter.com © playboy.fr/twitter.com

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