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Olaf Scholz im EU-Parlament: Vertane Chance

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Von: Andreas Schwarzkopf

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Zum Thema Krieg in der Ukraine trägt Olaf Scholz Allgemeinplätze vor. (Symbolbild)
Zum Thema Krieg in der Ukraine trägt Olaf Scholz Allgemeinplätze vor. (Symbolbild) © Wojtek Radwanski

Kanzler Scholz trägt im Europäischen Parlament fast emotionslos eine Liste von Aufgaben und Herausforderungen der EU vor, statt mit Verve und Initiativen Themen voranzubringen.

Kanzler Olaf Scholz hat vor dem Europäischen Parlament für seine Verhältnisse eine ambitionierte Rede gehalten und die wesentlichen Ziele und Herausforderungen Deutschlands und der anderen EU-Staaten klar benannt. Doch eine Liste von zu lösenden Aufgaben ist noch keine wegweisende Ansprache.

Auch hat er es versäumt zu sagen wie die einzelnen Ziele erreicht werden sollen und welche wichtiger als andere sind. Vollständig verzichtet hat Scholz auf eine Initiative, mit der er und seine Ampelkoalition zumindest bei einem Thema vorangehen wollen. Überzeugender wäre er gewesen, wenn er seine Rede mit ein wenig mehr Verve vorgetragen hätte und nicht nur teils monoton abgelesen hätte.

So warb er beispielsweise dafür, dass sich Europa der Welt zuwenden sollte, statt als Großmacht neben den USA und China zu positionieren. In diesem Zusammenhang plädierte er dafür, dass die EU weitere Freihandelsabkommen mit verschiedenen Staaten abschließen solle - wohl auch, um sich von der Abhängigkeit von China durch diversifizierte Handelsketten zu lösen.

Indirekt kritisierte er damit den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der für eine EU als globales Machtzentrum warb. Überzeugender wäre es gewesen, er hätte sich vor seinem Auftritt mit Macron auf einen gemeinsamen Weg verständigt und mit einer derartigen Initiative die europäische Debatte vorangetrieben und damit gezeigt, dass es für den Fortschritt Europa eben nötig ist, derartige strittigen Themen zu überwinden.

Ähnliches gilt für den Krieg in der Ukraine, wo er lediglich Allgemeinplätze formulierte. Längst gehört es zum Standard in Reden von europäischen Verantwortlichen, dass die EU das von Russland überfallene Land mit allem unterstützen wird, was nötig ist und dass Europa Kiew lange dabei helfen wird, das Land wieder aufzubauen.

Hilfreich wäre es gewesen, wenn er skizziert hätte, dass es unter bestimmten Bedingungen auch für Russland wieder eine Zusammenarbeit mit der EU nach dem Krieg geben könnte. Es ist nicht naiv, sondern nötig ein solches Fernziel zumindest mal zu formulieren.

Das steht nicht im Widerspruch zur Notwendigkeit, dass Deutschland und die anderen EU-Staaten mehr in ihre eigene Sicherheit investieren müssen, um zum einen unabhängiger von den Sicherheitsgarantien der USA zu werden, sondern eben auch, um sich gegen die russische Bedrohung zu positionieren. Auch hier blieb Scholz einiges schuldig. Denn er erklärte nicht, wie das Ziel erreicht werden soll, dass die europäischen Partner enger kooperieren bei der Rüstung. Nichts sagte er auch dazu, wie die EU-Staaten ihre militärischen Fähigkeiten viel stärker aufeinander abstimmen sollen.

Nebulös blieb Scholz auch bei den innereuropäischen Problemen. Für die forderte er zwar längst überfällige Reformen. Doch er sagte nicht, wie beispielsweise das Prinzip der Einstimmigkeit bei EU-Abstimmungen verändert werden soll gegen den politischen Willen Ungarns und Polens, die von der herrschenden Regel am meisten profitieren.

Und selbstverständlich ist es wünschenswert, wenn sich die EU-Staaten endlich auf eine gemeinsame Flüchtlings- und Migrationspolitik verständigen könnten, um das leidige Problem zu lösen „ohne unsere Werte zu verraten“. Noch besser wäre eine Migrationspolitik, um nötige Arbeitskräfte aus Drittstaaten nach Europa zu locken. Doch auch hier behielt er für sich, wie Deutschland und die anderen EU-Staaten dies erreichen können.

Nein. die Rede von Scholz war weder aufrüttelnd noch begeisternd. Es war eher eine Arbeitsliste ohne Lösungswege und Bekenntnisse. So gesehen hat er eine Chance vertan.

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