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Kolumne
Tuten im Nebel
- vonManfred Niekischschließen
Was den Zustand der Erde angeht, prasseln seit Jahren von allen Seiten Warnmeldungen herein und Vorschläge für einen kollisionsfreien Kurs. Die Kolumne.
Da ist sie wieder, die Idee von der Kooperationsgemeinschaft gleichgesinnter Staaten. Es gab sie schon einmal im Jahre 2002. Damals beschlossen auf Initiative Mexikos zwölf Staaten, von Brasilien über China bis Venezuela, ihre gemeinsamen Interessen als Block gegenüber der übrigen Welt wahrzunehmen.
Ihre Verbindung bestand darin, dass sie sämtlich Länder mit einer besonders großen Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten sind, sogenannte megadiverse countries. Es ging dabei vor allem um wirtschaftliche und eigentumsrechtliche Aspekte. Schutz des geistigen Eigentums einheimischer Bevölkerung und ihrer Entscheidung darüber, wie und wozu ihre Ressourcen nachhaltig zu nutzen sind, kein Raub genetischen Materials durch ausländische Industrien.
Es sollte der Kampf gegen Biopiraterie werden. Innenpolitisches Chaos, Drogenclans, korrupte Politiker, andere Prioritäten und nationale Egoismen nahmen der vielversprechenden Initiative den Wind aus den Segeln. Jetzt kommt ein neuer Impuls aus einer anderen Richtung und mit noch weiter reichenden Themen und höchster Dringlichkeit. Der Wissenschaftliche Beirat für globale Umweltveränderungen (WBGU) der Bundesregierung legte ein Gutachten vor, in dem er neue Formen der multilateralen Zusammenarbeit durch die Errichtung von Kooperationsgemeinschaften gleichgesinnter Staaten empfiehlt.
Im Klartext heißt das, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des WBGU der Meinung sind, bisherige zwischenstaatliche Formen der Zusammenarbeit reichten nicht aus, um die globalen Umweltkrisen in den Griff zu bekommen.
„Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration“ lautet der Titel des Gutachtens. Die zentrale Botschaft ist, dass Klimaschutz nur gelingen, der dramatische Verlust der biologischen Vielfalt abgewendet und das globale Ernährungssystem nur nachhaltig gestaltet werden können, wenn sich der Umgang mit Land grundlegend ändert, und das international durch Integration statt Konkurrenz. Land ist eben eine begrenzte Fläche. Es kommt darauf an, was man damit und darauf macht.
Gerade haben Alarmsignale von mehreren Hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Weltöffentlichkeit aufgeschreckt, weil sie von ihrem Expeditionsschiff „Polarstern“ aus beobachteten, dass das arktische Eismeer im Sterben liegt. Thematisch jeweils zwar etwas anders gelagert, stoßen der Weltbiodiversitätsrat IPBES und der Weltklimarat IPCC seit Jahren in dasselbe Horn.
Es ist ein Nebelhorn, mit dem sie und der WBGU zusammen mit vielen anderen Institutionen der Wissenschaft in die zähen Nebel der internationalen Politik hineintuten. Achtung, gefährliche Kollisionen voraus. Also besser mehr Bauen mit Holz, weniger Fleischkonsum, effektive Schutzgebiete und Hinwendung zu einer die Vielfalt bewahrenden Landwirtschaft. Alles schon mal irgendwie gehört, oder?
Auf der Titanic wurde erst Alarm geschlagen, als es zu spät war. Was den Zustand der Erde angeht, prasseln seit Jahren von allen Seiten Warnmeldungen herein und Vorschläge für einen kollisionsfreien Kurs. Wer behauptet, dass politisch schon viel erreicht sei, sollte noch zwei Wörtchen hinzufügen: Viel ja, aber viel zu wenig.