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Feminismus ist für alle! Ein Plädoyer für die Einbeziehung aller Frauen

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Von: Sereina Donatsch

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Feminismus muss sich gegen jede Unterdrückung richten. Nur dann kann er erfolgreich sein - Der Leitartikel zum internationalen Frauentag.

Frankfurt - Feminismus ist für alle. Feminismus muss für alle sein. Ungleichheit hat viele Gesichter. Eine soziale Bewegung kann es sich nicht erlauben, manche Facetten nicht zu beachten. Feminismus braucht Solidarität mit allen Unterdrückten. Die Welt besteht nicht nur aus Männern, die unterdrücken und Frauen, die unterdrückt werden. Sie ist komplexer. Es gibt auch diejenigen, die einer Minderheit angehören. Sie werden täglich diskriminiert, weil sie von der vorherrschenden Norm abweichen. Eine Norm, die weiß, heterosexuell und schlank ist. Sie sitzt nicht im Rollstuhl. Sie ist nicht trans. Sie trägt kein Kopftuch.

Demonstrantin am Weltfrauentag in Pakistan
Feminismus und Weltfrauentag sind für allle da. © Rahat Dar/dpa

Das seien Einzelinteressen, die vom Wesentlichen ablenken, so die Kritik mancher Feministinnen. Frauen sind weltweit unterdrückt und der Kampf für Gleichberechtigung könne nicht alle Formen von Unterdrückung und Diskriminierung einbeziehen. Aber kann ein feministisches Engagement der Unterdrückung der Mehrheit mehr Gewicht verleihen als der Unterdrückung von Minderheiten? Teile der Bevölkerung und manche Diskriminierungserfahrungen können doch nicht einfach wegfallen? Ist deren Kampf weniger wert?

Weltfrauentag: Feminismus braucht die intersektionale Perspektive

Alle Interessen müssen vertreten werden. Deshalb ist eine intersektionale Perspektive unerlässlich. Sie macht unterschiedliche Unterdrückungsverhältnisse sichtbar. Sie betrachtet die Gesellschaft nicht nur durch das Prisma von Sexismus, sondern beispielsweise auch von Klasse und Rassismus.

Diskriminierungserfahrungen haben oft unterschiedliche Ursprünge, überschneiden und verflechten sich: Während Schwarze Männer von Rassismus betroffen sind und weiße Frauen von Sexismus, sind Schwarze Frauen beiden Unterdrückungsformen ausgesetzt. Ein Mensch kann aus vielen verschiedenen Gründen diskriminiert werden. Die „intersektionale Brille“ bringt diese Komplexität und Mehrfachdiskriminierungen zum Vorschein.

Feminismus muss verschiedene Lebensrealitäten berücksichtigen

Im Gegensatz zu einem weißen, bürgerlichen und elitären Feminismus will ein intersektionaler, inklusiver Feminismus alle Menschen erreichen, mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen. Er nimmt verschiedene Lebensrealitäten und Erfahrungen wahr. Nicht nur die der weißen Frauen einer bestimmten Gesellschaftsschicht. Sondern auch Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Familiennamens, ihrer Herkunft, ihrer Sexualität oder einer Behinderung benachteiligt werden.

Das Konzept kam in der afrofeministischen Bewegung auf, die sich damals von den Feministinnen ausgeschlossen fühlte. Sie verbreitete sich von den 70er Jahren an in den USA und Europa und findet im Westen vor allem bei der jüngeren Generation eine positive Resonanz.

Über Inklusion und Ungleichheiten nachzudenken bedeutet sich seiner eigenen Position, Privilegien bewusst zu werden. Das Leben einer Schwarzen Frau, die als Putzkraft arbeitet, ist nicht dasselbe wie das einer weißen Frau, die in einer Führungsposition ist. Eine weiße, schlanke und heterosexuelle Akademikerin hat es möglicherweise einfacher als eine Schwarze, lesbische, übergewichtige Frau ohne Schulabschluss. Mehrfachdiskriminierung spielt besonders auf dem Arbeitsmarkt eine Rolle.

Westliche Perspektive: Bestimmte Gruppen bleiben weiter unsichtbar

Diese Lebenserfahrungen werden aber durch Feministinnen, die an einer universellen Vorstellung festhalten, unsichtbar gemacht. Weiße Akademikerinnen halten Vorträge über Emanzipation und bestimmen die Debatten. Ihre Ziele sind dementsprechend auch stärker vertreten.

Sie projizieren ihre westliche Auffassung auf andere Realitäten und bestimmen für andere, was feministisch ist. Eine Sexarbeiterin kann demnach nur ein Opfer unseres patriarchalischen Systems sein. Es ist unvorstellbar, dass eine Frau sich bewusst für diese Arbeit entscheiden kann. Sexarbeit gehöre abgeschafft. Eine Frau mit Kopftuch? Das kann auch nur ein Akt der Unterdrückung sein. Und sollte am besten verboten werden.

Kopftuch: Ein Streitthema im Feminismus

In Deutschland gibt es Frauen, die das Kopftuch tragen wollen und in anderen Ländern kämpfen sie dafür, es nicht tragen zu müssen. In manchen Bundesländern ist die Vollverschleierung in Schulen und Hochschulen untersagt. Wie dem auch sei, ein Verbot wird das Problem nicht lösen. Durch eine pauschale Opferzuschreibung werden sie nur doppelt bestraft und marginalisiert. Und wenn Frauen gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen, dann ist ein Verbot kontraproduktiv, denn es führt dazu, dass sie sich zu Hause abschotten.

Es ist an der Zeit, in sich zu gehen, von dem Elfenbeinturm herunterzukommen und die Pluralität der Gesellschaft zu berücksichtigen. Kämpfe gegen alle Formen von Unterdrückung müssen vereint werden. Diese Verbundenheit ist die Voraussetzung eines erfolgreichen Feminismus. (Sereina Donatsch)

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