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Medikamenten-Mangel für Kinder spitzt sich weiter zu: Erstes Bundesland reagiert mit Alleingang

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Von: Stella Henrich

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Für Kinder- und Jugendärzt:innen ist das Maß voll: Sie warnen vor dem zunehmenden Mangel an Medikamenten. Bayern nimmt das Zepter jetzt selbst in die Hand.

Frankfurt am Main – Kinderärzt:innen haben sich wegen des zunehmenden Mangels an Medikamenten für Kindern in einem offenen Brief an die Gesundheitsminister in Deutschland und anderen Ländern gewandt. Sie sehen die Gesundheit der Sprösslinge aufgrund der Engpässe „europaweit gefährdet“. Die Ärzt:innen fordern die Politik dringend auf, „eine ausreichende Produktion und Bevorratung wichtiger Arzneimittel“ für Kinder sicherzustellen. Sonst drohten ab Herbst neue Engpässe.

Medikamenten-Mangel: Kinderärzt:innen warnen vor fehlenden Fieber- und Schmerzmedikamenten

So warnte der Verbandspräsident der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, jetzt in der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ), es fehle an Fieber- und Schmerzmedikamenten in kindgerechter Darreichungsform. Auch Penicillin gebe es derzeit nicht. Fischbach zählt zu den Mitunterzeichner:innen des offenen Briefs der Kinderärzt:innen von Deutschland, Frankreich, Südtirol, Österreich und der Schweiz an die Gesundheitsminister der Länder. 

Fischbach und seine Kolleg:innen fordern eine schnelle, zuverlässige und dauerhafte Lösung. Denn die Engpässe der vergangenen Monate führten dazu, dass weder kindgerechte noch an Therapierichtlinien ausgerichtete Behandlungen möglich seien, so der Präsident in der NOZ.

Medikamenten-Mangel: Hilferuf der Kinderärzt:innen richtet sich auch an Gesundheitsminister Karl Lauterbach

Den Brief hat auch der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erhalten. Auch der Minister steht nach Ansicht der Kinderärzt:innen in der Verantwortung, dass ausreichend Medikamente bevorratet und produziert werden und die Grundversorgung wichtiger Arzneimittel in Europa sichergestellt ist. „Noch vor wenigen Jahren war dieses Szenario eines Versorgungsmangels in unseren Ländern nicht einmal ansatzweise vorstellbar“, zitiert die NOZ aus dem Brandbrief. Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen werde dadurch nachhaltig gefährdet.

Bild zeigt Jungen im Bett liegend mit einem Fieberthermometer im Vordergrund.
Kinderärzte schlagen Alarm: Fieber- und Hustensäfte werden knapp. Bereits im Herbst droht ein Engpass. (Symbolbild) © Kasper Ravlo/imago

Das Bundesland Bayern hat aufgrund derzeitiger Lieferengpässe bei Antibiotika-Säften für Kinder mit der Einfuhr von in Deutschland nicht zugelassenen, aber „geeigneten Arzneimitteln“ reagiert. Die Staatsregierung erteilte jetzt die Genehmigung. So könnten Pharmagroßhändler, Pharmafirmen und Apotheken unbürokratisch handeln, berichtet Merkur.de von IPPEN.MEDIA.

Medikamenten-Mangel für Kinder: Karl Lauterbach meldet sich bei Twitter zu Wort

Karl Lauterbach ist das Problem seit geraumer Zeit bekannt. Schon länger fehlen Medikamente beispielsweise für Krebspatienten oder Husten- und Fiebersäften für Kinder aufgrund von Lieferengpässen. Der Minister kündigte bereits im Dezember ein Gesetz („Lieferengpass-Gesetz“) an, um die unzureichende Versorgung mit Medikamenten in den Griff zu bekommen. Doch inzwischen dürfte auch dem Minister klar sein, dass es sich um einen Versorgungsengpass bei vielen nicht lieferbaren Medikamenten handelt.

Offizieller Versorgungsmangel

Der Versorgungsmangel mit Antibiotikasäften für Kinder in Deutschland ist seit kurzem sogar offiziell: Das Gesundheitsministerium hatte im Bundesanzeiger, der amtlichen Verkündungsplattform der Bundesrepublik, bekannt gemacht, dass derzeit ein solcher Versorgungsmangel besteht. Das heißt, bestimmte Wirkstoffe sind zurzeit nicht lieferbar. Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 25. April 2023

Bayern nimmt das Zepter daher selbst in die Hand und bittet die Krankenkassen, Apotheker:innen die eigene Herstellung von Antibiotika zu erleichtern und ihnen vorerst keine Zuschläge sowie Erstattungen zu verweigern. Zudem solle bei in Apotheken hergestellten Antibiotika-Säften nicht erneut die Ausstellung eines Rezepts verlangt werden, wenn das Standardprodukt nicht verfügbar sei, zitiert der Sender N-TV den bayerischen Gesundheitsminister. Holetschek versucht damit die Versorgung mit Medikamenten kurzfristig und unbürokratisch stabilisieren.

Karl Lauterbach nutzt derweil den Kurznachrichtendienst Twitter als außerparlamentarische Plattform. „Die Reaktion von ⁦@klausholetschek in Bayern ist richtig. Genau für solche unbürokratischen Aktionen der Länder gegen Antibiotika Lieferengpässe haben wir die Voraussetzungen jetzt geschaffen. Sie sollten genutzt werden.“ Das Gesetz muss allerdings im Bundestag noch beschlossen werden.

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