Liebe Grüne Hessen!

Proteste und Kritik an Regierenden und deren Politik ist ein essenzieller Teil der Demokratie. Die Grünen in Hessen täten gut daran, sich an ein altes Bekenntnis ihrer Partei zu erinnern. Der Klimabrief.
Ich bin enttäuscht. Nein, ich bin wütend. Warum? Weil ich feststelle, dass mein Vertrauen in euch verloren gegangen ist. Als ich vor Jahren begann mich für Klimagerechtigkeit zu engagieren, nahm ich an, dass ihr ein verlässlicher Partner im Kampf gegen den Klimawandel seid. Ich musste bald feststellen, dass dem nicht so ist. Nun macht ihr nicht nur unzureichende Klimapolitik, sondern erschwert und schränkt die Arbeit der Klimabewegung noch ein. Ihr wollt ein Gesetz verabschieden, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einschränkt.
Das geplante neue Versammlungsfreiheitsgesetz, das diesen Namen nicht verdient, sieht vor, dass der Polizei erlaubt wird personenbezogene Daten im Vorhinein von Ordner*innen und Versammlungs- leiter*innen abzufragen. Diese werden dann auf Eignung geprüft und können abgelehnt werden. In der Novelle wird die Funktion von Demos zu Beginn so vage beschrieben, dass jeglicher Protest am Ende auf der Auslegung von lokalen Ordnungskräften basiert. Dies kann dazu führen, dass Protestformen wie Klimacamps oder Fahrraddemos auf Autobahnen verboten werden. Vor allem werden der Polizei breite Befugnisse eingeräumt, wie etwa das ‚präventive‘ Abfilmen von Demos.
Somit wird kein Anreiz zur politischen Partizipation geschaffen, stattdessen wird Protest kriminalisiert, erschwert und als Gefahr positioniert. Der Weg zu Demos wird für viele schon eine „Tortur“. Die Polizei kann mobile Kontrollstellen einrichten, IDs kontrollieren und Taschen durchsuchen, obwohl jeder Mensch ein Recht hat, anonym seine Meinung auf Versammlungen kundzugeben. Das gilt nicht nur für die Klimabewegung: Auch Streikende von Gewerkschaften oder Fußballfans könnten künftig durch das neue Versammlungsgesetz in ihren Möglichkeiten reglementiert werden.
Proteste und Kritik an Regierenden und deren Politik ist ein essenzieller Teil der Demokratie. Statt der „Arbeitsgruppe gegen das hessische Versammlungsfreiheits- gesetz“ einen „etwas flexiblen Umgang mit der Wahrheit“ vorzuwerfen, wäre es wünschenswert, wenn ihr euch an ein altes Bekenntnis eurer Partei erinnern würdet.
Im ersten Grundsatzprogramm der Partei „Die Grünen“ (1980) heißt es: „Das Prinzip der Gewaltfreiheit berührt nicht das fundamentale Recht auf Notwehr und schließt sozialen Widerstand in seinen mannigfachen Varianten ein.“ In diesem Zusammenhang schreiben eure Vorfahren davon, dass es erforderlich sei, Sitzblockaden oder Barrikaden zu bauen, um die lebenserhaltenden Interessen für Menschen zu warnen. Vielleicht daran mal ein Beispiel nehmen.
Euer Jaspar Reimann
Hier schreiben alle zwei Wochen Aktivistinnen und Aktivisten der Fridays-for-Future-Bewegung