Staatsbesuch bei Xi: Macron ist um Ausgleich zwischen EU und China bemüht

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron trifft auf Staatschef Xi Jinping. Er versucht zwischen EU und China einen Ausgleich hinzubekommen. Das ist riskant.
Peking – Den dreitägigen Besuch des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron in China kann man von mindestens zwei Seiten aus betrachten: Hier kommt ein Staatschef, der zu Hause unter enormem innenpolitischen Druck steht und sich mit einer riesigen Wirtschaftsdelegation im Schlepptau vor allem um die ökonomischen Interessen seines Landes kümmert. Oder: Hier kommt ein selbstbewusster Staatschef, der nach dem Abgang der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel von internationaler Bühne eine Leerstelle füllt, die ihr Nachfolger Olaf Scholz bislang reichlich offen lässt - die der europäischen Führung.
Macron in China eingetroffen – Präsident ist um Ausgleich zwischen EU und China bemüht
Beide Sichtweisen dürften berechtigt sein. Aus europäischer Sicht aber interessiert vor allem die zweite Betrachtung. Denn die Reise Macrons fällt in eine Zeit, in der die Spannungen mit dem wiedererwachten Riesen China ständig wachsen. Die globalen, im wirtschaftlichen und politischen Sinne hegemonialen Absichten von Chinas Staatspräsident Xi Jinping stellen die Systemfrage und fordern die alte Nachkriegsordnung nach dem Ende der Sowjetunion heraus - China ist zum Systemsprenger geworden.
Die USA sehen China deshalb nur noch als Rivalen. Das ist verständlich, aber kann nicht der Kampf der Europäer sein. Europa sucht seinen Platz im neuen Kräftemessen, auch wenn klar sein muss, dass die transatlantische Partnerschaft nicht verhandelbar sein darf. Aber auch mit der chinesischen Diktatur, die nach innen immer repressiver geworden ist, braucht es den Ausgleich, eine Art Modus Vivendi vernünftiger Beziehungen. Aus eigenem Interesse und dem Interesse der angegriffenen Ukraine, die darauf hoffen muss, dass China mäßigend auf den Aggressor Russland einwirkt.
Die Macht des Ausgleichs selbst mit einem schwierigen Partner wie China, das ist eine alte gaullistische Formel, die in Frankreichs Selbstverständnis als politische Großmacht anschlussfähig ist. Aber die Zeiten sind komplexer, seit Russland die Ukraine angegriffen hat - und China sich weigert, den Aggressor in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu kritisieren.
Macron und von der Leyen in Peking – Signal an China?
Es ist denkbar, dass sich der sendungsbewusste Macron auch deshalb EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen an die Seite geholt hat, um das doppelte Signal zu senden: Frankreich, respektive Europa, ist an guten Beziehungen zu China interessiert, aber bleibt kritisch, was die Rolle Chinas im Ukraine-Konflikt und der dortigen prekären Menschenrechtslage angeht. Von der Leyen hatte dazu in ihrer Grundsatzrede vor einigen Tagen das Nötige gesagt. Fast wirkt das Duo wie eine Good-cop-bad-cop-Delegation mit zwei komplementären Botschaften.
Dass Frankreich dabei federführend ist, kommt nicht von ungefähr: Das Land hat früh diplomatische Beziehungen mit dem kommunistischen China aufgenommen. Daran wird aktuell auch in den chinesischen Staatsmedien gerne erinnert, wobei solche historischen Reminiszenzen immer problematisch sind, weil sie es den westlichen Partnern erschweren, auf gebotenem Abstand zu bleiben. Der aber ist nötig, solange China Russland unterstützt, womöglich Waffen liefern könnte, Taiwan bedroht, das Regime in Nordkorea protegiert - und seine eigene Bevölkerung und erst recht die Minderheiten im Land unterdrückt.
Europa ist noch stark abhängig von China – Frankreich hofft auf Politik des Ausgleichs
Sowohl die Corona-Pandemie als auch der Ukraine-Krieg zeigen, dass Europa unabhängiger von China werden muss, ohne in Decoupling, also in eine komplette politische und wirtschaftliche Entflechtung zu überdrehen. Frankreich hofft wohl, dass aus diesem französischen Weg der Mitte zwischen Konfrontation und Partnerschaft ein europäischer werden könnte. Zumindest im deutschen Kanzleramt dürfte er damit auf offene Ohren stoßen, wenn auch nicht in der Chefetage des Auswärtigen Amtes. Es ist aber wichtig, dass sich Europa hierbei nicht auseinanderdividieren lässt.
China muss andererseits verstehen, dass seine alte Teile-und-herrsche-Politik in Bezug auf Europa gescheitert ist. In Osteuropa glaubt man chinesischen Versprechungen von Investitionen und Stabilität nicht mehr, spätestens seit Xi Jinping den Kriegstreiber Wladimir Putin öffentlich stützt. Schon nutzt Taiwan die Lücken, die wirtschaftlichen Beziehungen zu Europas Osten zu stärken. Polen und die baltischen Länder sind noch näher an die USA gerückt.
Peking umwirbt deshalb Westeuropa, um am Ende nicht doch nur mit Russland und anderen Brics-Staaten alleine dazustehen. Das ist eine Chance, die Frankreich und hoffentlich auch Deutschland nicht verstreichen lassen sollten. Das alles aber mit einer Fußnote: Sollte Peking Waffen an Russland liefern oder Taiwan angreifen, wäre es vorbei mit einer Politik des Ausgleichs.