Sprengstoff im Spähballon

Im besten Fall war der chinesische Spähballon ein plumper Versuch der Machthaber in Peking, zu testen, wie weit sie gehen können. Im schlimmsten Fall eine bewusste Demütigung und Provokation Washingtons. Der Kommentar.
Auf den ersten Blick wirkt der Vorgang wie eine Posse: Ein weißer Ballon mit einem silbernen Anhängsel treibt sieben volle Tage über die Weiten der USA. Bei klarem Wetter kann man das feindliche Ufo am blauen Himmel beobachten, im Netz gibt es einen Wettbewerb um die besten Fotos. Unwillkürlich wähnt man sich in einem satirischen Spionagethriller: Zu offensichtlich und zu anachronistisch erscheint im Zeitalter der globalen Satellitenüberwachung der chinesische Ausspähversuch, um eine echte Bedrohung für die USA darzustellen.
Doch genau darin liegt die politische Brisanz: Im besten Fall war der Himmelskörper ein plumper Versuchs-Ballon der Machthaber in Peking, die austesten wollen, wie weit sie gehen können. Im schlimmsten Fall eine bewusste Demütigung und Provokation Washingtons.
Die Wirkung ist beunruhigend: Die Beziehungen zwischen den beiden Weltmächten stürzen auf einen Tiefpunkt. Innenpolitisch gerät Präsident Biden unter Druck. Angesichts der brisanten Lage um Taiwan und Pekings Unterstützung für Russland im Ukrainekrieg trumpfen die republikanischen Hardliner auf, die einen knallharten Kurs mit China fordern. Der Spähballon hat neben dem zum Fliegen nötigen Gas jede Menge politischen Sprengstoff enthalten.