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Abkommen zum Schutz der Meere: Unerwartet positiv

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Von: Joachim Wille

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Gigantische Mengen Plastikmüll enden in den Ozeanen und sinken feingeschreddert bis auf die Sedimente ab. Und das ist nur eines von vielen Problemen.
Gigantische Mengen Plastikmüll enden in den Ozeanen und sinken feingeschreddert bis auf die Sedimente ab. Und das ist nur eines von vielen Problemen. © Alexander Limbach/Imago

Die UN-Staaten haben deutliche Verbesserungen beim Schutz der Ozeane beschlossen – jetzt kommt es auf die Umsetzung an. Der Leitartikel.

Hat die Weltgemeinschaft es endlich begriffen? Dass sie, bildlich gesprochen, wie in einem Mega-Kreuzfahrtschiff auf Hoher See vereint ist, dem der Untergang droht? Es ist offenbar so. Immerhin haben sich die Staaten der Erde gleich auf zwei Konferenzen auf wichtige Schritte zu Schutz und Sanierung der Meere geeinigt. Dabei wurde festgelegt, dass künftig mindestens 30 Prozent der Fläche der Ozeane zu Schutzgebieten werden sollen. Zudem gab es einen Schub für die Finanzierung entsprechender Projekte. Zahlreiche Regierungen sagten neue Mittel zu, umgerechnet fast 19 Milliarden Euro. Das sind Ergebnisse, die noch vor kurzem kaum möglich schienen.

Wie stark die Ozeane bedroht sind, ist nur wenigen bewusst – anders als etwa bei Wäldern, Mooren oder Agrarböden. Eine ganze Reihe Faktoren spielt da eine Rolle. Der Klimawandel und Schadstofffrachten bringen die Chemie der Ozeane zunehmend durcheinander, durch Erwärmung, Versauerung und Sauerstoffmangel. Gigantische Mengen Plastikmüll enden hier und sinken feingeschreddert bis auf die Sedimente ab. Die Überfischung vieler Bestände droht zu deren Kollaps zu führen; ein Teil der Population großer Fische ist bereits aus den Meeren verschwunden. Und nun machen sich Bergbaukonzerne daran, Rohstoffe wie Mangan und Kobalt aus der Tiefsee zu bergen, mit potenziell verheerenden Folgen für die Unterwasser-Flora und -Fauna.

Die Konsequenzen dieses Umgangs mit den Meeren sind dramatisch, das ist klar – für das Leben darin, das Weltklima, aber auch für die Ernährung und den Wohlstand der Menschheit. Trotzdem war der Großteil der Meere bislang praktisch nicht geschützt, da mehr als 60 Prozent ihrer Fläche in internationalen Gewässern liegen, einem kaum regulierten Bereich. Schutzgebiete gibt es hier bisher nur auf rund einem Prozent der Fläche der Hohen See, das UN-Seerechtsübereinkommen beinhaltet gleichzeitig nur grobe Umwelt-Leitlinien, und die Nutzung der Hochsee, ihrer Naturressourcen und Bodenschätze ist allenfalls lückenhaft durch internationale Verträge geregelt.

Hier zeichnen sich nun deutliche Verbesserungen ab. Die UN-Mitgliedstaaten haben sich auf einer Marathonsitzung in New York von fast 40 Stunden auf einen Text zum Schutz der Hohen See geeinigt, der in ein internationales Abkommen münden dürfte. Dabei geht es nicht nur um das 30-Prozent-Ziel Flächenziel, mit dem zum Beispiel die Überfischung gebremst werden kann. Das Abkommen soll auch die biologische Vielfalt auf Hoher See unter international verbindlichen Schutz stellen. Zudem wurde ein Verfahren festgelegt, um wirtschaftliche Projekte, Expeditionen und andere Aktivitäten in den Ozeanen auf ihre Umweltverträglichkeit zu prüfen. Und dann soll es erstmals einen Mechanismus für Ausgleichszahlungen der Industriestaaten an ärmere Länder geben, wenn sie künftig Profite aus dem Fund bislang unbekannter Lebewesen in der bisher nur wenig erforschten Tiefsee sowie deren Erbgut erzielen.

Es wäre nach dem Durchbruch beim Welt-Naturgipfel im Dezember in Kanada kaum nachzuvollziehen gewesen, wenn die Verhandlungen speziell zur Hohen See nun gescheitert wären. In Montreal hatte die Weltgemeinschaft unter Mitwirkung vieler Staats- und Regierungsspitzen bereits festgelegt, dass jeweils mindestens 30 Prozent der Flächen an Land und in den Meeren Schutzgebiete werden sollen. Trotzdem sah es lange so aus, als würde die aktuelle UN-Konferenz scheitern, so wie mehrere Verhandlungsrunden dazu seit 2018.

Die Knackpunkte waren zahlreich. Dazu zählte, dass Länder wie China und Russland Einstimmigkeit bei Beschlüssen zur Einrichtung von Schutzzonen durchsetzen wollten. Damit hätte ein einzelner Staat mit kommerziellen Interessen in einer betroffenen Region diesen Schritt verhindern können. Das wurde zum Glück abgewendet. Es soll nun eine Dreiviertel-Mehrheit der UN-Mitgliedstaaten ausreichen, um Schutzgebiete einzurichten. Aber auch dass nun eine Regelung zum Vorteilsausgleich bei der Nutzung der genetischen Ressourcen angepeilt wird, ist ein unerwartet positives Signal. Die Industriestaaten gingen hier auf jene Länder zu, die bei den Forschungs- und Entwicklungskapazitäten bisher nicht mithalten können. Das hat zu dem Durchbruch auf dem Weg zu einem Abkommen beigetragen, genauso wie die stattlichen Milliardensummen, die Industriestaaten wie die USA (mit alleine umgerechnet 5,6 Milliarden Euro) und die EU-Länder auf der parallel in Panama veranstalteten Konferenz „Our Ocean“ für Projekte zum Meeresschutz zusagten.

So positiv das alles ist – in übermäßigen Jubel sollte man trotzdem nicht ausbrechen. Denn am Ende kommt es auf die konkrete Umsetzung der neuen Regularien an. Die Geschichte des Weltklima-Abkommens von Paris 2015 lehrt, dass ein Durchbruch auf dem Papier noch längst keiner in der Praxis ist – und dass damit die Arbeit zur Umkehr der Trends, die in den Abgrund führen, erst richtig anfängt.

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