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Spritze gegen Übergewicht: Neue Therapie soll das Abnehmen unterstützen

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Von: Andreas Beez

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13 Kilo abgenommen: Patient Helmut R. und LMU-Oberärztin PD Dr. Katrin Ritzel zeigen eine Ozempic-Spritze.
Hat 13 Kilo abgenommen: Patient Helmut R. und LMU-Oberärztin PD Dr. Katrin Ritzel zeigen eine Ozempic-Spritze. © Markus Götzfried

Die USA ist das Land von Riesenpizzen, Donuts und Cheeseburgern mit doppelt Käse. Jetzt gibt es dort medizinische Hoffnung für Adipositas-Betroffene.

Mit Ozempic und Wegovy schmelzen überflüssige Kilos wie Butter in der Sonne – ohne Diät, ohne größeres Sportprogramm und offenbar ohne bedeutende Nebenwirkungen. Inzwischen kommen auch in Deutschland immer mehr Übergewichtige auf den Geschmack und bestellen bei ihrem Arzt Semaglutid – so heißt der (verschreibungspflichtige) Wunderwirkstoff, der die Welt verschlanken könnte.

Selbst Wissenschaftler:innen sprechen von einem „Gamechanger“ in der Adipositas-Therapie, wie Meilensteine in der Medizin neudeutsch genannt werden. Aber wie gesund sind die neuen Mittel wirklich – und was passiert, wenn man sie wieder weglässt? Hier erklären Spezialisten die Hintergründe.

Einfach abnehmen: Zu schön, um wahr zu sein? Ein Piks soll gegen Übergewicht helfen

Für übergewichtige Patient:innen klingt es fast zu schön, um wahr zu sein: Endlich Schluss mit Heißhungerattacken, und die Pfunde purzeln ohne Radikaldiät. Dafür muss man sich lediglich einen kleinen Piks in den Bauch setzen – mit einem kugelschreiberartigen Applikator, einmal pro Woche. Das Mittel Ozempic stammt aus der Diabetestherapie und ist nun auch für die Behandlung von starkem Übergewicht zugelassen. „Es enthält Semaglutid. Weitere Präparate aus dieser Wirkstoffgruppe stehen bereits vor der Zulassung. Diese Medikamente sind der Durchbruch bei der Behandlung von stark übergewichtigen Patienten“, berichtet der erfahrene Stoffwechsel-Spezialist des LMU Klinikums und Präsident der Europäischen Gesellschaft für Endokrinologie, Professor Martin Reincke. Als krankhaft übergewichtig – also adipös – gilt man ab einem Body-Mass-Index von 30.

Über die Langzeitwirkung ist noch nichts bekannt

Prof. Martin Reincke

In Deutschland ist derzeit nur Ozempic erhältlich. Zwar ist auch das Semaglutid-Medikament Wegovy bereits von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA zugelassen worden, zumindest für die Behandlung von Adipositas. Doch Wegovy steht derzeit noch auf der Warteliste der Apotheken. Die Pharmafirma hat Lieferengpässe.

Bei der Gewichtskontrolle: Patient Helmut R. und LMU-Oberärztin PD Dr. Katrin Ritzel.
Bei der Gewichtskontrolle: Patient Helmut R. und LMU-Oberärztin PD Dr. Katrin Ritzel. © Markus Götzfried

Spritze soll Abnehmen erleichtern: Patient hat bereits 13 Kilo abgenommen

Das hat auch damit zu tun, dass die Spritze für Übergewichtige in den USA bereits reißenden Absatz findet. Dort sind Ozempic, Wegovy & Co. längst in aller Munde. Promis wie Tesla-Milliardär Elon Musk werben dafür, Hollywood-Stars wie Kim Kardashian schwärmen davon, und in sozialen Netzwerken preisen Influencer (Meinungsmacher) das Medikament als eine Art Türöffner zur Traumfigur an. Allein auf Tiktok sind Hashtags wie #wegovy oder #ozempic inzwischen bereits über 600 Millionen Mal aufgerufen worden.

Auch Wissenschaftler:innen halten mit ihrer Begeisterung nicht hinterm Berg. „Sogenannte GLP-1-Agonisten zügeln den Appetit und vermitteln den Patienten ein Sättigungsgefühl. Dadurch gelingt es ihnen, erheblich abzunehmen. Sie können ihr Körpergewicht um bis zu 20 Prozent reduzieren“, berichtet Reincke. Sein Patient Helmut R. bestätigt den erstaunlichen Effekt von Ozempic: „Bei mir wirkt die Behandlung bislang sehr gut. Ich habe bereits 13 Kilo abgenommen und wiege jetzt noch 92 Kilo“, erzählt der 59-jährige Münchner. „Ich kann andere Patienten nur ermutigen, sich zu der Therapie beraten zu lassen. Es kann ein guter Weg sein, wenn man beim Abnehmen ein bisserl Unterstützung braucht.“

In klinischen Studien kristallisierten sich ähnlich große Effekte heraus. Dabei verloren Übergewichtige, die sich einmal wöchentlich selbst Ozempic spritzten, in etwa eineinhalb Jahren 15 bis 17 Kilogramm. Dies entsprach etwa 16 Prozent ihres früheren Körpergewichts.

Risiken bei Abnehm-Spritze: Erfahrungen mit neuem Medikament noch „relativ begrenzt“

Von solchen Erfolgen konnten auch die Mediziner:innen bis vor wenigen Jahren nur träumen. Damals galten fünf Prozent weniger auf den Rippen als Richtschnur für eine medikamentöse Behandlung. Um stärker abzunehmen, mussten sich Adipositas-Patient:innen oft unters Messer legen. „Durch chirurgische Therapien wie Magenverkleinerungen lässt sich das Gewicht um bis zu 30 Prozent verringern“, weiß Reincke. Allerdings müssen Patient:innen dafür eine OP in Kauf nehmen.

Beim verschreibungspflichtigen Medikament Ozempic scheinen die Risiken nach Experteneinschätzungen überschaubar zu sein – jedenfalls dann, wenn es unter ärztlicher Anleitung eingesetzt wird. „Im Gegensatz zu vielen anderen Medikamenten in der Adipositashistorie ist das ein relativ sicheres Medikament, weil es einfach aufhört zu wirken, wenn man es nicht mehr braucht“, sagte der Münchner Pharmaforscher PD Dr. Timo Müller vom Helmholtz-Zentrum dem TV-Sender MDR. Sein Wissenschafts-Kollege Reincke gibt allerdings zu bedenken: „Auch wenn wir bislang keine gravierenden und irreversiblen Nebenwirkungen beobachtet haben, sind die Erfahrungen noch relativ begrenzt – wie bei jedem neuen Medikament.“

Auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie warnt vor einer unkontrollierten Einnahme – insbesondere von Menschen, die gar kein starkes Übergewicht haben. Neben Übelkeit und Erbrechen könnten Erkrankungen der Gallenblase und der Bauchspeicheldrüse die Folge sein. In Tierversuchen sei zudem ein potenziell erhöhtes Risiko, für bestimmte Arten von Schilddrüsenkrebs entdeckt worden, berichtet die Fachgesellschaft. Auch sei nichts über Langzeitwirkungen bekannt.

Ozempic enthält den Wirkstoff Semaglutid.
Ozempic enthält den Wirkstoff Semaglutid © Joel Saget/AFP

Abnehm-Spritze gegen Adipositas: Neue Medikamente bieten „eine sehr gute Hilfestellung“

Auf der anderen Seite gilt Adipositas als hoher Risikofaktor für die Gesundheit, der unbedingt bekämpft werden sollte. Denn starkes Übergewicht kann im Körper eine Kettenreaktion in Gang setzen und dramatische Folgeerkrankungen wie Gefäßschäden, Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen. „Deshalb ist es auch für Adipositas-Patient:innen ohne Diabetes relevant, ihr Körpergewicht in den Griff zu bekommen. Hier bieten die neuen Medikamente eine sehr gute Hilfestellung“, betont Reincke. Allerdings müssen die erheblichen Kosten in Deutschland von gesetzlich versicherten Patient:innen selber getragen werden.

Und: „Die Fettwegspritze wirkt nur so lange, wie man sie spritzt, was im Prinzip eine lebenslange Therapie bedeuten könnte“, betont Reincke. Deshalb müssen die Patient:innen oft ihre Ernährung umstellen und Sport treiben, um ihr Gewicht langfristig unter Kontrolle zu halten. (Andreas Beez)

Gesund abnehmen ohne Diät

Abnehmen und sein Gewicht halten kann man auch ohne Spritze – einige Tipps:
Clever essen: Das Sättigungsgefühl setzt frühestens 20 Minuten nach der Mahlzeit ein. Deshalb gilt: Wer langsam isst, wird früher satt. Trinken Sie vorm Essen viel Wasser und essen Sie den Beilagensalat bereits vor der Hauptspeise. Dadurch wird der Magen gefüllt, es gelingt leichter, im weiteren Verlauf weniger zu essen.

Hören Sie auf Ihr Sättigungsgefühl: Man sollte öfter mal bewusst hinterfragen, ob man wirklich noch Hunger oder einfach nur Gelüste hat.

Finger weg von Fertiggerichten: Das große Problem an Fertiggerichten ist, dass sie in der Regel viel Fett und viel Zucker beinhalten. Manchmal wird deftigen Gerichten noch extra Zucker zugesetzt. Auch Produkte, die scheinbar aus Gemüsebasis bestehen, sind mit Vorsicht zu genießen. Das Paradebeispiel Ketchup: Neben Tomaten steckt auch jede Menge Zucker drin.

Lieber mehr Gemüse als zu viel Obst: Man sollte mindestens 500 Gramm Gemüse pro Tag essen. Es beinhaltet wichtige Vitamine, Spurenelemente und Ballaststoffe. Dazu kommt, dass es im Vergleich zu Obst nur einen Bruchteil an Zucker enthält. Obst in Maßen ist zwar gesund, aber die Energie, die darin steckt, wird oft unterschätzt.

Weniger Fett verwenden: Wer auf Öl verzichten will, kann beispielsweise einen Garschlauch einsetzen. Und man kann Fleisch oder Fisch auch mit Mineralwasser mit Kohlensäure in der Pfanne anbraten. Die Röstaromen schmeckt man trotzdem.

Achtung, versteckte Zucker- und Fettfallen: Dazu gehören beispielsweise Leberkäse oder Wiener, die sich etwa durch Putenbrust oder Schweinefilet ersetzen lassen. Fürs Frühstück empfiehlt es sich, Müsli selbst zuzubereiten - ohne Cornflakes, stattdessen am besten mit Vollkornprodukten wie Hafer- oder Dinkelflocken, Leinsamen oder Haferkleie. Durchs Selbermachen spart man sich den Zucker, der in Fertigmüslis zugesetzt wird. Als Ausgleich bietet sich etwas frisches Obst an. Ganz böse: Mixgetränke auf Kaffeebasis oder heiße Schokolade.

Abends lieber Eiweiß als Kohlenhydrate: Eiweißprodukte bewirken eine bessere Sättigung als kohlenhydrathaltige Speisen. Empfehlenswert sind beispielsweise Magerquark oder Buttermilch. Einfach und schnell zubereitet ist auch ein leckerer Eiweißshake.

Pure Säfte sind tabu: Ein Liter Apfelsaft hat beispielsweise 520 Kilokalorien – sogar mehr als Cola.

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