Die rechte Welle ist keine Naturgewalt

Was sich aus der Wahl in den Niederlanden für Europa lernen lässt. Ein Kommentar.
Die Niederlande haben gewählt. Aber gewonnen ist damit noch nichts. Premier Mark Rutte und seine rechtsliberale Partei VVD haben sich gegen den Rechtspopulisten Geert Wilders behauptet. Aber sie haben an Zustimmung verloren. Die Koalitionsbildung wird dauern.
In der Not versucht das Land, einen Ausweg in einer Koalition der Mitte zu finden. Klingt gut, hat aber Tücken. Von der Rückkehr zum Poldermodell sprechen manche. Zur Erinnerung: Das war eine niederländische Variante der ganz großen Koalition mit Konsens über alle Parteigrenzen hinweg. Anfang der 90er Jahre führte das zum Aufstieg des Rechtsauslegers Pim Fortuyn, der gegen eben diese Konsensseligkeit und Deckmantelei wetterte. Konsens ist kein Selbstzweck. Die Koalition der Mitte – so sie denn kommt – muss ein Bündnis sein zur Stärkung der demokratischen Kräfte. Und zur Erneuerung. Das macht den Grünen-Frontmann Jesse Klaver interessant. Er ist der Einzige, der von Veränderung spricht.
Was lässt sich aus dieser Wahl für Europa lernen? Erstens: Die rechte Welle ist keine Naturgewalt. Das zeigt die hohe Wahlbeteiligung in den Niederlanden. Und Politik kann auf den Protest reagieren. Etwa, indem sie soziale Ängste ernst nimmt. In Deutschland unternimmt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz einen Versuch. Die Sozialpolitik als klassische Verteilungspolitik ist zurück. Zweitens: Wahlkämpfe in Europa sortieren sich um die Alternative Sicherheit oder Gerechtigkeit. In unruhigen Zeiten überwiegt die Sehnsucht nach Stabilität den Wechselwillen. Zumindest in den Niederlanden, wo Rutte auf Sicherheit gesetzt hat – und eine willkommene Eskalation mit der Türkei.
In Frankreich verbindet Emmanuel Macron den Modernisierungswillen eines Jesse Klaver mit der sozialen Agenda eines Martin Schulz. Eine neue Variante der Sicherheitsgerechtigkeit, die Macron gegen Marine Le Pen vom Front National setzt. Auch das ist wehrhafte Demokratie.