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Ein Meister ihres Faches: die Nachtigall. Imago Images
Ein Meister ihres Faches: die Nachtigall. Imago Images © W. Buchhorn/F. Hecker/Imago

Jetzt zur Brutzeit nimmt das Vogelgezwitscher hörbar zu. Auch die Wissenschaft interessiert sich dafür, was die Tiere so trällern.

Die Brutsaison hat begonnen und mit ihr das Gezwitscher der Vögel. Was in unseren Ohren wie Musik klingt machen die Tiere nicht um uns zu erfreuen, wie man früher einmal angenommen hat, sondern sie verfolgen konkrete Ziele. „Die Hypothese lautet: Je komplexer und anhaltender ein Vogelmännchen singt, desto attraktiver sollte es für die Weibchen sein. Denn diese wählen den Partner aufgrund von Gesängen oder Balzverhalten“, sagt der Biologe Michael Wink, Seniorprofessor an der Universität Heidelberg. „Eine zweite Hypothese lautet: Die Weibchen suchen möglichst fitte Partner mit guten Genen.“ Singe ein Männchen raffiniert und lange, signalisiere dies dessen Fitness. „Kranke oder schwache Männchen schaffen es gerade mal, ihre Nahrung zu suchen aber nicht so lange zu balzen oder zu singen.“

Mit anderen Worten: Wer es sich leisten kann, lange und aufwändig zu singen, braucht sich wohl keine Sorgen um Ernährung und Gesundheit zu machen. Entsprechend ist ein solcher Sänger eine gute Partie und lässt ein Vogeldamenherz höher schlagen.

Von den rund 10 000 bekannten Vogelarten zählt etwa jede Zweite zu den Singvögeln. Ihre Performance ist sehr unterschiedlich: Während der Haussperling mit seinem „Tschilp“ ein eher wenig begabter Sänger ist, so ist die Sangeskunst einer Lerche oder einer Nachtigall geradezu sprichwörtlich geworden. Nicht umsonst heißt es, wer „einer Nachtigall das Singen lehren“ will, wolle einen Meister seines Fachs belehren. Besser als die Nachtigall kann es der Sumpfrohrsänger, sagt Wink: Dieser habe „die Eigenschaft, fremde Rufe und Gesänge zu kopieren. Was immer sie in Europa am Brutplatz oder in Afrika im Winterquartier hören, können sie nachahmen. Das kann die Nachtigall in dieser Form nicht.“

Die Wissenschaft interessiert sich aktuell dafür, wie die Lautäußerungen der Vögel im Detail aufgebaut sind. Forschende unterscheiden dabei den Gesang der Vögel von deren Ruf. Nicht jeder Laut ist ein Gesang, der den Vogeldamen gilt oder das Revier abgrenzt. Vielmehr können Vögel Rufe absetzen, um etwa im Flug Kontakt mit Schwarmmitgliedern zu halten oder um zu warnen.

Thomas Flower von der britischen Universität Cambridge hat in der afrikanischen Kalahari-Wüste sogar beobachtet, wie Trauerdrongos Alarmrufe von Erdmännchen nachahmten, um an deren Beute zu kommen, während sich die Erdmännchen aufgrund des falschen Alarms in ihre Behausungen zurückzogen.

Silben und Konsonanten

Anders ist der Vogelgesang: In unseren Breitengraden sind es meist männliche Tiere, die zur Brutzeit singen, um weibliche Vögel von sich zu überzeugen oder um ihr Revier kenntlich zu machen. Wer ein gutes Gehör hat, kann einen Vogel am Gesang erkennen, denn sie sind artspezifisch. Manche bauen ihre Lieder strophenartig auf und verwenden unterschiedliche Silben, die wiederholt oder abgeändert werden können. Der Gesang lässt sich in Länge, Geschwindigkeit, Tonhöhe, Stärke und Timbre unterscheiden. „Für die Produktion komplexer Gesänge werden auch besonders gut ausgebildete Hirnbereiche benötigt“, sagt Herbert Hoi vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien. „So lässt ein besonders komplexes Lied auf die Qualität des Sängers schließen.“

Einige Tiere können viele unterschiedliche Silben hervorbringen. „Sumpf- und Teichrohrsänger haben sehr komplexe Gesänge und das geht sicher weit über 1150 Silben hinaus“, sagt Hoi – andere könnten es sogar noch besser. „Es hat sich noch keiner wirklich die Mühe gemacht, da genau nachzuzählen.“

Ein Vogel, der etwas Besonderes kann, ist der Flageolettzaunkönig. Er singt in sogenannten perfekten Konsonanzen. „Der Punkt ist die Verwendung von musikalischen Intervallen von aufeinanderfolgenden Tönen. Der Flageolettzaunkönig benutzt jene Intervalle, die auch in der westlichen Musik benutzt werden, um Tonarten und Harmonien zu definieren“, sagt Henrik Brumm vom Max-Planck-Institut für Biologische Intelligenz in Seewiesen. „Amsel und Rotkehlchen beispielsweise tun das nicht und produzieren häufig auch gar keine klar definierten Töne, sondern stark frequenzmodulierte Laute.“ Soll heißen: Das kleine Vögelchen singt in Intervallen, die auch menschliche Komponisten für ihre Werke benutzen. „Bisher ist der Flageolettzaunkönig tatsächlich das einzige Tier, von dem wir wissen, dass es vorzugsweise perfekte Konsonanzen singt“, sagt Brumm.

Jedoch nützt der beste Gesang wenig, wenn er nicht gehört wird. Würden alle Vögel durcheinander zwitschern, könnte kein Vogel einen Partner finden. Daher greifen die Tiere zu einem simplen Trick: sie singen nacheinander. Jede Spezies hat ihre artspezifische Zeit. Die Tageshelligkeit gibt den Takt vor. So macht die Nachtigall ihrem Namen alle Ehre und singt nachts. Der Gartenrotschwanz beginnt 90 Minuten vor Sonnenaufgang, die Amsel 60 Minuten davor. Tagsüber ist es in der Regel leiser und gegen Abend wird der Vogelchor wieder intensiver.

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