Lanz und Wagenknecht

Darf Markus Lanz ein Interview auf die Art führen, wie er es mit Sahra Wagenknecht getan hat? Und ist es angebracht, deshalb gleich eine Petition zu starten? Unser Kolumnist Jörg Thadeusz macht sich darüber so seine Gedanken.
Es gibt noch nicht genug Petitionen. Warum nicht? Weil es noch keine von mir gibt. So denkt wohl jemand, der in diese Welt eine weitere massive Forderung entlässt. Die Anti-Markus-Lanz-Aktivistin Maren Müller beschreibt, sie hätte sich so sehr über Lanz geärgert, dass sie nicht schlafen konnte. So was kenne ich von mir und anderen. Wer nicht schlafen kann, macht halt irgendwas. Putzt seine Fenster oder isst einen Teller Gulaschsuppe.
Frau Müller wollte das alles nicht. Stattdessen formulierte sie eine Petition. Die technischen Möglichkeiten führen den Erregten in die Versuchung, vielleicht doch noch schnell eine Bewegung zu gründen. Wo es früher der Leserbrief tat, muss heute eine Kampagne her. Schließlich wissen wir, dass ein vages Anti-Gefühl genauso schnell Hunderttausende Unterstützer finden kann, wie ein Bild von einem fünfpfotigen Känguru Klicks bekommt.
Höflich oder unhöflich
Niemand muss sich mit Maren Müller in einer Kneipe treffen, um dann dort mühselig eine Tagesordnung für die Sitzung der Anti-Lanz-Liga zu entwerfen. Wer Markus Lanz auch „irgendwie“ doof findet, bleibt auf dem Sofa liegen und klickt mal kurz. Mutiger Widerstand eben.
Frau Müller, ehemaliges SPD-Mitglied, ehemaliges Linkspartei-Mitglied, behauptet, sie habe vor allem gestört, wie unhöflich Markus Lanz Sahra Wagenknecht behandelt habe. Eine Petition für mehr Höflichkeit würde ich mit glühendem Eifer unterstützen. Sahra Wagenknecht verdient den gleichen Respekt, den auch weniger radikale Politiker genießen. Schließlich ist sie auch eine höfliche Frau.
Es sei denn, der israelische Präsident Schimon Peres redet im Deutschen Bundestag. Der erinnerte im Februar 2010 im deutschen Parlament zum Holocaust-Gedenktag an seinen Großvater, den die Nazis umbrachten. Nach der Rede erhoben sich alle Parlamentarier, mit Ausnahme von Sahra Wagenknecht und Christine Buchholz. Wenn dann von Antisemitismus bei den Linken die Rede ist, sind niemals die Linken selber schuld. Sondern die Medien, die aus böser Absicht nicht verstehen wollen, warum Frau Wagenknecht danach zumute war, einen Staatsgast zu beleidigen.
Dabei versteht Frau Wagenknecht das Spiel mit den Medien sonst so virtuos wie Sylvie van der Vaart. Ein bisschen Sex, ein bisschen Tabubruch mit dem Wort Kommunismus und ganz viele Auftritte in Talkshows. Sie ist so geübt in Interviewsituationen, dass sie Fragen lediglich als beiläufiges Geräusch wahrnimmt, während sie ununterbrochen spricht.
Erprobte Technik
Die Technik, die Markus Lanz wählte, um ein Gespräch mindestens zu simulieren, ist erprobt. Der BBC-Interviewer Jeremy Paxman unterbrach den Politiker Michael Howard zwölfmal mit der immer selben Frage. Stephen Sackur von der BBC-Sendung „Hardtalk“ konfrontierte den niederländischen Populisten Geert Wilders mit der Feststellung „Sie sind Rassist“. Der Interviewer Mike Wallace sprach in der legendären US-Sendung „60 minutes“ seinen Interviewpartner Ayatollah Khomeini als „Geisteskranken“ an.
Wer in ein Flugzeug steigt, darf selbst dann die Landung nicht mitgestalten, wenn er eine bessere Klasse gebucht hat. Warum glaubt Frau Müller, sie hätte mit 17,98 Euro Rundfunkbeitrag das Recht erworben die Art der Interviewführung auf allen Kanälen zu bestimmen? Manchmal ist es gar nicht schlecht, nachts einfach noch einen Teller Gulaschsuppe zu essen.
Jörg Thadeusz ist RBB-Moderator.
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