Bessere Prävention soll Tausende Krebstote verhindern

Bessere Prävention könnte mindestens die Hälfte der Krebstodesfälle verhindern. Forschung in diesem Bereich müsse attraktiver werden.
Heidelberg - Jedes Jahr sterben weltweit fast zehn Millionen Menschen an Krebs. Laut einer 2018 im Fachmagazin „Science“ veröffentlichten Studie aus den USA wären 50 bis 75 Prozent dieser Todesfälle durch eine verbesserte Primärprävention und Früherkennung vermeidbar. Sehr früh erkannt, ließe sich Krebs in mehr als 90 Prozent der Fälle „mit den Methoden, die wir haben“, heilen, sagt Michael Baumann vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Er betont aber auch die Wichtigkeit einer gezielten Früherkennung für jene Menschen, die ein erhöhtes Risiko haben. Denn es gibt neben vielen Vorteilen eben auch Nachteile, zum Beispiel das potenzielle Risiko, durch falsch-positive Befunde oder Überdiagnostik eigentlich Gesunde zu Krebspatient:innen zu machen.
Primärprävention setzt noch weit früher an als die Früherkennung. Es bedeutet, gesundheitsschädigendes Verhalten weitgehend zu vermeiden und somit Krebserkrankungen zu verhindern, bevor sie überhaupt entstehen. Damit, so Baumann, ließe sich das individuelle Krebsrisiko „sofort“ senken. In Deutschland sollen 37,4 Prozent aller Krebserkrankungen auf solche vermeidbaren Risikofaktoren zurückzuführen sein, wie eine im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte Studie von Forschenden des DKFZ ergab.
Rauchen ist größter vermeidbarer Risikofaktor für Krebs
An erster Stelle steht dabei, wenig verwunderlich, das Rauchen. Mit einigem Abstand folgen ungesunde Ernährungsgewohnheiten, Übergewicht, Bewegungsmangel, bestimmte Infektionen – etwa mit dem Magenbakterium Helicobacter pylori oder einigen Arten der humanen Papilloma-Viren, die Genitalwarzen auslösen–, hoher Alkoholkonsum und Umweltfaktoren wie Radon in Innenräumen, Feinstaub oder häufige Solarium-Besuche.
In Deutschland allerdings gebe es „so gut wie keine Präventionsmedizin“, sagt Peter Albers, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Düsseldorf und Leiter der Abteilung Personalisierte Früherkennung des Prostatakarzinoms am DKFZ. Auch Michael Baumann beklagt eine mangelnde Forschung auf diesem Gebiet und dass das Budget dafür nicht nur in Deutschland, sondern weltweit „unzureichend“ sei.
Krebs: Fachleute für Präventionsforschung fehlen
Was Deutschland angehe, so sieht Baumann mit Blick auf Krebs große Fortschritte in der auf Heilung ausgerichteten Medizin – auch dadurch, dass an vielen großen Zentren mehrere Fachrichtungen unter einem Dach zusammenarbeiten und viele dieser Kliniken zudem untereinander vernetzt sind. Das sollte auch bei der Prävention so gehandhabt werden, sagt Baumann. Bislang fehlten solche Einrichtungen aber weitgehend, in Deutschland sei man zu stark auf die „Reparaturmedizin“ fixiert.
So mangele es bei der Prävention auch an Expert:innen, dieser Forschungsbereich sei „für junge Talente als Karriere unattraktiv“. Um diese Situation für Deutschland zu ändern, bauen das Deutsche Krebsforschungszentrum und die Deutsche Krebshilfe, unterstützt auch durch private Fördergelder, derzeit in Heidelberg ein Nationales Krebspräventionszentrum auf. Baumann will dieses künftige Zentrum als „international führende Pioniereinrichtung“ verstanden wissen. Dort soll unter anderem „Spitzenforschung von den Grundlagen bis zur Anwendung“ betrieben werden. Ein weiteres Ziel ist es, über regionale Partnerschaften eine „evidenzbasierte und zunehmend personalisierte Krebsprävention“ deutschlandweit zu etablieren. (Pamela Dörhöfer)