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RWE und die politische Bedeutung der Sprache

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Von: Katja Thorwarth

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Wird hier ein klimarelevantes Ökosystem zerstört?
Wird hier ein klimarelevantes Ökosystem zerstört? © dpa

Warum "muss" der Hambacher Wald gerodet werden? Und warum spricht man seit 1978 überhaupt von Forst? Könnte etwas mit RWE zu tun haben. Ein Kommentar.

Für den RWE-Konzernchef Rolf Martin Schmitz gibt es überhaupt keine Zweifel. Es sei eine Illusion, dass „der Hambacher Forst gerettet werden kann“, sagte er bei Maybrit Illner. Eine Nicht-Rodung würde den Konzern bis zu fünf Milliarden Euro kosten, und überhaupt sei das ja lange genug hinausgezögert worden.  

„Wir haben auch mit den Umweltverbänden noch mal darüber gesprochen, ob es eine Möglichkeit gibt, einfach anzuerkennen, dass der Hambacher Forst gerodet werden muss“, äußerte Schmitz weiter, der damit so tut, als sei die Rodung ein naturgegebener Zwang und kein auf maximalen Profit ausgerichteter Akt eines Konzerns.

Es klingt auch nachvollziehbar, warum machen sie eigentlich alle so ein Spektakel um einen Forst? Doch beim Hambacher Forst handelt es sich tatsächlich um einen Wald, und die Begriffsverwischung könnte in diesem Fall nicht ganz unbedeutend sein.

Denn auch wenn der Forst umgangssprachlich synonym zum Begriff Wald verwendet wird, bezeichnet ersterer ein künstlich aufgeforstetes Gelände, während ein Wald aus einer natürlichen Vegetation hervorgeht und in der Regel vor sich hinwaldet – jenseits menschlicher Bewirtschaftung. Runtergebrochen ist ein Forst, weil von menschlicher Hand erschaffen, zu ersetzen, während mit dem  Wald, einmal gerodet, jegliche ökologische Wertigkeit zerstört wird.

Bürgewald statt Hambacher Forst

Beim „Hambacher Forst“ wäre eigentlich vom Bürgewald zu sprechen, dem Fachleute eine „hohe ökologische Wertigkeit“ attestieren. Zum Forst wurde der Wald erst 1978, und zwar, als ein großer Teil des Waldes durch den Tagebaubetreiber „Rheinbraun“ (heute RWE) gerodet wurde.

Ein Wald wurde also wohl aus ökonomischen und manipulativen Gründen in einen Forst umdefiniert. Der Greenpeace-Sprecher Christoph von Lieven sieht das ähnlich: „Alleine schon die Umbenennung des früheren Bürgewaldes in ‚Hambacher Forst‘ ist eine Abwertung des ursprünglichen mit ökologisch wertvollen Pflanzen- und Tierbestandes vollen Waldstücks, welches von RWE jetzt endgültig zerstört werden soll.“

Inwiefern Sprache machtpolitisch eingesetzt wird, konnte bereits in anderen politischen Genres nachgewiesen werden. Dass die Rodung eines Forsts weniger berührt und eher als legitim erscheint, als die eines Waldes, dürfte gerade den Menschen einleuchten, die den Unterschied gar nicht genau kennen. Der Wald ist Bambi und der Forst hat irgendetwas mit dem Abholzen einer Holzplantage zu tun.

Klimakrise wird ignoriert

RWE-Chef Schmitz kann die Notwendigkeit einer Rodung insofern viel eher unters Volk jubeln, zumindest scheint den Betreibern 1978 die Umbenennung, wohl langfristige  Außenwirkungen einkalkulierend, wichtig gewesen zu sein.

„Perfide wird es, wenn man bedenkt, dass dieser Wald Treibhausgase bindet, während die Abholzung nicht nur diesen Speicher zunichtemacht, sondern mit dem Verbrennen der Braunkohle viele Millionen Tonnen klimaschädliche Treibhausgase und andere hochgiftige Schadstoffe wie Quecksilber freisetzt. Das wird die Klimakrise mit existenzbedrohenden Folgen weltweit maximal befeuern“, ergänzt von Lieven.

Und an dieser Stelle dürfte das Thema eben nicht nur die „linksgrün weichgespülten“ Ökoromantiker*innen interessieren. Es geht, wie bei sämtlichen Rodungen, explizit um die Ignoranz eines globalen Klimaproblems aus marktkapitalistischen Gründen. Beim Hambacher Wald scheint die Strategie, das volkskompatibel durchzusetzen, mit längerem Zeitfenster geplant – über die Sprache. Natürlich „muss“ gar nichts gerodet werden, Herr Schmitz. Und der Forst ist ein Wald und die RWE-Quartalszahlen interessieren das Ökosystem in Hambach nicht die Bohne. Die Politik muss das interessieren.

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