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Treptinoool!

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Von: Michael Herl

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Warum sollte man mit Schwachköpfen reden? Allemal ist es doch besser, Unsinnigem mit Sinnlosem zu begegnen.

Eigentlich habe ich meinem Vater viel zu verdanken. So lehrte er mich die alte Pfälzer Weisheit „Sauf dich nicht mehr als voll“, die schmackhafte Zubereitung von Kalbshirn sowie das Fangen von Bachforellen mit bloßer Hand. Außerdem ließen lange Gespräche mit ihm grundsätzliche Überzeugungen in mir reifen, die heute noch Bestand haben. Etwa, dass Religionen gleich welcher Art menschenverachtender Humbug sind und durchaus mit organisierter Kriminalität gleichzusetzen. Oder, dass mir lieber die Hand abfallen solle, bevor ich eine Waffe anfasse. So habe ich es immer gehalten, und noch heute meide ich selbst Schießbuden auf dem Rummelplatz.

Ersatzweise legte mein Vater mir ein anderes Mittel der Verteidigung ans Herz. Oder auch des Angriffs, wie man’s nimmt. „Michael“, sage er einmal, „du kannst mit allen Menschen reden“. Diese Erkenntnis sollte mir im Laufe meines Daseins am meisten bringen. Ich merkte, dass sie für alle Lebenslagen gilt, selbst auf dem Fußballplatz.

Ich war so 12, 13 Jahre alt, spielte beim FK Pirmasens, und wir mussten auswärts zum FC Ruppertsweiler. Die galten als Treter, und das waren sie auch. Besonders mein Gegenspieler, ein rothaariger Rechtsaußen mit dem IQ einer groben Bratwurst. Der Kerl war so strunzdumm, dass ihm mit fußballerischen Mitteln nicht beizukommen war. Ich wollte und konnte seinem brutalen Spiel nicht mit brutalem Spiel begegnen, also folgte ich einer plötzlichen Intuition und flüsterte ihm bei passender Gelegenheit einen Satz ins Ohr. Etwa „Frarohl endem häcksel mumpf“. Und dann einfach nur „Treptinoool!“. Der Dummkopf glotzte mich entgeistert an und zischte: „Du spinnst ja“. Er beschwerte sich beim Schiedsrichter, konnte mir ja aber schwerlich vorwerfen, ich habe „Treptinoool“ zu ihm gesagt. Oder „mumpf“. Fortan kickte er wirr und verstört; wir gewannen das Spiel knapp mit 1:0.

Dass ich mit meinen vermeintlich sinnlosen Sätzen in die Fußstapfen des in Pirmasens geborenen Dadaisten Hugo Ball getreten war, wusste ich derzeit natürlich nicht. Genaugenommen fiel es mir erst eben beim Schreiben dieser Zeilen ein. Scheint irgendwie in den Genen zu liegen. Erst recht wusste ich damals nicht, dass der Dadaismus einst entstand, um sich Gehör zu verschaffen, wo man sonst nicht gehört wurde. Um sich aufzulehnen gegen Verkrustungen und Eingefahrenheiten. Oder wo kein Dialog entstehen kann, weil das Gegenüber stur und stumpf ist. Das ist nun etwa hundert Jahre her, und es war immer gültig, und es ist immer wieder gültig.

Zum Beispiel jetzt. Es ist wieder die Zeit, zu erkennen, dass es müßig ist, Schwachköpfe Schwachköpfe zu schimpfen. Und auch das Gespräch suchen, ist Kokolores. Wie mit Wänden reden? Statt dessen ist Unsinnigem mit Sinnlosem zu begegnen. Also gehet hin und lachet und albert. Tanzt, geigt, singt, trällert, furzt kunst, tanzt seil, hüpft sack, schnappt wurst, knaddelt, daddelt, prustet, dollt und lustet. Und Euch allen, die Ihr Euch in Eurer geballten Verbohrtheit Namen gebt, die auf „ida“ enden, Euch rufe ich zu: „Finktul, pöftel umpf, rht, reslbagnetfulimmi, knobol rrrrrrreef akutlöftgnft, sboodt kölölölöl kl kl kl kl kl kl kl altttreftl, somolpüpüfff“! So. Und nun sagt nochmal was von wegen „Lügenpresse“.

Michael Herl ist Autor und Theatermacher.

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