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Wie sozial wird die Wärmewende?

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Von: Andreas Niesmann

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Das Wärmebild zeigt: Dieses Haus ist noch nicht grün genug.
Das Wärmebild zeigt: Dieses Haus ist noch nicht grün genug. © IMAGO/Arnulf Hettrich

Die Ampel-Koalition bringt das Land mit dem Gesetz zur Gebäudeenergie klimapolitisch auf einen Mittelweg. Es fehlt aber vieles.

Der Streit war gewaltig, die Auswirkungen sind es auch. 23 Jahre nachdem die damalige rot-grüne Koalition mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz den Startschuss für den Ausbau der Ökostrom-Erzeugung gegeben hat, nimmt die Ampel nun mit dem neuen Gebäudeenergiegesetz die Wärmewende in Angriff.

Es wurde höchste Zeit, denn noch immer decken die Deutschen mehr als 80 Prozent ihre Wärmenachfrage durch die Verbrennung fossiler Energieträger. Jeder zweite der rund 41 Millionen Haushalten heizt mit Erdgas, jeder vierte mit Heizöl. So lange das so ist, kann Deutschland seine Klimaziele niemals erreichen.

So richtig es ist, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das Problem nun angeht, so schwierig ist das, was er zu dessen Lösung vorlegt: Ein 155-seitiger Gesetzentwurf, der mit unzähligen Regeln, Ausnahmen, Vorschriften und Verboten versucht, auf sämtliche Wohn- und Lebensrealitäten der Menschen Antworten zu geben. Schon angesichts der schieren Größe ist ein solches Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Eine Volkswirtschaft lässt sich niemals mit einem solchen Klein-Klein steuern.

Ökonomisch weitaus sinnvoller wäre es gewesen, die Bundesregierung hätte auf marktwirtschaftliche Instrumente statt auf das Ordnungsrecht gesetzt. Eine Steuerungen über den Preis für ausgestoßenes CO2 hätte zu deutlich effizienteren Lösungen geführt, als es Habecks Mammut-Gesetz jemals schaffen wird. Und gleichzeitig wären dadurch Einnahmen entstanden, mit denen Härtefälle abgemildert werden könnten. Für eine solche Lösung aber fehlten der Politik der lange Atem und der Mut – was sogar verständlich ist angesichts der Empörungsbereitschaft in Teilen der Medien und Bürgerschaft.

Wärmepumpen-Außengerät: So sieht die Zukunft aus.
Wärmepumpen-Außengerät: So sieht die Zukunft aus. © Jan Woitas/dpa

Und auch diese Empörung ist nachvollziehbar, schließlich geht es nun beim Klimaschutz an das „Eingemachte“. Betraf die Klimapolitik bislang vor allem Unternehmen wie Kraftwerksbetreiber, Stahlkocher oder Chemiehersteller, trifft es nun jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger.

Der Staat schreibt den Menschen künftig vor, wie sie zu heizen haben und wann das eigene Haus oder die eigenen Wohnung zu sanieren sind. Er greift damit weitaus tiefer und unmittelbarer in die persönliche Freiheit und das Eigentum der Menschen ein, als das vielen bislang vorstellbar schien. Und schon jetzt ahnt man, dass es mit der Heizung allein nicht getan sein wird. Auto, Reisen, Ernährung – es gibt noch viele Bereiche, in denen sich die Deutschen am Klima versündigen.

Eine Bundesregierung aber, die das tun würde, was für konsequenten Klimaschutz nötig wäre, müsste bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten. Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner haben das verstanden und treten deshalb inzwischen auf die Klimabremse – auch wenn sie das so öffentlich anders darstellen.

Dass Ergebnis ist, dass sich Deutschland klimapolitisch auf einem schwierigen Mittelweg befindet. Wir tun längst nicht so viel, wie nötig wäre, aber doch weitaus genug, um die finanziellen Folgen schmerzhaft zu spüren. Man kann das als Kompromiss verkaufen, müsste dann aber so ehrlich sein und zuzugeben, dass das Klimaziel zu ehrgeizig gesteckt worden ist. Dummerweise würde das dem Eingeständnis gleichkommen, dass sich der menschengemachte Klimawandel nicht aufhalten lassen wird.

So weit ist die Debatte noch nicht, und das ist auch gut so, denn noch besteht ja die Chance, das Schlimmste zu verhindern. Es lohnt sich, das zumindest zu versuchen. Dass dieser Versuch nicht ohne Wohlstandsverluste bleiben wird, dürfte inzwischen den meisten Menschen dämmern. Es wäre an der Zeit, dass die Politik wenigstens das ehrlich sagt.

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