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„NSU 2.0“-Verfahren in Frankfurt: Welche Rolle spielte die Polizei bei den Drohbriefen?

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Von: Pitt von Bebenburg

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Nicht nur Idil Baydar, Seda Basay-Yildiz und Janine Wissler (v. l.) werden den Prozess genau verfolgen.
Nicht nur Idil Baydar, Seda Basay-Yildiz und Janine Wissler (v. l.) werden den Prozess genau verfolgen. © peter-juelich.com

Im Fall „NSU 2.0“ geht es nicht nur um die Schuld oder Unschuld des Angeklagten. Es stehen auch politisch brisantere Fragen im Raum. Ein Kommentar.

Frankfurt - Es wird keine einfache Aufgabe sein für das Landgericht in Frankfurt, den Erwartungen im „NSU 2.0“-Verfahren gerecht zu werden. Denn sie gehen weit über die Frage hinaus, ob der festgenommene Berliner widerliche rechtsextreme und sexistische Drohschreiben im Dutzend verfasst und abgesandt hat.

Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, dass auch die politisch viel brisanteren Fragen aufgeworfen werden. Wie haben sich Polizistinnen und Polizisten verhalten, von denen der Angeklagte offenbar geschützte private Daten von Personen ergattern wollte? Ist es für die Beamtinnen und Beamten so selbstverständlich, solche Daten herauszugeben, dass sie sich nicht einmal mehr an einen solchen Vorgang zu erinnern vermögen? Oder ist es doch so, dass ausgerechnet Polizistinnen und Polizisten einen Rechtsextremisten oder ein rechtes Netzwerk bewusst mit solchen Daten versorgt haben, aus Überzeugung?

„NSU 2.0“: Interesse richtet sich nicht nur auf die Angeklagten

Für die Ermittlerinnen und Ermittler scheint all das eher zweitrangig gewesen zu sein. Sie gehen schlicht davon aus, dass ein Täter, der sich bereits öfter als Polizist ausgegeben hat, das auch im Fall der „NSU 2.0“-Drohungen mit Erfolg praktiziert hat. Aber belegt wurde das bislang nicht. Das Frankfurter Landgericht darf sich damit nicht abfinden. Es muss der Sache auf den Grund gehen.

Nicht nur hier zeigt sich: Die Justiz hat einen öffentlichen Auftrag, der über das traditionelle Verständnis ihrer Aufgaben hinausgeht. Schon im NSU-Prozess in München, im Frankfurter Verfahren gegen den Mörder des nordhessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke oder im Prozess gegen den antisemitischen Attentäter von Halle richtete sich das Interesse nicht nur auf die Angeklagten.

Wichtig ist, dass die Betroffenen und Opfer von Gewalt und Bedrohung Raum bekommen für ihre Sicht und dass die Fragen nach einer möglichen Verantwortung staatlicher Behörden nicht ausgeblendet wird. Diesem Bedürfnis muss die Justiz immer häufiger gerecht werden – auch in diesem Prozess, der Mitte Februar in Frankfurt beginnt. (Pitt von Bebenburg)

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