Pegidas politische Stichwortgeber

In den Parolen der Islam- und Ausländerfeinde spiegelt sich der Geist der Ausgrenzung, der auch die Flüchtlings- und Migrationspolitik der vergangenen Monate beherrscht hat.
Es gibt zum Glück, jenseits der abstoßenden Massenauftritte von Pegidisten und anderen selbsternannten Abendlandsrettern wie gestern in Dresden, auch gute Nachrichten in diesen Tagen. Dass 2014 fast 500 000 Migranten mehr nach Deutschland kamen als wegzogen, ist eine davon. Diese Republik ist also weiter ein Ort der Hoffnung für Menschen, die ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Sie vertrauen darauf, dass sie hier eine Chance bekommen, Sicherheit finden, einfach ihr Leben leben können. Diese Hoffnung treibt sie. Trotz des durch unzählige Studien und jetzt die Aufmärsche der Islamgegner belegten Befundes, dass hierzulande Ressentiments gegen „Fremde“ in der Mitte des Volkes fest verankert sind. Trotz einer Flüchtlings- und Migrationspolitik, die diese Ressentiments systematisch füttert.
Die Menschen, die dennoch kommen, setzen sich dem Zwiespalt aus, dass sie hier wahrscheinlich irgendwann selbst von diesen Ressentiments betroffen werden; dass das aber für sie immer noch besser ist als das, was sie zurücklassen. Griechen, Spanier, Rumänen, Syrer, Eritreer haben in ihrer Heimat keine Zukunft zu verlieren. Nur deshalb kommen sie zu uns.
Willkommenskultur existiert nicht
Es gibt also keinen Grund, sich jetzt selbstzufrieden zurückzulehnen, Pegida als Randerscheinung abzutun und stolz auf die erreichte „Willkommenskultur“ zu verweisen, die Deutschland so attraktiv für die notwendige Zuwanderung gemacht habe. Der Begriff ist nicht mehr als ein hippes Etikett für einen fragmentarischen Zustand, in dem Offenheit für Vielfalt höchstens hier und da spürbar ist – als selektiver Starter-Service für die Erwünschten unter den Migranten etwa, oder als strukturelle Förderung von Diversity in Unternehmen, die erkannt haben, dass sie sich damit einen ökonomischen Vorteil verschaffen. „Willkommenskultur“ aber als selbstverständliche Alltagshaltung der Bevölkerung, als Politik bestimmendes Konzept, als die einzig zeitgemäße Leitkultur der modernen Einwanderungsgesellschaft existiert noch lange nicht – und die politischen Mehrheiten in Bund und Ländern tun viel, um es nicht dazu kommen zu lassen. Die asyl- und migrationspolitischen Debatten der vergangenen Monate haben jedenfalls genau die Stichworte geliefert, die sich jetzt in den Parolen der islam- und ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung wiederfinden. Und die tausenden aus der Seele sprechen – sonst würden sie nicht mitlaufen.
Perfide Stimmungsmache der CSU
Schon etwas zurückliegend, aber ebenso perfide wie wirksam war die Stimmungsmache durch die CSU im Europawahlkampf mit dem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“. Er unterstellte Roma aus Rumänien und Bulgarien pauschal Sozialmissbrauch, was nachweislich falsch ist. Dennoch: Die CSU setzte mit ihrer populären Wahlkampflüge am Ende sogar einen Gesetzentwurf gegen Sozialmissbrauch durch EU-Bürger durch. Der Migrationsforscher Klaus Bade betont, dass diese „populistisch-demagogische Gesetzesinitiative... auf höchster Ebene einschlägige Abwehrhaltungen in weiten Kreisen der Bevölkerung legitimierte“. Bade macht „sozialrassistische Auskreisungsdiskurse, politischen Populismus und minderheitenfeindliche legislative Symbolpolitik“ für die weit verbreitete Ablehnung von Roma verantwortlich. Das gleiche kann man bei Flüchtlingen allgemein nachweisen – laut diversen Studien nach den Roma die am meisten abgelehnte Minderheit. Der Asylkompromiss vom September im Bundesrat etwa, mit dem Serbien, Mazedonien und Bosnien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt wurden, trägt sehr viel zur Pflege von Flüchtlingsphobien bei.
Denn er behauptet explizit, angeblichen „Asylmissbrauch“ zu stoppen. Schuld sind demnach die Flüchtlinge selbst, vor denen die Bevölkerung angeblich geschützt werden muss. Dass sämtliche Migrationsverbände und der UNHCR in den drei Herkunftsländern existenzbedrohende Ausgrenzung und damit Fluchtgründe sehen, geht in der Debatte unter.
Sind Flüchtlinge erst dermaßen kriminalisiert und stigmatisiert, vergisst man leicht ganz, dass es sich um Menschen handelt. Und so kassierten kürzlich Schleswig-Holstein und Thüringen schwere Rüffel, weil sie für 15 Herkunftsländer einen humanitären Abschiebestopp für die Wintermonate beschlossen hatten. Die Länder liegen im Balkan, im Kaukasus, es sind Iran, Irak, Pakistan, Afghanistan – dort ist es im Winter bekanntlich wirklich kalt. Bundesinnenminister de Maizière aber verweist die Bundesländer in seinem Brandbrief nur lapidar auf ihre Pflicht, „vollziehbare Ausreisepflichten rasch durchzusetzen“. Brandenburgs SPD-Innenminister Karl-Heinz Schröter springt bei: „Das deutsche Asylrecht schützt nicht vor Obdachlosigkeit oder schlechter Witterung.“
Eiseskälte weht durch solche Haltungen. Und sie weht weiter auf die Plätze der Pegida- und Legida-Aufmärsche und in die Städte, in denen xenophobe Bürger gegen Flüchtlingsunterkünfte protestieren. Eiseskälte aber geht nicht zusammen mit Willkommenskultur. Humanität dagegen schon. Wir könnten sie uns leisten. Und wir brauchen sie.