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Rassistischer Angriff in Brandenburg: Jetzt ermittelt der Staatsschutz

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Von: Teresa Toth

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In einem Ferienlager in Brandenburg werden Schülerinnen und Schüler von Jugendlichen rassistisch angegriffen. Die Situation war so bedrohlich, dass die Klasse überstürzt abreiste.

Update vom 11. Mai, 11.15 Uhr: Zu dem rassistischen Vorfall, der sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag (6. auf 7. Mai) in Heidesee in Brandenburg ereignete, ermittelt noch die Polizei. Die Schüler:innen, die an dem Mathematik-Camp am Frauensee teilnahmen und bedroht wurden, werden in dieser Woche befragt. Der Staatsschutz ermittelt aufgrund des Vorwurfs der Volksverhetzung und Bedrohung.

Der parteilose Bürgermeister der Gemeinde Heidesee Björn Langner, sagte dem Focus, dass es bislang noch zu keinen ähnlichen Vorfällen kam. Wenn Muslimas mit Kopftüchern in den Supermarkt gehen, würde niemand etwas sagen, erklärte der Bürgermeister. Er wehrte sich gegen den Verdacht, dass es möglicherweise verfestigte rechtsextremistische Strukturen gäbe. „Das ist noch nicht bewiesen. Wir hoffen, dass die Ermittlungen schnell abgeschlossen werden“, sagte Langner weiter. Wie Focus berichtete, hatte der Bürgermeister für das Thema nicht viel Zeit, da dieser zu einer Goldenen Hochzeit musste. „Das ist jetzt erst mal wichtiger“, wird der Bürgermeister zitiert.

Nun äußerte sich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu dem rechtsextremen Vorfall und fordert Konsequenzen. „Wieso überfallen gewaltbereite Vermummte friedliche Schüler und Schülerinnen?“, sagte er in dem Nachrichtenmagazin Stern. Nur wenige Tage vor dem rassistischen Vorfall wurde ein offener Brief veröffentlicht. Darin baten Lehrkräfte aus einer Schule in Bug um Hilfe. Sie beklagten, sie seien täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert. Zudem erlebten sie eine „Mauer des Schweigens“. Lehrkräfte und Schüler, die offen gegen rechtsorientierte Schüler- und Elternhäuser agierten, fürchteten um ihre Sicherheit.

Rassistischer Angriff in Brandenburg: So bedrohlich war die Lage für die Schulklasse

Erstmeldung vom 9. Mai: Heidesee – In einem Ferienlager in Heidesee (Brandenburg) sind mehrere Schüler:innen Opfer eines rassistischen Angriffs geworden. Sie waren gemeinsam mit ihrer Schulklasse aus Berlin für ein Mathematikcamp an den brandenburgischen Frauensee gereist, wo sie in der Nacht zum Sonntag (7. Mai) von einer Gruppe Jugendlicher beleidigt und bedroht wurden. Vergangene Angriffe zeigen, dass rechtsextreme Übergriffe häufig nicht in die Öffentlichkeit gelangen – in diesem Fall bestätigte der Staatsschutz jedoch, die Ermittlungen aufgenommen zu haben. Wie bedrohlich die Situation für die Schüler:innen und Lehrkräfte gewesen sein muss, zeigen erste Zeugenvernehmungen.

Rassistischer Angriff in Ferienlager (Brandenburg): Anfeindungen bereits am frühen Abend

Demnach seien gegen Mitternacht mindestens 28 „teils alkoholisierte“ Jugendliche „mit vermummten Gesichtern“ vor dem Schlafhaus der 30-köpfigen Schulklasse aufgetaucht, teilte der Berliner Bildungssenat mit. Die Lehrer hätten sich „wirklich bedroht“ gefühlt. Zuvor hatten die Täter in dem Ferienlager in Heidesee einen 18. Geburtstag gefeiert, für den 20 Übernachtungs- und weitere 60 Tagesgäste angemeldet waren. Gebucht hatte eine Mutter aus einem Nachbarort.

Bereits am frühen Abend habe es kleinere Anfeindungen der Gruppe gegenüber den Berliner Schüler:innen der 10. Klasse gegeben, bis die Feiernden nachts schließlich „laut gegen Türen und Fenster schlugen, sie offenbar mit diversen klar fremdenfeindlichen Parolen beschimpften und den Schülern angedrohten, sie zu verprügeln“, wie ein Pressesprecher der Polizei gegenüber anderen Medien berichtet. „Man kann sich vorstellen, wie das auf die Schüler gewirkt haben muss, nachdem sie schon vorher von den Feiernden verbal angegangen worden waren“, so der Pressesprecher weiter. Vier oder fünf der Angreifer seien dabei durch eine „besondere Aggressivität“ aufgefallen.

Nach rassistischem Angriff (Brandenburg): Schulklasse verließ Ferienlager in derselben Nacht

Gegen 0.30 Uhr war die Polizei vor Ort und konnte eine körperliche Auseinandersetzung nach eigenen Aussagen verhindern, indem sie die Täter von der Unterkunft der 30 Schüler:innen räumlich trennte. Nach dem rassistischen Angriff habe ein Lehrer die Eltern der Schüler informiert. Die Klasse entschied sich dazu, den Lernausflug am Heidesee (Brandenburg) abzubrechen und fuhr noch in derselben Nacht zurück nach Berlin. Die Polizei habe die Abreise begleitet und sofort mit Vernehmungen begonnen. 

Nach dem rassistischen Angriff in einem Ferienlager in Heidesee (Brandenburg) hat der Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen.
Nach dem rassistischen Angriff in einem Ferienlager in Heidesee (Brandenburg) hat der Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen. © Michael Bahlo/dpa

Rassistischer Angriff in Ferienlager (Brandenburg): „Dürfen wir nicht verharmlosen“

Der Polizeisprecher bestätigte gegenüber Focus, dass der Grund für die Drohungen „ganz klar rassistische und fremdenfeindliche Einstellungen“ waren. So seien einige der Schüler durch Kopfbedeckungen „klar als Muslime zu erkennen gewesen“. Ziel der Beleidigungen sei zudem immer wieder der Migrationshintergrund der Schüler:innen aus Berlin gewesen. Laut dem parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Brandenburger Landtag, Ludwig Scheetz, zeige der Vorfall, „dass wir unseren Fokus aktuell noch viel stärker auf die Aufklärung und Bildungsarbeit bei jungen Menschen setzen müssen“. Es sei wichtig, „rechtsextreme Aktivitäten nicht mehr zu verharmlosen“, erklärte er weiter. Im vergangenen Jahr haben zwei Lehrbeauftragte ein Buch über Rassismus an Schulen veröffentlicht.

Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) stimmte den Forderungen Scheetz‘ zu. „Mit solchen Übergriffen will ich mich und dürfen wir uns nicht abfinden“, betonte sie am Montag (8. Mai). Nun gelte es zunächst, den Schüler:innen die beste Hilfe zu geben. Ein Krisen- und Interventionsteam ihrer Senatsverwaltung sei umgehend verständigt worden. Die Geschäftsführung des Ferienlagers äußerte sich ebenfalls zu dem Vorfall. Demnach unterstütze sie die Ermittlungen zu den Vorfällen „vollumfänglich“ und stehe mit der betroffenen Schule in Kontakt. „Wir verurteilen jegliche Form von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auf das Schärfste“, erklärte die Geschäftsführung weiter. Der Bucherin der Gruppe des 18. Geburtstags wurde demnach ein Hausverbot erteilt. (tt/afp)

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