Martin Sellners Schwank aus der Jugend

Vor 13 Jahren klebte Martin Sellner von der „Identitären Bewegung“ Hakenkreuze an eine Synagoge. Warum das kleine Detail aus seiner Jugend auch heute noch interessant ist. Ein Kommentar.
Martin Sellner, Chefideologe der rechtsextremen „Identitären Bewegung“, kommt nicht aus den Schlagzeilen. Erst kürzlich wurde bekannt, dass er eine vierstellige Spende vom Christchurch-Attentäter erhalten hatte, weshalb seine Wohnräume einer Hausdurchsuchung unterzogen wurden und ein Ermittlungsverfahren gegen ihn läuft. Nun wurde ein Detail aus Sellners politischer Vergangenheit bekannt. Wie die österreichische „Kleine Zeitung“ berichtet, hat der „Identitäre“ vor 13 Jahren Hakenkreuze auf eine Synagogenmauer in Baden, Nähe Wien geklebt.
Kanzler Kurz empört sich über Sellner
Dies geht aus einem Polizeiprotokoll hervor, dass der Zeitung vorliegt. Der „Identitäre“ war damals 17 Jahre alt, die Aktion sei eine Reaktion auf die Verurteilung des britischen Holocaustleugners David Irving gewesen, wie ein Tatbeteiligter gegenüber der Polizei aussagte. Auch Aufkleber mit den Buchstaben „AJ“, ein von Sellner entworfenes Wappen, das für „Aktive Jugend“ (laut M.S.) steht, wurden geklebt.
Auf Twitter gibt sich Sellner verwundert darüber, dass eine 13 Jahre alte Geschichte überhaupt einen Nachrichtenwert hat. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der selbst mit der Rechtsaußenpartei FPÖ koaliert und mit Heinz-Christian Strache einen Vizekanzler stellt, dem zumindest in der Vergangenheit eine Nähe zu Rechtsextremisten nachgesagt wird, sieht das anders: „Die Enthüllungen über den Chef der Identitären sind widerlich. Als österreichischer Bundeskanzler werde ich keine neonazistischen Umtriebe dulden. Wir müssen alle Formen von Extremismus entschieden bekämpfen, um den freien und liberalen Rechtsstaat zu schützen“, formuliert Kurz auf Twitter.
Gut gebrüllt, möchte man dem Kanzler zurufen, dann kann er ja gleich mal bei seiner eigenen Regierung anfangen. Sellner hingegen ruht sich auf dem Fakt aus, dass er „seine Lektion gelernt“ habe, das Ganze 13 Jahre her sei und es „für junge Patrioten, die aktiv werden wollten, nichts anderes als die NS-Szene“ gegeben habe. Aus diesem Grund habe er die „Identitären“ gegründet, schreibt er auf Twitter.
Die Umvolkungserzählung knüpft an Volkstumspolitik an
Doch auch wenn dieses kleine, aber feine Detail aus seiner Jugend lange zurück liegt, lässt sich daraus doch die Basis eines rechtsextremen Denkens ableiten, das offenbar Hakenkreuze kleben als jugendlich provokante Grenzüberschreitung versteht.
Es ist verständlich, dass er die „Identitären“ als Abgrenzungsverein mit gegründet hat, schließlich ist das Bild des grölenden Skinheads, das man mit Hakenkreuzen assoziiert, nun mal unsexy und nicht tauglich, jugendliche Massen zu bewegen. Inhaltlich lehnt sich die Bewegung mit ihrer Umvolkung, die sie auch gerne mit dem „großen Austausch“ umschreibt, jedoch durchaus an die nationalsozialistische Volkstumspolitik an, die ohne den Rassegedanken gar nicht funktioniert.
Behauptet wird, dass die europäischen Völker durch eine „Multiethnische Bevölkerung“ ersetzt werden sollen, wie es auf der IB-Seite heißt, womit heruntergebrochen die Reinhaltung der eigenen Rasse gemeint sein muss. Das Volk sei vom Aussterben bedroht, suggeriert diese Erzählung, die über eine behauptete akute Bedrohung sich selbst zum Opfer stilisiert und potentielle Aktionen damit legitimiert. Insofern kann Sellner auf Twitter behaupten, mit dem Rassismus gebrochen zu haben, seine Ideologie spricht eine andere Sprache. Und genau das ist der Grund, warum die Sache mit dem Hakenkreuz gar keine Marginalie ist, sondern vielmehr verdammt gut passt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Rechtsextreme Sticker im Frankfurter Westend
Rund um die Jüdische Gemeinde im Frankfurter Westend tauchen seit Monaten Neonazi-Sticker auf.
Rechtsradikale Umtriebe: 28 Polizisten unter Verdacht
In der Affäre um rechtsradikale Umtriebe bei der hessischen Polizei gibt es jetzt allein bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft schon 28 Beschuldigte. Gegen einen Beamten, der Drohbriefe an eine Anwältin verschickt haben soll, wird weiter ermittelt.