Angst vor Lukaschenko auch im Ausland: „Im Moment kann sich niemand sicher fühlen“

Obwohl sich die belarussische Oppositionsführerin und Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja im Ausland befindet, fürchtet sie Machthaber Alexander Lukaschenko. Doch sie gibt den Kampf nicht auf.
Minsk – Ungefähr ein Jahr ist es nun her, als die massiven Ausschreitungen in Belarus begannen. Auslöser war die Präsidentschaftswahl im August 2020, bei der Alexander Lukaschenko gewann. Da die Wahl bis heute als gefälscht eingestuft wird, zogen zahlreiche Menschen auf die Straßen, um gegen den umstrittenen Machthaber zu demonstrieren. Die Oppositionsführerin und Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja, die bei der Wahl anstelle ihres inhaftierten Ehemanns Sergej Tichanowski antrat und als Hoffnungsträgerin galt, floh nach der gescheiterten Wahl in das EU-Land Litauen – wo sie sich dennoch nicht sicher fühlt.
Die autoritären Behörden unter Lukaschenko seien unter vielen Belaruss:innen gefürchtet. Allein die Teilnahme an Demonstrationen kann ausreichen, um verhaftet zu werden. „Im Moment kann sich niemand sicher fühlen, auch ich nicht“, äußerte Tichanowskaja gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Denn selbst diejenigen, die sich nicht in Belarus aufhalten, müssen in der Sorge leben, Lukaschenkos Regierung zum Opfer zu Fallen. So wurde etwa der Exil-Belarusse Witali Schischow in der Ukraine tot aufgefunden.
Belarus: Jede Äußerung gegen Lukaschenko kann Folgen haben
„Ich weiß nicht, wie lang der Arm des Regimes reicht.“, so Tichanowskaja. Der große Einfluss Lukaschenkos außerhalb von Belarus wurde auch bei den diesjährigen olympischen Spielen 2021 in Tokio deutlich. Nach eigenen Angaben sollte die Leichtathletin Kristina Timanowskaja aufgrund ihrer kritischen Äußerungen über belarussischen Sportfunktionäre von den Olympischen Spielen entführt werden. „Jede falsche Bewegung oder offene Äußerung – auch wenn sie nicht politisch ist – kann zu einer Festnahme und einer Gefängnisstrafe führen“, warnt Tichanowskaja. Dennoch wolle sie weiterkämpfen, um die Demokratiebewegung in Belarus voranzutreiben.
Für den Aufbau diplomatischer Beziehungen traf sich die 38-Jährige etwa mit US-Präsident Joe Biden. Sie betonte, wie wichtig Sanktionen anderer Länder gegenüber Belarus seien. „Wir glauben, dass wirtschaftlicher und politischer Druck dazu beitragen kann, dass das Regime sein Verhalten ändert und es zwingt, einen Dialog mit den Belarussen aufzunehmen, politische Gefangene freizulassen und sich an den Verhandlungstisch zu setzen“, so die Bürgerrechtlerin.
Belarus: Europäische Union kündigt weitere Sanktionen gegen Lukaschenko an
Die EU, USA, Kanada und Großbritannien beschlossen bereits Strafmaßnahmen – laut Tichanowskaja seien diese aber noch lückenhaft. Denn Demonstrationen vor Ort allein reichen nicht aus. Selbst friedliche Massenproteste schlug Lukaschenko teils brutal nieder: Es gab Tausende Festnahmen, Hunderte Verletzte und mehrere Tote. Die Europäische Union kündigte zum Jahrestag der Wahl bereits weitere Sanktionen an.
„Die EU ist bereit, angesichts der eklatanten Missachtung internationaler Verpflichtungen durch das Regime weitere Maßnahmen in Erwägung zu ziehen“, erklärte ihr Außenbeauftragter Josep Borrell am Samstag (07.08.2021). An der EU-Grenze Litauens zu Belarus wurden zahlreiche illegale Grenzübertritte registriert – im Juli allein 2.000. Lukaschenko hatte gedroht, als Reaktion auf die EU-Sanktionen Menschen aus Ländern wie dem Irak, Afghanistan oder Syrien passieren zu lassen. Neben weiteren Sanktionen verlangte die EU von Lukaschenko die Freilassung von 600 Gefangenen. (tt)