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Änderung des Wahlrechts: Kampf um Mandate

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Von: Pitt von Bebenburg

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Wer könnte dagegen sein, den Bundestag, dieses bürokratische und teure Parlament, auf ein richtiges Maß zu stutzen?  Eine Reform des Bundestagswahlrechts ein richtiger Schritt. Doch alle Lösungswege haben eine Schlagseite.
Wer könnte dagegen sein, den Bundestag, dieses bürokratische und teure Parlament, auf ein richtiges Maß zu stutzen? Eine Reform des Bundestagswahlrechts ein richtiger Schritt. Doch alle Lösungswege haben eine Schlagseite. © Christoph Soeder/dpa (Archiv)

Die Ampel-Parteien wollen im Wahlrecht plötzlich die Regel streichen, von der die Linke profitiert. Das ist unfair. Der Leitartikel.

Frankfurt – Das Wahlrecht ist ein politisches Kampffeld besonderer Art. Denn hinter vielen Argumenten, die hehr klingen, verbergen sich knallharte parteipolitische Verteilungskämpfe. Und zuweilen Fragen, die für manche Parteien existenziell sind.

Dabei ist das Ziel, den Bundestag zu verkleinern, ein berechtigtes Anliegen, das sich vollkommen neutral anhört. Mit 736 Abgeordneten hat das Bundesparlament deutlich mehr Sitze als nötig wären, um die Interessen der Menschen in Deutschland zu vertreten.

Wahlrechts-Plan der Ampel: Linkspartei würde massiv verlieren

Wer könnte dagegen sein, dieses bürokratische und teure Parlament auf ein richtiges Maß zu stutzen? Das gilt im Übrigen auch für zahlreiche Landesparlamente, ebenso wie für die Regierungen in Bund und Ländern. Der politische Apparat insgesamt ist in Deutschland zu aufgebläht.

Daher ist eine Reform des Bundestagswahlrechts ein richtiger Schritt. Doch alle Lösungswege haben eine Schlagseite. Jede Partei kann ganz schlicht berechnen, wer von ihren Leuten rausgeflogen wäre, wenn das neue Wahlrecht bei der vorigen Bundestagswahl gegolten hätte.

Mit dem neuen Vorschlag sind SPD, Grüne und FDP der Union deutlich entgegengekommen, insbesondere der CSU. Die mit Abstand größte Verliererin wäre hingegen die Linkspartei. Sie würde nur über vier, nicht über 39 Abgeordnete verfügen, wenn die Mandate 2021 nach diesem Gesetz berechnet worden wären. Das ist nicht fair.

Wahlrechts-Reform der Ampel-Koalition: Streichung der Grundmandatsregel geplant

Schon für ihren ersten Entwurf hatten SPD, Grüne und FDP berechtigte Kritik geerntet. Seinerzeit strebten sie an, die Zahl der Abgeordneten auf 598 Mandate zu deckeln. Das hätte sehr wahrscheinlich zur Folge gehabt, dass Wahlkreise ganz ohne Abgeordnete bleiben. Betroffen gewesen wären gerade jene Politikerinnen und Politiker, die hart kämpfen müssen, um ihren Wahlkreis knapp für sich zu entscheiden. Das wäre ein Schlag ins Kontor gewesen, auch für ihre Wählerinnen und Wähler. Mit dem neuen Plan, der 630 Abgeordnete vorsieht, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer geworden, dass es so kommt. Gut so.

Krassere Auswirkungen dürfte jedoch eine andere Änderung zeitigen: Die geplante Streichung der Grundmandatsregel. Dadurch werden einer regional stark verankerten Partei ausnahmsweise Mandate gemäß ihres Zweitstimmenergebnisses zugeteilt, auch wenn sie bundesweit an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist. So wie der Linkspartei bei der vergangenen Wahl.

Oder der PDS 1994. Gerade ihr Beispiel zeigt, dass diese Aufwertung von Parteien mit regionalen Besonderheiten ein sinnvoller Gedanke ist. Die PDS war eine fast reine Ostpartei, die in manchen Ländern bis zu 30 Prozent der Stimmen einfuhr, während sie im Westen nur geringe Bedeutung besaß. Um diesen ostdeutschen Stimmen Gehör zu verschaffen, war es richtig, sie trotz ihres Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen zu lassen.

Ampel will Wahlrecht reformieren: Linke sind massiv im Nachteil

Niemand kann sagen, wen die Änderung in Zukunft treffen würde. Am wahrscheinlichsten ist das weiterhin bei der Linken. Die AfD scheint derzeit zu stark, um an der Fünf-Prozent-Hürde hängenzubleiben – doch das muss nicht für alle Zeiten gelten. Auch sie würde mit einer Neuregelung die Chance verlieren, in einem solchen Fall dank einiger Direktmandate in Fraktionsstärke einzuziehen. Das wäre dann, so unwahrscheinlich es derzeit erscheint, politisch erfreulich.

Und trotzdem ist der Vorstoß der Ampel bedenklich. Insbesondere ist verwunderlich, dass von einer Abschaffung dieser Klausel in den bisherigen Debatten nie die Rede war – und nun soll es plötzlich ganz schnell gehen. Der Verdacht liegt nahe, dass SPD, Grüne und FDP im vermeintlich eigenen Interesse handeln. Mehrheiten lassen sich leichter bilden, wenn keine zusätzlichen Abgeordneten einer Oppositionspartei im Parlament sitzen.

Wahlrechts-Reform: Ampel-Plan erntet Kritik

Bei aller Kritik: Es ist gut, dass die Ampel das schwierige Projekt einer Wahlrechtsreform ernsthaft angeht. Doch es gibt bessere Alternativen. Wenn die Zahl der Wahlkreise etwa auf 270 verringert würde, wie es die Union vorschlägt, würde das Parlament kleiner – und zugleich wäre garantiert, dass alle Regionen auch mit Wahlkreisabgeordneten vertreten wären.

Ebenso wirkungsvoll wäre der Weg zu bundesweiten Wahllisten statt Landeslisten. Hierfür hätte die Ampel allerdings bereit sein müssen, sich mit CDU und CSU so richtig anzulegen – denn von den aussichtsreichen Parteien haben nur sie sich entschieden, nicht in allen Bundesländern anzutreten, weshalb Bundeslisten für sie unattraktiv sind. Nun wird aller Voraussicht das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort haben. Doch das Manko des Ampel-Entwurfs ist kein juristisches, sondern ein politisches.

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