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Vierte Corona-Welle: Wo sich Menschen infiziert haben

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Von: Tim Vincent Dicke

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Fachleute warnen vor der vierten Corona-Welle im Herbst. Wo haben sich die Menschen im letzten Jahr angesteckt? Eine neue Studie bringt Licht ins Dunkel.

Berlin/Paris – „Die vierte Welle hat begonnen“, heißt es in einem Papier, das Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), bei einer Konferenz mit den Chef:innen der Länder-Staatskanzleien vorlegte. Auch viele weitere Fachleute gehen davon aus, dass die Corona-Fallzahlen gen Herbst deutlich ansteigen werden. Doch wo stecken sich die Menschen überhaupt an? Ein Blick auf die Herbstmonate vergangenes Jahr lohnt sich.

Im Oktober 2020 traf die zweite Corona-Welle die Bundesrepublik mit voller Wucht. Während am ersten Tag des Monats nur knapp 2500 Infektionen und einige niedrige zweistellige Totenzahl gemeldet wurden, explodierten die Fallzahlen in den kommenden Wochen. Ende Oktober gab es knapp 15.000 Neuinfektionen pro Tag.

Wo stecken sich die Menschen mit Corona an? RKI-Daten geben wenig Aufschluss

Die Todeszahlen zogen ebenfalls stark an, jedoch mit Verzögerung. Im Januar 2021 starben regelmäßig mehr als 1000 Menschen pro Tag. Deutschland, das bis dato vergleichsweise glimpflich durch die Corona-Pandemie gekommen war, zeigte sich geschockt.

Für die Gesundheitsbehörden ist es schwer herauszufinden, wo sich Infizierte mit dem Coronavirus ansteckten. Das RKI kann daher nur Daten veröffentlichen, die kaum Aussagekraft haben. Für die Kalenderwoche 28 (12.07.2021 bis 18.07.2021) weist das Institut 7647 Fälle dem Punkt „Nicht in Ausbruch erfasst“ zu – die größte Kategorie.

Mit großem Abstand folgen Infektionen in privaten Haushalten. Dort registrierte das RKI in der Woche 529 Infektionsfälle. Andere Ansteckungsorte wirken dagegen stark unterrepräsentiert. So geben die offiziellen Zahlen her, dass sich gerade einmal 49 Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Coronavirus infizierten. Für Mitarbeiter:innen in den Gesundheitsbehörden gestaltet sich die Nachverfolgung sehr schwer. Im Familien- oder Freundeskreis ist es schließlich einfach zu erfahren, ob jemand infiziert ist oder nicht. Ob allerdings eine infizierte Person im Bus, in der S-Bahn oder Tram sitzt, ist kaum nachvollziehbar.

Corona-Studie: Diese Menschen hatten im Herbst 2020 ein höheres Risiko, sich zu infizieren

Ein französisches Forschungsteam des Instituts Pasteur und der Sorbonne-Universität in Paris hat sich diesem Problem angenommen. In Kooperation mit den Krankenkassen kontaktierten sie im Herbst zwischen dem 27. Oktober und dem 30. November 2020 alle Menschen, die als Corona-Fälle von den Behörden in Frankreich registriert wurden. Wie die Wissenschaftler:innen im Fachjournal The Lancet berichten, fragten sie, welche Kontakte sie zehn Tage vor Beginn der Krankheit hatten und welchen Aktivitäten sie in dem Zeitraum nachgingen.

Ein Schild mit dem Hinweis „Am Tresen bitte Maske aufsetzen“ ist in einer Bar in Berlin-Mitte zu lesen.
Ein Schild mit dem Hinweis „Am Tresen bitte Maske aufsetzen“: Das RKI kann kaum darüber Auskunft geben, wo Corona-Infektionen stattfinden. © Kay Nietfeld/dpa

Von rund 694.000 kontaktierten Menschen gaben 42.871 Menschen Auskunft, die für die Studie relevant waren. Das Ergebnis: Menschen, die in einem Haushalt mit mehreren Menschen leben, hatten ein größeres Risiko sich mit Corona zu infizieren. Eltern, deren Kinder in die Schule gehen, steckten sich ebenfalls eher mit dem Virus an – mit Ausnahme der Grundschule. Dasselbe gilt für Kinder, die eine Kita besuchen. Auch bei ihnen und ihren Eltern stieg das Risiko, an Covid-19 zu erkranken.

An welchen Orten das Corona-Infektionsrisiko im vergangenen Herbst hoch war

Außerdem stellten die Fachleute fest, dass private Treffen, der Besuch von Bars und Restaurants sowie die Ausübung von Sport in Hallen oder Fitnessstudios die Verbreitung des Coronavirus bei den Befragten begünstigten. „Wir fanden keinen Anstieg des Risikos in Verbindung mit dem Besuch von Geschäften, kulturellen oder religiösen Versammlungen oder in Verbindung mit Verkehrsmitteln, außer bei Fahrgemeinschaften“, so das Team im Lancet-Magazin.

Die Forschenden weisen darauf hin, dass die französische Regierung in dem Untersuchungszeitraum strikte Corona-Regeln verhängt hatte. Für die weniger betroffenen Bereiche wollen sie deshalb keine Entwarnung geben. „Ergebnisse in Bezug auf religiöse Versammlungen, kulturelle Versammlungen oder Universitätskurse sollten aufgrund der geringen Anzahl von Personen, die diese Orte während des Untersuchungszeitraums besuchten, mit Vorsicht betrachtet werden“, mahnte das Team an. (Tim Vincent Dicke)

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