15-Minuten-Städte: Was dahinter steckt – und was Verschwörungsgläubige befürchten

15-Minuten-Städte: Die Idee, Städte durch weniger Autofahrten gesünder für alle zu machen, trifft auf Ängste von Verschwörungsgläubigen.
Paris/Barcelona – Immer mehr Menschen leben in Städten, immer weniger auf dem Land: Unter dem Motto der 15-Minuten-Stadt arbeiten Städteplaner weltweit daran, den Lebensraum Stadt für alle gesünder zu machen. Die Grundidee ist einfach: Die Stadtbewohner und Stadtbewohnerinnen sollen sich innerhalb ihrer Stadt weniger bewegen müssen, weil sie alle wichtigen Orte in 15 Minuten erreichen, und damit Klima und Nerven schonen. Das Konzept geht auf den französischen Stadtforscher und Experten für komplexe Systeme, Carlos Moreno, zurück, der dafür bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.
Bereits 16 Städte sollen weltweit an der Umsetzung des Konzepts arbeiten, wie die Deutsche Welle berichtet. In Paris sieht das etwa so aus: Schulhöfe sollen zu Parks umgestaltet werden, damit sie auch nachmittags und am Wochenende als Erholungszentren eines Viertels funktionieren, die Hälfte aller Parkplätze soll für Begegnungsflächen und Radwege genutzt werden. Bis 2030 will die Hauptstadt Frankreichs fahrradfreundlich sein.
In Barcelona setzt man seit 2017 auf so genannte Superblocks: Zu einem bestimmten Stadtgebiet haben nur noch Anwohner und Lieferanten mit dem Auto Zugang. Auf überflüssigen Straßen sitzt man jetzt zusammen, Kinder spielen.
15-Minuten-Städte als Konzept: „Dafür muss nicht alles abgerissen und neu gebaut werden“
„Grünflächen, Sportflächen, Kinos oder Geschäfte sollten eher dorthin kommen, wo die Menschen leben, nicht andersherum“, sagt Benjamin Büttner, Mobilitätsexperte der TU München. Stadtplaner müssten umdenken, um Städte auch für die Zukunft als lebenswerte Räume zu erhalten. Der Deutschen Welle sagt er: „Dafür muss nicht alles abgerissen und neu gebaut werden, sondern bestehender öffentlicher Raum schlicht umgestaltet werden.“ Der Mensch stehe im Zentrum der Stadtplanung, so Büttner.
Grundlage für die Ideen und Konzepte sind erschreckende Tatsachen: In Barcelona etwa sind demnach mehr als die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner überhöhten Grenzwerten von Lärm und Luftverschmutzung ausgesetzt, was zu erhöhten Sterberaten führt. Drastischer gilt das sicher noch für andere Megastädte weltweit. Unverrückbar sind die Maßnahmen laut Büttner nicht: In Barcelona werde etwa sechs Monate getestet, danach verglichen und diskutiert, was sich bewährt hat und umgesetzt werden soll.
15-Minuten-Städte: Nerv von Verschwörungsgläubigen getroffen
Wie der Bayerische Rundfunk berichtet, haben aber auch Verschwörungsgläubige das Thema für sich entdeckt. Auf Anfrage schreibt der Ideengeber, Carlos Moreno, demnach, dass er seit Anfang 2023 beobachtet, wie sein Konzept für Verschwörungsszenarien dient. Auf diversen Kanälen sei zu beobachten, dass sich Menschen an der Idee der 15-Minuten-Stadt rieben und behaupteten, dass Menschen „in Zonen festgehalten und ihrer Freiheitsrechte beraubt werden“ sollen. Auch, weil seine Idee vom Weltwirtschaftsforum (WEF) unterstützt werde, glaubten demnach viele an eine Verschwörung dahinter.
In den Fokus der Verschwörungsgläubigen sei die britische Stadt Oxford geraten. Hier will man ab 2024 für sechs Monate ein Kameraüberwachungssystem testen, dass Fahrverbote für Autos in einigen wenigen Streckenabschnitten der Stadt kontrollieren soll. Die Stadtverwaltung werde dafür online angegriffen. Die Idee habe aber mit der 15 Minuten-Stadt nichts zu tun, so Moreno und die Oxforder Stadtverwaltung. „Bei der 15-Minuten-Stadt geht es nicht darum, die Bürger einzusperren oder einzuschränken, sondern ihnen Zeit zu verschaffen. Es geht nicht darum, Bewegung zu verhindern, sondern darum, jedem die Wahl zu lassen, sich zu bewegen.“ Sein Konzept sei ein Vorschlag für „glückliche Nähe“, nicht für ein Gefängnis. (kat)