Selenskyjs Botschaft

Der ukrainische Präsident bekommt bei seinen Besuchen in Deutschland und Italien vieles von dem, was er braucht – aber nicht alles. Zum Thema Friedensverhandlungen zeigt er eine klare Position. Der Kommentar.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kann mit seinen Visiten in Italien und Deutschland zufrieden sein. Er bekam schließlich fast alles, was er wollte. Viel Zuspruch, weitere Waffenlieferungen und vor allem viele positive Bilder. Die braucht er, weil er nicht nur gegen die russische Invasionsarmee kämpft, sondern auch für die Unterstützung der westlichen Verbündeten für sein überfallenes Land.
Jenseits dieser eher atmosphärischen Aspekte hat Selenskyjs Besuch erneut gezeigt, dass sich die Verantwortlichen in Kiew und den verbündeten Hauptstädten längst auf einen längeren Krieg eingestellt haben und die geplante Gegenoffensive nicht die letzte sein wird. Nicht umsonst haben alle Beteiligten in den letzten Tage all zu großen Erwartungen an die Frühjahrsoffensive widersprochen. Außerdem treffen einige deutsche Waffen erst im kommenden Jahr in der Ukraine ein.
Doch wenn die Allianz zwischen der Ukraine und dem US-geführten Bündnis mit Deutschland und den anderen EU-Staaten erfolgreich sein will, muss sie einen langen Atem haben. Denn der Autokrat Wladimir Putin hat seine Armee längst auf einen sogenannten Abnutzungskrieg eingestellt und die Verteidigungsstellungen in den völkerrechtswidrig annektierten Gebieten im Osten der Ukraine enorm verstärkt.
Die westliche Kooperation wird also wohl nachlegen müssen. Militärisch ist allerdings vorerst nicht mehr drin. Beim Thema Kampfjets beißt Selenskyj bei den westlichen Unterstützern auf Granit. Und Washington hat in den letzten Tagen deutlich gesagt, Kiew habe für die Offensive alles, was nötig ist. Selenskyj wird also auf die geplanten Verschärfungen der Sanktionen der EU gegen Russland setzen.
An dieser Stelle droht vor allem den westlichen Industrienationen eine Niederlage. Zwar bringen die Sanktionen die russische Wirtschaft ins Stottern, aber nicht zum Stehen. Moskau findet für viele Güter zu viele Schlupflöcher – auch, dank der Hilfe von Staaten wie China und Indien. Die US-geführte Allianz müsste also auf diesem Feld ihr Engagement erhöhen und Schlupflöcher stopfen.
Etwaige Friedensgespräche spielen aktuell bei den Akteuren kaum eine Rolle. Nicht umsonst hat Selenskyj in Berlin unmissverständlich darauf hingewiesen, dass ein möglicher Frieden nur unter den Bedingungen Kiews zustande kommen kann. Perspektivisch werden ernstzunehmende Gespräche über das Ende der Kämpfe frühstens im Herbst auf die Tagesordnung kommen. Diesen Zeitpunkt hat China genannt. Und Peking ist die einzige Macht, ein derartige Treffen zwischen den Kriegsparteien organisieren kann, wenn China dies überhaupt wirklich will. Bis dahin wird auch klar sein, wie erfolgreich die ukrainische Frühjahrsoffensive sein wird.