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Zeuge: Entgleister ICE ignorierte Notbremse

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Von: Michael Bayer

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Bahnarbeiter trennten den verunglückten ICE und hoben ihn wieder auf die Schienen.
Bahnarbeiter trennten den verunglückten ICE und hoben ihn wieder auf die Schienen. © dpa

Der in Basel verunglückte ICE fuhr auf einer Strecke von 800 Metern verteilt auf zwei Gleisen. Inzwischen fahren die Züge wieder regulär.

Update vom 22.09.2019: Einige Monate sind vergangen, seit der ICE in Basel entgleist ist. Nun rekonstruiert ein Schweizer Bericht sekundengenau, was sich zutrug. Und prangert Sicherheitsdefizite an.

Erstmeldung: Der am Sonntag (17.2.2019) in Basel entgleiste ICE der Deutschen Bahn rollte möglicherweise auf eine Tunnelwand zu, obwohl die Notbremse gezogen wurde. Das berichtete ein Fahrgast im betroffenen ICE 373 der Schweizer Zeitung "Blick". 

Ein Mitfahrer habe die Notbremse betätigt - aber "der Zug hielt nicht an", wird der 19-Jährige zitiert. Es habe 20 bis 30 Sekunden gedauert, bis der durchgeschüttelte Zug stand. "Es schien, als habe es der Lokführer erst gar nicht bemerkt."

Die Angaben decken sich mit Hinweisen, dass der ICE auf einer Strecke von beachtlichen 800 Metern verteilt auf zwei Gleisen rollte: der vordere Triebkopf und die vorderen Räder des ersten Wagens für Reisende auf dem rechten Gleis, die hinteren Räder des ersten Wagens und der restliche Zug auf den Schienen links. 

Durchwühlter Schotter zeugt von der Unfallstrecke

Zum einen sind die 800 Meter der Abstand zu einer verdächtigen Weiche, an der sich der ICE auf die zwei parallelen Gleise aufgeteilt haben könnte. Zum anderen berichten Augenzeugen im Bahnforum „Drehscheibe Online“ von durchwühltem Schotter auf dieser Strecke. 

Technisch könnte die Weiterfahrt trotz Notbremse durchaus möglich sein. Denn in Schnellzügen ist eine sogenannte Notbremsüberbrückung eingebaut. Sie bewirkt, dass der Triebfahrzeugführer den automatischen Bremsvorgang abbrechen kann, was allerdings nur an ausgeschilderten Stellen erlaubt ist. Sinn ist zu verhindern, dass die Züge dort zum stehen kommen, wo Rettungskräfte nur schwierig arbeiten können – etwa in Tunnels.

ICE wäre fast auf eine Betonwand gerollt

Der ICE 373 war am Sonntagabend auf dem Weg von Berlin-Ostbahnhof nach Interlaken Ost kurz hinter der Grenze bei Basel entgleist. Von den Reisenden wurde niemand verletzt. Doch möglicherweise wären die Folgen um ein Haar gravierender gewesen.  

Das ergibt sich aus den vorliegenden Fotografien der Unglücksstelle. Sie zeigen, dass der vordere Triebkopf unter einer Brücke oder im Eingangsbereich eines Tunnels zum Stehen kam. Links und rechts des Gleises befinden sich Betonwände. 

Der Triebwagen des ICE 373 steht zwischen Betonwänden.
Der Triebkopf des ICE 373 steht zwischen Betonwänden. © dpa

Ein weiteres Bild zeigt den ersten Wagen für Reisende des Schnellzugs. Er rollte offenbar quer über zwei parallel liegende Gleise: die vorderen Räder auf den Schienen rechts, die hinteren auf den Gleisen links.

Der entgleiste erste Wagen für Reisende.
Der entgleiste erste Wagen für Reisende. © dpa

Zum Stehen kam der Schnellzug wenige Meter vor einem Tunnel oder einer Unterführung mit einer Betonwand zwischen beiden Gleisen. Wäre der ICE nur etwas weitergefahren, wäre er darauf gestoßen. Der vordere Triebkopf fuhr schon in den Tunnel ein. Hier ist die Situation auf einen Blick zu sehen. 

Der ICE kommt kurz vor der Betonwand zum Stehen.
Der ICE kommt kurz vor der Betonwand zum Stehen. © dpa

Offizielle Angaben zur Unfallursache liegen noch nicht vor. Denkbar wäre, dass eine Weiche umgestellt wurde, während der erste Passagierwagen über sie rollte. Die Deutsche Bahn teilte lediglich mit, der Triebkopf und ein Waggon seien bei der Zufahrt zum Bahnhof SBB aus den Schienen gesprungen. 

Über die Zahl der Reisenden im Zug gibt es keine übereinstimmenden Angaben; sie schwanken zwischen 200 und 240 Frauen und Männer. Der ICE sei am späten Sonntagabend evakuiert worden, sagte ein Bahnsprecher.  

ICE-Unfall im Deutsch-schweizerischen Grenzgebiet bei Basel

Auch die Schweizer Bahn SBB machte zur Unglücksursache keine Angaben. Dafür sei die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) zuständig. Die Unfallermittler gaben den Unglücksort am Montagmittag frei. Der entgleiste Zug wurde getrennt und zur deutschen Station Badischer Bahnhof zurückgezogen. 

Das Unglück ereignete sich unmittelbar im Grenzgebiet südlich des Rheins. "Es ist ein Fall von Schweizer Boden, aber im Unterhalt der Deutschen Bahn", sagte der SBB-Sprecher. Der Zug sei auf Schweizer Boden zum Stehen gekommen, "aber die Entgleisung nahm ihren Anfang auf den Netz der DB". Die DB sei dort für die Sicherheitstechnik zuständig. 

Nach ICE-Unfall bei Basel: Strecke wieder frei

Von Mittwoch an sollen beide Gleise wieder befahrbar sein und der Verkehr wie gewohnt laufen, teilte die Deutsche Bahn mitteilte. Zunächst hatte es geheißen, dass dies erst ab Donnerstag wieder der Fall sei.

Bis Dienstagabend mussten Reisende auf die Straßenbahn oder den Bus umsteigen. Das betraf etwa Passagiere, die von Deutschland über Basel in Richtung Zürich oder Bern fahren wollten. 

Schäden am Zug.
Schäden am Zug. © dpa

ICE-Unfall in Basel bereits im November 2017

Bereits im November 2017 war ein ICE in Basel entgleist - allerdings an dem anderen der beiden großen Bahnhöfe der Stadt. Damals waren mehrere Waggons des Zugs aus Hamburg entgleist. 500 Passagiere waren in dem Zug, niemand wurde verletzt. 

Basel hat zwei Fernbahnhöfe: Der Badische Bahnhof wird von der Deutschen Bahn betrieben, der Bahnhof Basel SBB von den Schweizer Bundesbahnen. (mit Agenturen)

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