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Politisch motivierter Terror bleibt Terror

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Von: Markus Decker

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Ein Rechtsextremist fährt in eine Gruppe von Menschen.
Ein Rechtsextremist fährt in eine Gruppe von Menschen. © dpa

Die Bewertung einer politisch motivierten Straftat richtet sich in Deutschland nicht bloß danach, wer der Täter ist, sondern noch mehr danach, wer die Opfer sind. Der Leitartikel.

Die Abfolge in manchen Morgen-Nachrichten war symptomatisch. Zunächst wurde am Mittwoch Neues von dem fremdenfeindlichen Anschlag in Bottrop mit fünf Verletzten vermeldet. Unmittelbar danach war von Bundesinnenminister Horst Seehofer die Rede, der sich „sehr aufgewühlt“ zeigte darüber, dass vier Jugendliche aus Afghanistan, Syrien und Iran zwölf Personen in der bayerischen Stadt Amberg attackiert und verletzt hatten.

Wenn Asylbewerber Gewaltdelikte begingen, müssten sie das Land verlassen, sagte der CSU-Politiker. Dass der Täter von Bottrop dies tun müsse, sagte Seehofer allerdings nicht. Nur: Warum eigentlich nicht? Die Antwort auf diese Frage macht das Symptomatische aus.

Zunächst einmal kann der Mann nicht ausgewiesen werden. Es handelt sich schließlich um einen 50-jährigen Deutschen. Und ein deutscher Staatsbürger darf jede Art von Verbrechen begehen – er bleibt immer deutscher Staatsbürger.

Die Terror-These bei deutschen Opfern

Die Forderung nach seiner Ausweisung würde aber vermutlich auch dann nicht laut werden, wenn es sich anders verhielte. Denn die Bewertung einer politisch motivierten Straftat richtet sich in Deutschland nicht bloß danach, wer der Täter ist, sondern noch mehr danach, wer die Opfer sind.

Ist der Täter Migrant oder gar Flüchtling, ruft „Allahu Akbar“ und attackiert Deutsche, steht unmittelbar die Terror-These im Raum. Ist der Täter Deutscher, der Ausländer töten wollte, sind schnell vermeintlich entlastende Gesichtspunkte zur Hand – wie dessen soziale Lage oder psychische Verfassung.

So klassifizierte das Bundesinnenministerium den Anschlag von Bottrop als „allgemein-kriminelle Tat“. Der nordrhein-westfälisches Innenminister Herbert Reul (CDU) attestierte dem Täter „persönliche Betroffenheit“.

Terroranschlag war gemeint: islamistischer Terroranschlag

Im ersten Fall setzt überdies alsbald der Ruf nach Konsequenzen ein; meist betreffen sie das Ausländerrecht. Im zweiten Fall gibt es Konsequenzen erst, wenn sie wie beim Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) unausweichlich scheinen. Am Rande bemerkt: Auch Terrorexperten gelten automatisch als Experten für islamistischen Terrorismus, die anderen hingegen als Experten für Rechtsextremismus.

Paradigmatisch für diese Differenzierungen steht der Serienmord am 22. Juli 2016 im Münchner Olympia-Einkaufszentrum. Über Stunden ging die Republik in jener Sommernacht davon aus, dass es sich um einen Terroranschlag handele – nicht zuletzt weil der Täter einen „Migrationshintergrund“ hatte. Mit Terroranschlag war gemeint: islamistischer Terroranschlag.

In Berlin wurde das Sicherheitskabinett zusammen gerufen. Als sich herausstellte, dass die Opfer überwiegend und keineswegs zufällig ebenfalls einen Migrationshintergrund hatten, weil der Täter nämlich selbst fremdenfeindlich war, setzte fast schon Erleichterung ein.

Terror im Geiste der Mehrheit?

Das Geschehen wurde nicht als Terrorakt klassifiziert, obwohl sich die Erkenntnisse über eine rechtsextremistische Gesinnung des Täters manifestierten. Vielmehr lautete die Diagnose: Amoklauf eines seelisch Gestörten. Warum die Bewertungen so gegensätzlich ausfallen, ist offenkundig. Islamistischer Terror gilt als Angriff auf eine nicht-muslimische Mehrheitsgesellschaft. Terror, der sich gegen Migranten richtet, glaubt, an eine zunehmende Fremdenfeindlichkeit andocken zu können – ja im Zweifel gar im Geist der Mehrheit oder eines imaginierten Volkswillens zu handeln.

Weil das alles so ist, setzt nach Ereignissen wie denen von Bottrop und Amberg ein ebenso unappetitlicher wie unproduktiver Streit ein. Die eher Rechten führen die Taten von Ausländern ins Feld; die eher Linken setzen die Taten von Ausländerfeinden dagegen. Tatsächlich müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es beides gibt: Islamistische wie rechtextremistische Gewalt – und das in allen Schattierungen.

Es gibt organisierte Terrorgruppen. Es gibt fanatisierte Einzeltäter. Und es gibt psychisch kranke und sozial deklassierte Grenzgänger. Dieser Streit kann so nicht weiter gehen. Rechten wie Linken – soweit es sich um Demokraten handelt – sollte politisch motivierter Terror gleichermaßen zuwider sein, egal gegen wen er sich richtet. Das gilt ganz besonders für den Bundesminister des Innern.

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