Von der Leyen stößt Debatte um klimafreundliche Technologien an: ein längst überfälliger Schritt

Die USA und China fordern die Europäische Union mit ihrer Politik heraus. Die EU-Staaten dürfen aber als Antwort nicht nur klimafreundliche Industrien fördern. Der Leitartikel.
Der Vorstoß von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Förderung von klimafreundlichen Technologien ist alles andere als ein großer Wurf. Es ist bestenfalls der Beginn einer überfälligen Debatte darüber, wie die EU-Staaten auf die milliardenschweren Subventionen der USA und China für deren Industrien und die damit verbundenen Wettbewerbsverzerrungen reagieren sollen. Immerhin in der Höhe der Summen scheint der alte Kontinent mit den Konkurrenten gleichziehen zu wollen. Doch wer sich allein darauf bezieht, wird den Herausforderungen nicht gerecht.
China und die USA haben bereits vorgelegt und sich einen ordentlichen Vorsprung erarbeitet. Die Biden-Regierung beispielsweise fördert mit dem US-Inflation Reduction Act mit immensen Summen nicht nur erneuerbare Energien, sondern investiert auch in das soziale System.
Außerdem will Washington zusammen mit Mexiko und Kanada Industrien wieder auf dem nordamerikanischen Kontinent ansiedeln, die sich in den vergangenen Jahren durch die Globalisierung andere Standorte suchten. Nicht vergessen werden darf, dass die energiehungrigen Vereinigten Staaten Öl und Gas inzwischen nicht mehr importieren, sondern in großem Umfang exportieren.
Von der Leyen stößt längst überfälligen Schritt an: Europa muss zukunftsfähig werden
Der alte Kontinent muss deshalb nicht hysterisch werden und braucht sich auch nicht Untergangsszenarien hinzugeben. Vielmehr sollte man die Politik der beiden Großmächte durchaus auch als einen Angriff auf die EU werten – auch wenn das nicht das oberste Ziel von Washington und Peking sein mag.
Die EU-Staaten wären also gut beraten, wenn sie nicht nur in einzelnen Themenfeldern Antworten auf die Herausforderungen finden, sondern ein Konzept erarbeiten, das die Union zukunftsfähig macht. Dabei wäre es hilfreich, wenn die Verantwortlichen in den Hauptstädten der Union mit der Kommission beispielsweise möglichst schnell den sogenannten Souveränitätsfonds auf den Weg bringen, damit möglichst rasch alle EU-Staaten Geld für klimafreundliche Technologien bekommen können.
Das setzt allerdings voraus, dass eher heute als morgen der Streit über die Finanzierung des Projekts beigelegt wird. Die nicht ausgegebenen Milliarden aus dem Corona-Fonds werden wohl nicht reichen, wie es Kanzler Olaf Scholz und andere behaupten. Für zusätzliche Mittel müssten die EU-Staaten neue Schulden machen. Dagegen sperrt sich aber Finanzminister Christian Lindner im Verbund mit den Niederlanden.
Klimafreundliche Technologien sind nicht alles: Die EU muss attraktiver für die Menschen werden
Ein anderes Mittel wäre es, zusätzliche Einnahmen zu erschließen. Dafür könnte die Europäische Union Steuerschlupflöcher schließen oder die Steuersätze in den EU-Staaten für Unternehmen vereinheitlichen und damit einen Wettlauf um die niedrigste Abgabe beenden.
Mit diesen Einnahmequellen könnten auf Dauer auch andere wichtige Investitionen in Milliardenhöhe finanziert werden. Die EU-Staaten benötigen nicht nur mehr Geld für die Förderung des Industriestandorts, sondern seit Wladimir Putins Angriffskrieg in der Ukraine auch für Verteidigung.
Darüber hinaus wird die Union noch Geld in die Hand nehmen müssen, um die Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger des alten Kontinents mehr als bisher anzugleichen. Die EU muss nicht nur klimaneutral werden, sie muss auch attraktiver für die Menschen werden. Sonst steigt der Unmut, der zu viele bereits zu euroskeptischen Menschen oder Schlimmerem gemacht hat.
Für diese Ziele muss sich vor allem die Ampelkoalition noch bewegen. Auf Dauer kann vor allem FDP-Chef Lindner bei den Herausforderungen nicht neue Schulden ablehnen und gleichzeitig Steuern senken wollen. (Andreas Schwarzkopf)